Als die Aurach in die Hauptstraße floss
Autor: Manfred Welker
Herzogenaurach, Mittwoch, 27. Juli 2016
Starkregen und Hochwasser wie unlängst in Erlangen sind nicht nur in der Gegenwart ein Problem. Heute vor 75 Jahren standen Teile der Herzogenauracher Innenstadt unter Wasser. Menschen kamen nicht ums Leben, es entstanden aber hohe Sachschäden.
Eine große Hochwasserkatastrophe ereignete sich am 28. Juli 1941 in der Region. An einigen Häusern in der Innenstadt von Herzogenaurach erinnern Hochwassermarken an diesen Tag.
Am 27. Juli 1941 fing es harmlos zu regnen an, was sich aber am nächsten Tag so katastrophal ausgewirkt hat, wie es noch kein Mensch hier erlebt hatte. "Es gibt hier alte Leute, in den 80 od. 90 Jahr, die können sich einer solchen Überschwemmung nicht erinnern. Möge Gott uns fürderhin vor solchen Schrecken bewahren", schrieb Michael Maier nieder.
Vermutlich hatten die Herzogenauracher noch Glück im Unglück. Denn wäre die Überschwemmung nachts hereingebrochen, so wären sicher Menschenleben zu beklagen gewesen.
Nach tagelangem Regen war der Pegel der Aurach stark angestiegen. Ein im Talkessel der Nutzung niedergegangener Wolkenbruch verursachte den Bruch des Dammes am Wiwaweiher.
Auch die Dämme der drei Weiher in der Nutzung oberhalb des Wiwaweihers gaben nach und entließen ihre Wassermassen in Richtung Stadt.
Ein gewaltiger Strom ergoss sich auf einmal über Gärten und Spielplätze des Kindergartens in der Edergasse, riss ein Ecke der Heubeck'schen Scheune hinweg und flutete meterhoch durch das Hallertürlein zur Hauptstraße und zur Erlanger Straße. In dieser vereinigte er sich mit den Fluten der Aurach, die über ihre Ufer getreten war. Die Verbindung zwischen östlichem und westlichen Stadtteil, zwischen Bahnhof und dem Buck einerseits und der übrigen Stadt andererseits war komplett unterbrochen. Als abends der Zug in Herzogenaurach ankam, mussten 30 Personen auf dieser Seite der Aurach übernachten, die meisten bei der Firma der Gebrüder Dassler.
Bei der Hochwasserkatastrophe am 28. Juli 1941 wurden die Außenanlagen des Kindergartens überflutet.
Der Schaden belief sich nach Pfarrer Rathgeber auf etwa 3780 Mark. Die Sommerhalle, Zäune, Hecken und viele Spielgeräte wurden weggeschwemmt. "Soldaten des Fliegerhorstes haben sich um Hilfs- und Aufräumungsarbeiten sehr verdient gemacht. Sie haben auch die Kleinkinder aus dem Heim nach Hause getragen", notierte Pfarrer Rathgeber in der Pfarrchronik.
Tote Tiere auf der Straße
Das Wasser war in die Häuser eingedrungen, so dass sie geräumt werden mussten, sogar auf der Hauptstraße drang das Wasser noch in die Anwesen ein. Der Schaden in den Häusern der Innenstadt von Herzogenaurach ging in die Millionen. Besonders stark war die Wirth'sche Tuchfabrik betroffen.Kleines Vieh wie Hühner sah man tot auf den Straßen liegen. Stellenweise waren die Pflastersteine aus der Straße geschwemmt worden. Gartenzäune hatte der Wasserstrom umgedrückt. Der Holzsteg von der Wollfabrik Wirth war weggerissen und die Bahnbrücke beschädigt worden.
Ganz Tapfere sollen durch das kalte Wasser geschwommen sein. Manche, besonders junge Leute, wurden danach aber krank. Auch Klemens Fink war einige Tage danach unterhalb des Herzogenauracher Freibades an der Aurach, die immer noch starkes Hochwasser führte. Aus Übermut stieg er in die Aurach und schwamm zur Steinernen Brücke, durch den mittleren Bogen zum demolierten Steg bei der Wirth'schen Tuchfabrik bis zur beschädigten Bahnhofbrücke.
Stehen auf dem Grund konnte er nicht mehr, das Wasser war zu tief. Mit großer Mühe erreichte er nahe Hauptendorf bei der Bahngleisanhöhe das Ufer. Am Bahnhof vorbei lief er zur Aurachwiese unterhalb des Stadtbades, wo seine Kleidung lag. Von diesem Abenteuer erzählte er natürlich seinen Eltern nichts.
Auch Arno Schürr (Jahrgang 1934) kann sich an die Auswirkungen des Hochwassers auf das Familienanwesen erinnern, das sich an der Ecke der Erlanger Straße zur Ritzgasse befand. "Das Wasser kam durch die Haustür, die damals in der Ritzgasse lag, in die Wohnung." Als sich das Wasser seinen Weg durch die Tür in das Hausinnere suchte, lief Arno Schürr mit einer Lederhose bekleidet mit bloßen Beinen durch das Wasser.
Zur Erlanger Straße hin hatte das Haus drei Fenster, heute befindet sich an der Front der Eingang zu einem Optikergeschäft. Das Hochwasser sank nach seinem Hochstand einige Zentimeter ab, blieb dann aber auf diesem Stand rund sechs bis sieben Stunden stehen. Dadurch verteilte sich der Schlamm in der ganzen Wohnung. An den Möbelstücken sah man dann später genau, wie hoch das Wasser gestanden war. Die Mutter von Arno Schürr kam mit dem Putzen gar nicht nach.
Soldaten räumten mit auf
Wie er sich auch noch erinnert, wurden Soldaten des Herzogenauracher Fliegerhorstes zu den Aufräumarbeiten herangezogen. Der Vater ließ dann als Sicherungsmaßnahme ein wasserdichtes Schott für die Haustür konstruieren, benötigt hat es die Familie freilich nicht mehr. Die Hochwassermarke, die am Haus angebracht wurde, verschwand im Laufe der Zeit aber beim Verputzen. "Ich habe sie im Jahr 2011 wieder freilegen lassen. Ich möchte, dass die Erinnerung an dieses Hochwasser für die Nachwelt bewahrt bleibt", begründet Arno Schürr diese Maßnahme.Hans Peetz (Jahrgang 1921) erinnert sich ebenfalls noch gut an die Ereignisse. Er arbeitete damals als Elektriker in der Flugzeugwerft auf dem Herzogenauracher Fliegerhorst. Erst kurz vor dem Unglück waren er und einige Kameraden aus Frankreich nach Herzogenauracher zurückgekehrt.
Als das Hochwasser in Herzogenaurach stand, begab er sich in die Innenstadt: "Das Wasser stand bis zu den Stufen des Rathauses", erinnert er sich. "An einer feuchten Linie an der Fassade der Wollfabrik Wirth an der Schütt konnte man ebenfalls sehen, wie hoch das Wasser dort gestanden hatte, als es sich allmählich zurückzog." Beim Haus der Lehrersfamilie Schürr in der Badgasse (heute Volkshochschule) half er mit, Mobiliar aus dem Hochwasserbereich zu retten. Peetz rettete Personen beim Anwesen an der Schütt 3, besonders die erst 1940 geborene Tochter Agnes Krämer (jetzt verheiratete Frötschel) aus dem Haus. Er trug die Tochter über seinem Kopf haltend aus dem Haus, obwohl ihm das Wasser bereits weit über die Brust ging.