Alle Wölfe sind noch da - sicher
Autor: Rainer Lutz
Tambach, Mittwoch, 20. Januar 2016
Nach angeblichen Wolfssichtungen im Landkreis gibt es Gerüchte, es könne sich um Tiere handeln, die aus dem Gehege des Wildparks von Schloss Tambach ausgebrochen sind. Das ärgert Heinrich Graf zu Ortenburg - denn es stimmt nicht.
Es ist das Jahr 1859. Im Odenwald setzen sich Jäger auf die Spur eines Wolfes. Von Revier zu Revier wird er verfolgt bis ins Coburger Land. Nahe Heldburg wird er schließlich erlegt. So ist es in Adam Brückners "Tiere im Coburger Land" nachzulesen.
Es soll der letzte Wolf sein, der in dieser Region angetroffen wird - bis heute. Seit wieder einige Hundert Wölfe in Deutschland leben, ist seine Rückkehr ein Thema, auch im Coburger Land. Einige glauben, er sei schon zurück, andere sind skeptisch. Und es gibt Gerüchte. Die angeblichen Sichtungen könnten Begegnungen mit Wölfen sein, die aus dem Gehege in Tambach ausgebrochen sind. Dem tritt Heinrich Graf zu Ortenburg mit aller Entschiedenheit entgegen.
"Die Wölfe werden jeden Tag gezählt, wenn einer fehlt, würde das sofort bemerkt", stellt er klar. Das Zählen ist eine Sicherheitsmaßnahme, die eigentlich gar nicht nötig wäre.
Der massive, zwei Meter hohe Zaun ist oben abgewinkelt und mit Strom führenden Drähten versehen. Und er reicht fast ebenso tief in den Boden, wie er oben herausschaut. "Wölfe können sehr gut graben", weiß Tierpflegerin Anna Hornung. So tief graben sie dann aber auch wieder nicht. Außerdem haben die Tiere längst gelernt, dass der Zaun unangenehm ist. Sie halten auch bei ihren Runden im Gehege respektvollen Abstand, denn eine negative Erfahrung mit dem Strom müssen sie nur einmal machen.
"Selbst wenn bei der Fütterung etwas ein bisschen zu nahe am Zaun liegen bleibt, trauen sie sich nicht hin", sagt Anne Hornung. Ein Ausbruch ist da so sehr unwahrscheinlich.
Wenn es um Wolfssichtungen geht, gehört Graf zu Ortenburg zu den Skeptikern. Das Heulen der Tambacher Wölfe trägt leicht zwei bis drei Kilometer weit. Ihren Geruch nimmt der Wind noch viel weiter mit.
Sollten Wölfe im Coburger Land auftauchen, wäre es unwahrscheinlich, dass ihnen die Anwesenheit ihrer Artgenossen entginge. Obendrein hat der Wildpark auch eine Menge anderer Düfte für eine Wolfsnase zu bieten. Daher meint Graf zu Ortenburg. "Wir begehen auch alle paar Tage die Außengrenzen des Parks. Das tun auch Jäger. Da sollten wir schon mal Wolfsfährten gefunden haben."
Ausschließen will freilich auch er einen Besuch des Meisters Isegrim im Coburger Land nicht. Doch: "Dass Wölfe sich hier wieder auf Dauer niederlassen, halte ich für unwahrscheinlich. Dafür ist die Landschaft doch zu sehr zersiedelt." Zudem gäbe es in geringer Entfernung große Waldgebiete, die als Lebensraum für die Tiere attraktiver wären.
Thüringer Wald, Steigerwald oder größere Forsten der Haßberge wären für den Wolf leicht erreichbar.
Der sichere Nachweis
Für Fachleute gilt der Wolf ohnehin erst als sicher bestätigt, wenn es einen genetischen Nachweis dafür gibt. Der kann über Haare oder Speichel an einem Beutestück oder über Kot erbracht werden. Selbst gute Aufnahmen von Wildkameras könnten einen Wolfshund zeigen, der leicht mit einem echten Wolf verwechselt werden kann.Dennoch bleibt die Möglichkeit, dass wirklich wieder Wölfe das Coburger Land für sich entdecken. Immerhin gibt es zum Stand Dezember 2015 bereits wieder über 400 Wölfe in Deutschland. Experten gehen von 31 Rudeln, acht Paaren ohne Nachkommen und sechs teilweise umherziehenden Einzeltieren aus. Schon gleich hinter dem Thüringer Wald, im Umfeld des Truppenübungsplatzes Ohrdruf, soll eine Wölfin sesshaft geworden sein.
Wie beim Spiel vom "Schwarzen Mann" steht die Frage im Raum: "Und wenn er aber kommt?" Da sind die Meinungen sehr gespalten. Anne Hornung gibt zu bedenken: "Es ist so lange her, dass es hier Wölfe gegeben hat, da ist die Unsicherheit groß." Für den Fall einer Rückkehr liegen Managementpläne bereit. Das bayerische Landesamt für Umwelt hat darin die Handlungsabläufe bei einem Nachweis des Wolfes bis ins Detail vorbereitet. Von der Untersuchung des Vorkommens über die Information der Bevölkerung und den Einsatz verantwortlicher Ansprechpartner bis zum Monitoring und Programmen, die Unterstützung bei Schutzmaßnahmen und Schadenersatz bei Angriffen auf Nutztiere vorsehen, ist alles ausgearbeitet - bis hin zum Vorgehen bei verhaltensauffälligen Wölfen.
In vielen Gebieten können bereits seit Jahren Erfahrungen mit der Rückkehr des Wolfes gesammelt werden. Dabei zeigt sich, dass es bei aller Aufklärung immer Gruppen gibt, die den Wolf willkommen heißen, und solche, die seiner Rückkehr strikt ablehnend gegenüberstehen, weil sie ihn fürchten. Hier gilt es zu vermitteln.
Wer im Coburger Land aber einen Wolf sehen will, wird gut beraten sein, sich die Tiere im Wildpark anzusehen. In freier Wildbahn stehen die Chancen gering - selbst wenn wirklich schon ein einzelnes Tier hier unterwegs sein sollte.