Am Ende wird's hart(z)
Autor: Rainer Lutz
LKR Coburg, Mittwoch, 17. November 2021
Rente Der frühere Sozialsekretär der evangelischen Kirche, Leonhard Fehn, sorgt sich um die Zukunft im Alter all derer, die im Niedriglohnsektor beschäftigt sind.
Mehr als zwei Jahrzehnte war es Leonhard Fehns Aufgabe, als Sozialsekretär der evangelischen Kirche Menschen in sozialen Fragen zu beraten. Rente, Hartz IV oder Versorgung von Hinterbliebenen waren Themen seiner zahllosen Vorträge. Blickt er heute in die Zukunft, wird ihm bange für eine immer größere Zahl von Betroffenen - aus verschiedenen Gründen.
Vor allem die Altersrente wird für immer mehr Menschen nicht mehr reichen, um ohne weitere Unterstützung leben zu können, ist er überzeugt. "In Deutschland sinken, seit Helmut Kohl die Verteilungsmechanismen außer Kraft gesetzt hat, die realen Nettolöhne und Renten", sagt er. Tatsächlich lag das Rentenniveau noch zu Beginn der 70er Jahre bei etwa 70 Prozent. Heute sind es 48 und 2030 sollen es nur noch 43 Prozent sein.
Dazu muss erklärt werden, dass unter Rentenniveau nicht etwa der Prozentsatz des Brutto- oder Nettogehalts zu verstehen ist, der als Rente gezahlt wird. Es ist eine Rechengröße, die das Verhältnis der Standardrente zum Durchschnittseinkommen aller Versicherten beschreibt. Die Standardrente ist dabei die Rente, die jemand bekäme, der über alle Beitragsjahre genau im Durchschnitt aller Einzahler verdient und 45 Jahre Beiträge geleistet hat.
Schon jetzt werden laut Magazin Focus weit mehr als eine halbe Million unter den knapp 18 Millionen Rentnern als bedürftig eingestuft. Ein Anteil, der nach den Erwartungen von Leonhard Fehn in den kommenden zehn Jahren deutlich steigen dürfte. Dass dies keine neue Entwicklung ist, bestätigt ein Beitrag der Bundeszentrale für politische Bildung zur Lohnentwicklung und Kaufkraft: "Aufgrund relativ hoher Inflationsrate und nur geringer Lohnsteigerung haben die Deutschen heute weniger Geld in der Tasche als im Jahr 2000."
Entnahmen für Kriegsfolgelasten
Dazu kommt, dass die Rentenversicherung nicht nur für die Altersrente der Versicherten aufkommt. Sogenannte versicherungsfremde Leistungen schmälern den Kuchen, von dem nur die Versicherten - je nach Höhe der Einzahlungen - ihre Stücke abbekommen sollten. Doch wird hier auch Geld entnommen für Aufgaben, die eigentlich aus Steuergeldern gedeckt werden müssten. Dazu gehören Kriegsfolgelasten, Anrechnungszeiten, etwa für Ausbildung, wegen Arbeitslosigkeit oder wegen Krankheit, Kindererziehungszeiten, Rentenberechnung nach Mindesteinkommen, Bestandsschutz für Renten in den neuen Bundesländern, Renten für Aussiedler und Ausgleich von NS-Unrechtstaten. Der in der Agenda 2010 der Schröder-Regierung ausgebaute Niedriglohnsektor wird nach Fehns Erwartung durchschlagen, wenn immer mehr Betroffene dieser Regelungen in Rente gehen. Ihnen droht Altersarmut ebenso wie (laut einer Medienauflistung) vielen Selbstständigen, die nie in die Rentenkasse eingezahlt haben, Langzeitarbeitslosen, die länger als fünf Jahre ohne Job waren, Beziehern von Erwerbsminderungsrente oder geschiedenen Frauen, die selbst nie oder nur gering eingezahlt haben. In diesem Zusammenhang erinnert Leonhard Fehn daran, dass Beschäftigte, die jünger sind als 50 Jahre, nur zwölf Monate, Ältere 24 Monate Arbeitslosengeld erhalten, auch wenn sie jahrzehntelang eingezahlt haben. "Danach gibt es Hartz IV mit entsprechenden Verlusten an der späteren Rente."