Als Hitlerjunge die Bomben überlebt
Autor: Andrea Spörlein
Bamberg, Sonntag, 23. Februar 2020
Vor 75 Jahren warfen die Alliierten Bomben auf Bamberg ab. Rudi Peterhänsel erinnert sich an die Fliegerangriffe, die er als Bub in Bamberg miterlebte. Wenn heute Neonazis in Bamberg aufmarschieren, dann könnte der ansonsten ruhige Mann explodieren.
Rudi Peterhänsel ist eigentlich ein ruhiger und umgänglicher Mensch, der zusammen mit seiner Frau Renate den wohlverdienten Ruhestand in Strullendorf genießt. Doch wenn er die Züge der Rechten durch deutsche Innenstädte im Fernsehen und in der Zeitung sieht, wie erst vor Kurzem den Aufmarsch des "Dritten Wegs" durch Bamberg, dann verliert er seine Ausgeglichenheit und seine Ruhe. Er spricht dann von "geistigen Brandstiftern, die die Verbrechen des Dritten Reichs relativieren", von "dumpfer Propaganda" und "menschenverachtenden Parolen", die er eigentlich nie wieder in Deutschland hören wollte.
Heute noch Träume
Für den bekennenden Sozialdemokraten und das "Urgestein" der Bamberger Sozialdemokratie, 1934 in Bamberg geboren, ist die Bombardierung in Bamberg noch immer präsent. Manchmal, besonders in klaren Nächten, träumt er noch von den Fliegerangriffen und erinnert sich an die Ängste und Sorgen, die seine ganze Familie in dieser Zeit ausgestanden hat. Sie wohnten in der Franz-Ludwig-Straße gegenüber dem Franz-Ludwig-Gymnasium. Dort war ein Luftschutzraum für ca. 40 bis 70 Personen ausgebaut worden.
Dienst als Hitlerjunge
Als Hitlerjunge hatte er dort seinen Dienst zu tun, musste die Türe schließen und nach der Entwarnung wieder öffnen. Sein erster Blick ging dann immer auf die gegenüberliegende Seite, ob das Haus noch steht, wo er mit seiner Mutter und seinem Bruder lebte. Zusammen mit einem zweiten Hitlerjungen hatte er im Keller die Luftzufuhrpumpe per Handbetrieb zu bedienen, wenn der Strom ausgefallen war. Je näher die Bomben einschlugen, desto mehr wackelte der Boden. Auch an das kann er sich immer noch genau erinnern.
Nach jedem Bombenangriff musste er Ziegelsteine abklopfen, und wenn Lazarettzüge in Bamberg ankamen, dann wurde er mit seinen Altersgenossen abkommandiert, die Waggons zu säubern. Arbeiten, die eigentlich keine Zehnjährigen machen dürften, die doch eher in der Schule sitzen, mit dem Rüstzeug für ihr Leben ausgestattet werden und dann anschließend im Kreis der Familie oder mit Freunden den Tag verbringen sollten.
Rudi Peterhänsel hat viele Bombenangriffe in Bamberg miterlebt, so auch den letzten Angriff im Februar, aber auch den Angriff durch deutsche Jagdflieger, drei Tage nach dem Einmarsch der Amerikaner in Bamberg. So etwas möchte er keinem wünschen, das erzählt er immer wieder, und dass ein verbrecherisches Regime ihn und seine Generation um die Kindheit und Jugend betrogen hat.
Verwunderlich ist für ihn, dass man immer noch davon spricht, dass Bamberg von den Bomben des Zweiten Weltkrieges verschont geblieben sei. Er kann sich an die vielen Bombentrichter in der Stadt, die zerstörten Gebäude und den Schutt erinnern, genauso wie an die gesprengten Brücken, die die Amerikaner aufhalten sollten.
Halb Bamberg getroffen
In einer Publikation des Bamberger Stadtarchivs mit dem Titel "Vom Kriege verschont? Das Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 in Bamberg" von 2015 hat man akribisch die Fakten zum Kriegsende in Bamberg recherchiert. So kann von einer "weitgehenden Verschonung Bambergs im Zweiten Weltkrieg nicht die Rede sein".