Als es Hausnummern zweimal gab
Autor: Steffen Standke
Züntersbach, Mittwoch, 27. Juli 2022
Geschichte Züntersbach ist speziell. Nicht nur, weil es als hessisches Dorf an der Landesgrenze die Vorwahl "09741" von Bad Brückenau in Bayern besitzt. Es gibt noch andere Phänomene vor Ort, die Hans Müller erforscht hat.
Die Hausnummer 1 in Züntersbach: Sie gehörte im Jahr 1847 einem gewissen Andreas Frischkorn, der auch Bürgermeister des kleinen Ortes war. Die Hausnummer 1 in Züntersbach war aber in etwa zur selben Zeit (1850) auch einem Johann Adam Hergenroeder zugeordnet, trug die Zusatzbezeichnung "Alandsgütchen". Es handelte sich aber nicht um die selben Anwesen.
Hans Müller, von 1970 bis 1976 letzter Züntersbacher Bürgermeister, hat diese mysteriöse Doppelung, die sich einst durch seinen Heimatort zog, stets fasziniert. Zumal der 84-Jährige die Auswirkungen dieses Phänomens selbst noch erlebt hat. Also forschte er nach.
Jahrhundertealte Zweiteilung
Die seltsame Doppelung der Züntersbacher Hausnummern wurzelt in einer aus dem Spätmittelalter stammenden Zweiteilung. 1306 verkaufte Lehnsherr Ulrich von Steckelberg die Hälfte des Dorfes seinem Bruder, dem Probst des Klosters bei Fulda. Die andere Hälfte "behielt" er. "Die Grenze verlief in etwa von den heutigen Straßen 'Eckartser Straße' und 'Am Kies' über die 'Bergwinkelstraße' zur 'Badstraße' und 'Brüder-Grimm-Straße' bis zur 'Kasseler Straße'", schreibt Hans Müller.
Nach der Säkularisation - also der Enteignung und Verstaatlichung kirchlicher Besitztümer während der Napoleonischen Zeit - und dem Wiener Kongress, in dem Europa territorial neu geordnet wurde, wurde die zum Hochstift Fulda gehörende Hälfte von Züntersbach 1816 bayerisch; der andere Teil kam zu Kurhessen.
Die nummerntechnische Zweiteilung des Ortes bestand da schon, wenn auch in den beiden Teilen des Ortes unterschiedlich lange. Bereits 1767 wurde die Hessische Brandversicherungsanstalt Kassel gegründet. Für die Brandversicherungen bedurfte es einer exakten Erfassung und Kennzeichnung bestehender Gebäude; das geschah mittels Hausnummern. So wurden schon Mitte des 18. Jahrhunderts in der hessischen Hälfte von Züntersbach die Nummern 1 bis 50 vergeben.