Alkohol entfesselte die Aggression
Autor: Markus Häggberg
Lichtenfels, Donnerstag, 08. Oktober 2015
von unserem Mitarbeiter Markus Häggberg Lichtenfels — "Was? Anti-Aggressionstraining? Ich bin der netteste Mensch - wenn ich nichts trinke!" Diese letzten Worte des Angeklagten vor...
von unserem Mitarbeiter Markus Häggberg
Lichtenfels — "Was? Anti-Aggressionstraining? Ich bin der netteste Mensch - wenn ich nichts trinke!" Diese letzten Worte des Angeklagten vor der Urteilsverkündung wegen vorsätzlicher Körperverletzung wirkten nicht gerade einsichtig. Wenig später fiel der Richterspruch: 300 Euro Geldstrafe wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen.
Der 14. Juni 2015 war ein Festivaltag in Kronach. Für ein Besucherehepaar war es das am Abend jedoch nicht mehr. Schuld daran war ein Mann aus dem Stadtgebiet Lichtenfels, der eine Kopfnuss und Faustschläge verteilte. Davon sprach Carolin Schellhorn, die Vertreterin der Staatsanwaltschaft am Mittwoch im Amtsgericht während der Anklageverlesung gegen den 20-Jährigen.
Mit dem Kopf ins Gesicht
Der Angeklagte sprach anders: "An dem Abend habe ich getrunken und darum kann ich nicht viel sagen. Eigentlich wissen meine Freunde mehr als ich." Seine Freunde waren nicht als Zeugen geladen, dafür aber das junge Ehepaar. Zuerst kam die 29-jährige Frau in den Zeugenstand. Eine Erscheinung und rund einen halben Kopf größer als der Angeklagte. Die zahnmedizinische Fachangestellte erinnerte sich daran, dass sie mit Verwandten, Freunden und Bekannten eine Prüfung feierte. Man habe vor der Bühne gestanden und Musik gehört. Plötzlich sei der Lichtenfelser aufgetaucht und habe versucht, "auf einen Mann draufzusteigen". Als sie sich dazwischengestellt habe, schlug er ihr zweimal mit der Faust ins Gesicht. Zu dieser Szene kam der Ehemann (33) hinzu. Der sollte gleich Bekanntschaft mit dem 20-Jährigen machen.
"Er ist ihm mit dem Kopf ins Gesicht gesprungen", erklärte die Ehefrau den Vorfall, der auch als Kopfnuss Bezeichnung fand. Abermals äußerte sich der Angeklagte zu seinem Alkoholkonsum an diesem Tag. Schnaps und Bier habe er zu sich genommen, aber seit jenem Vorfall trinke er gar nichts mehr. Ein Satz, der durchaus Wirkung erzielen sollte, denn diese angebliche oder tatsächliche Selbstdisziplinierung sollte in Bezug auf das Urteil Würdigung durch Richter Ortwin Jaunich erfahren. Dieser stellte aber auch die unbequeme Frage, wie es dem Angeklagten gelungen sei, sich trotz zwei Promille auf den Beinen zu halten. "Ich habe kein Problem mit Alkohol", so eine der Antworten. Doch Jaunich hielt fest, dass man zwei Promille "erst mal schaffen" muss, und wer das kann, habe sehr wohl ein Problem.
Zur Alkoholisierung des 20-jährigen Einzelhandels-Azubis befragte Carolin Schellhorn auch den geschlagenen Ehemann. Der, ein 33-jähriger Marketingleiter aus dem Kronacher Raum, verneinte, etwas bemerkt zu haben und zeigte sich gegenüber dem Mann, der ihm eine eiternde Lippe und einen abgesplitterten Zahn einbrachte, sogar etwas versöhnlich: "Wenn Du oder Sie nur mich erwischt hätten - aber die Nummer mit meiner Frau fand ich uncool." Darum sei es zur Anzeige gekommen und letztlich zu einem Urteil, das um 500 Euro milder als von der Staatsanwaltschaft gefordert ausfiel.