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Aktionswoche nimmt die Barrierefreiheit in den Blick


Autor: Heike Schülein

Kronach, Mittwoch, 02. Oktober 2019

Kronach — Ein großes Banner auf der Europabrücke verweist derzeit auf die am Montag, 7. Oktober, beginnende Kronacher "Woche der Barrierefreiheit". Ein Team aus zehn unterschiedlichen Einrichtungen, V...
Ein Banner auf der Europabrücke verweist auf die am Montag beginnende "Woche der Barrierefreiheit" in Kronach. Foto: Heike Schülein


Kronach — Ein großes Banner auf der Europabrücke verweist derzeit auf die am Montag, 7. Oktober, beginnende Kronacher "Woche der Barrierefreiheit". Ein Team aus zehn unterschiedlichen Einrichtungen, Vereinen und Verbänden initiiert einen sechstägigen Veranstaltungsreigen rund um das Thema. Alle Interessierten dürfen sich auf ein vielfältiges Programm freuen.

"Wir wollen die Bevölkerung sensibilisieren für die ganz verschiedenen Barrieren, die Menschen eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben erschweren", erklärt VHS-Leiterin Annegret Kestler. Anlass für die Aktionswoche war die Auseinandersetzung mit der "Leichten Sprache". In Ausweitung des Themas erarbeitete man in guter Gemeinsamkeit ein umfangreiches Programm. Dieses soll alle Zielgruppen ansprechen, also keineswegs "nur" Menschen mit Handicap. Schließlich betreffe die Thematik - darin zeigten sich die Organisatoren sicher - in direkter oder indirekter Form, jetzt oder später, jeden von uns.

Den Auftakt bilden am Montag um 19 Uhr ein Fachvortrag und eine Podiumsdiskussion im Pavillon der Kronacher Sparkasse. Michael Gerr, Referent der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland, wird eingangs über "Im Einsatz für Barrierefreiheit: Erfahrungen, Grundlagen, Instrumente" berichten. An der Podiumsdiskussion nehmen Adem Elkol (Mitbürger mit Migrationshintergrund), Bezirks-Behindertenbeauftragte Christina Flauder, Diakon Rolf Jürgen Freese und der 1. Bürgermeister Hans Peter Laschka von Mitwitz ebenso teil wie Christina Rehe, Assistentin Qualitätsmanagement und Öffentlichkeitsarbeit Regens Wagner. Durch die Veranstaltung führt Uli Noll, während die Band des Wohnheims der Lebenshilfe für die musikalische Umrahmung sorgt.

Einmal selbst in den Rollstuhl

"Barrieren fangen im Kopf an - von Menschen, die selbst keine Einschränkung haben", zeigt sich Rainer Hader vom Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund sicher. Ziel sei es, mit diesen Menschen ins Gespräch zu kommen - nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern durch die Vermittlung von Wissen in Vorträgen wie auch in praktischer Art und Weise. Hierzu zählt insbesondere der große "Selbsterfahrungs-Aktionstag" am Mittwoch. Auf dem Marienplatz können alle Interessierten in die "Rolle" von Menschen mir Behinderung oder Beeinträchtigung schlüpfen, beispielsweise im Rollstuhl fahren, einen Alterssimulationsanzug anziehen oder durch das Tragen eines Rheuma-Handschuhes spüren, wie steife und geschwollene Finger alltägliche Tätigkeiten einschränken. Auch ein Parcours wird aufgebaut sowie eine Ausstellung von Hilfsmitteln. Vor Ort ist eine Reha-Servicewerkstatt. "Diese überprüft", so Janet Januszewski vom Caritasverband, "beispielsweise die Funktionsfähigkeit von Rollstühlen".

Weiter umfasst das Programm am Dienstag den Kinofilm "Drei von Sinnen" und am Freitag einen Fachvortrag zum Thema "Leichte Sprache". "Von dem Konzept können unter anderem Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Demenz profitieren sowie Menschen, die nicht gut Deutsch sprechen oder nicht gut lesen können", verdeutlicht Marina Schmitt vom Büro für "Leichte Sprache"/Offene Hilfen Landkreis Lichtenfels.

Poetry-Slam mit Maron Fuchs

Am Donnerstag gibt es ein Wiedersehen mit der Slam-Masterin Maron Fuchs, die bereits im März beim 1. Kronacher Poetry-Slam für einen vollbesetzten Stadl des Café Kitsch sorgte. Der Dichter-Wettstreit steht dieses Mal ganz im Zeichen von Barrierefreiheit. Die Texte können ernst oder lustig sein, gesellschaftpolitisch, kritisch oder bissig! "Wir wollen damit insbesondere junge Menschen für die Thematik interessieren", betont VHS-Mitarbeiterin Sabine Nachtrab. Am Samstag findet der von der Rheuma-Liga Kronach begangene Welt-Rheuma-Tag statt. Hieran beteiligen sich heuer zur Freude des Vorsitzenden Otto Degenbeck auch andere Institutionen mit Info-Ständen im Foyer der Frankenwaldklinik. Alle Veranstaltungen sind auch gehbehinderten Menschen zugänglich, was den Initiatoren wichtig ist, ebenso wie eine - bis auf die Kino-Vorstellung - überall kostenlose Teilnahme. Die Aktionswoche bedeutet Neuland in der Region. "Mir ist nicht bekannt, dass es eine solche Veranstaltungsreihe schon einmal in ähnlicher Form in der Umgebung gab", würdigt Sebastian Spichal, Leitung der Offenen Hilfen der Lebenshilfe Kronach. Sollte das Angebot gut angenommen werden, sei eine Fortsetzung durchaus vorstellbar. Dies würde auch Seniorenbeirats-Vorsitzender Franz-Josef Wich begrüßen.

"Manchmal ist es nur Gedankenlosigkeit ihrer Mitbürger, die Menschen mit Handicap das Leben erschwert", zeigt sich Jugendmigrationsdienst-Mitarbeiter Jürgen Christen sicher. Genau darauf zielt auch eine "Abstand"-Aktion des Modellprojekts "In der Heimat wohnen" ab. Mit einem grünen Hinweis-Zettel "Bitte nicht auf dem Gehweg parken", den man, so Caritas-Mitarbeiterin Birgit Weickert, hinter die Windschutzscheibe von geparkten Fahrzeugen klemmt, verweist man auf die Breite von Kinderwägen oder Rollstühlen.