Alle werden irgendwie Geld verlieren
Autor: Rainer Lutz
Coburg, Montag, 20. April 2020
Krise und Shutdown werden die betroffenen Länder teuer zu stehen kommen. Wir sprachen mit dem Finanzexperten Rüdiger von Berg über zu erwartende Folgen und Risiken - aber auch über Chancen, aus alledem zu lernen.
Rüdiger von Berg hat in seinem Berufsleben aus 33 selbstständigen Genossenschaftsbanken die heutige VR-Bank Coburg eG aufgebaut. Ab 1989 war er der erste Bankchef, der mit einer DDR-Bank einen viel beachteten Kooperationsvertrag abschloss, der schon kurze Zeit später in einer länderübergreifenden Fusion mündete. Er saß viele Jahre in Gremien namhafter Verbände, Bausparkassen- und Versicherungsunternehmen. Im Ruhestand stellt er sein Wissen ehrenamtlich über den Verein Aktivsenioren Bayern weiterhin dem hiesigen Wirtschaftsraum, Wirtschaftsförderern, Firmen in Krisen und Firmengründern zur Verfügung. Wir sprachen mit ihm über seine Einschätzung zur Entwicklung der Finanzwelt. Wie sieht jemand, der 50 Jahre Finanzexpertise in der Praxis erlebt hat, die aktuelle Situation?
Rüdiger von Berg: Ich sehe zwei Problemkreise mit unterschiedlichen Gefahren, aber mit zwei für Wirtschaft und Finanzen gefährlichen Exponential-Effekten. Corona mit der exponentiellen Ansteckungsrate, den wirtschaftlichen Störungen und den finanziellen und Arbeitsplatzproblemen. Vergessen darf man dabei nicht die EU-Verschuldungsfolgen. Manchmal wünsche ich mir, ich würde weniger über die Gesamtzusammenhänge wissen. Ich könnte viel ruhiger schlafen. Können Sie das näher erläutern?
Wer die Corona-Krise betrachtet, sieht erst einmal die gesundheitliche Seite. Dann merkt man, die Sache betrifft ja unter Umständen auch meinen Arbeitsplatz. Dann freut man sich über die schnellen politischen Reaktionen und die finanziellen Hilfsprogramme. Und das ist ja positiv für alle Betroffenen. Wer sich beruflich mit dem Themenkreis Finanzen beschäftigt, muss aber spätere Nachwirkungen im Auge behalten. Wenn über Nacht Milliarden Soforthilfen unters Volk gebracht werden, ist das zwar kurzfristig richtig und gut, aber irgendwann muss die Rechnung bezahlt werden und da gibt es nicht mehr viele Möglichkeiten. Warum ist das alles zu beachten und gedanklich zu verknüpfen?
Als Erstes muss ich etwas die weit verbreitete Meinung vom "reichen Deutschen" korrigieren. Aktuelle Studien sagen aus, dass zehn Prozent der Bevölkerung von der Hand in den Mund leben. 30 Prozent können nur wenige Wochen mit Ersparnissen überbrücken. Das heißt, dass 40 Prozent der Menschen des reichsten Landes der EU bei Krisen gefährdet sind. Die schnellen politischen Reaktionen mit Soforthilfen signalisieren mir, dass man die Studien kannte und das Märchen vom reichen Deutschen selbst nicht so ganz glaubte.
Und nun wechselt auch noch der Konjunkturzyklus. Das heißt, jeder sorgt sich um sein Geld. Banken registrierten verstärkt größere Barabhebungen. Warum wohl? Geplante Investitionen werden verschoben. Firmen arbeiten mit halber Kraft, Arbeitsplätze fallen weg und damit oft der gewohnte Lebensstandard für Betroffene. Ganze Lebensplanungen geraten so ins Wanken. Wegen der Hilfen für Griechenland, Italien und Spanien haben doch manche Fachleute noch vor Wochen auf den Konjunkturzyklus der Inflation gesetzt?
Das ist richtig! Jeder BWL-Student lernt, dass, wenn der Staat mehr Geld in Umlauf bringt, als Güter und Dienstleistungen dagegen stehen, die Kaufkraft einer Währung sinkt. Bei einer Inflation entschuldet sich der Staat auf Kosten seiner Bürger und Sparer. In den 70er-Jahren konnte das jeder Italien-Urlauber über die Wechselkurse erleben. Jedes Jahr bekam man mehr Lire für seine DM. Unsolides wirtschaften von Staaten wurde damit sichtbar bestraft. Heute haben wir mit dem Euro eine gemeinsame Währung aus stabileren Nordländern und mehrheitlich mit steigender Verschuldung kämpfenden Südländern. Kann man diese negativen Entwicklungen nicht beeinflussen oder umkehren?