600 Flüchtlinge kommen
Autor: Pauline Lindner
Forchheim, Freitag, 16. Oktober 2015
Asyl Im Hauptausschuss des Forchheimer Stadtrats diskutieren Helfer über Erfahrungen und Perspektiven. Sie wünschen sich mehr Unterstützung und warnen vor Verteilungskonflikten.
von unserer Mitarbeiterin Pauline Lindner
Forchheim — In Forchheim sind derzeit 263 Flüchtlinge dezentral untergebracht. "In der Erstaufnahme waren es am Mittwoch noch 141 Flüchtlinge, am Donnerstag war die Unterkunft leer. Das schwankt sehr schnell stark", antwortete Abteilungsleiter Frithjof Dier auf die erste Anfrage von Mitgliedern des Hauptausschusses des Forchheimer Stadtrats.
Der Ausschuss hatte Vertreter aller Organisationen und Einrichtungen, die in der Stadt das "Netzwerk Asyl" bilden, zu einem Erfahrungsaustausch eingeladen.
Kritische Nachfrage
Forchheim nimmt derzeit zwischen 32 und 42 Prozent aller dem Landkreis zugewiesenen Flüchtlinge auf. Dier und seine Mitarbeiter versuchen, auch Unterkünfte in Gemeinden ohne Flüchtlinge zu finden. Sie müssen aber des Öfteren passen, weil dort keine Versorgung oder Schule vorhanden sind.
Zwölf Kreisgemeinden haben bislang Flüchtlinge aufgenommen, 17 keine. Manfred Hümmer (FW) zweifelte dagegen an einem flächendeckenden Bemühen. "Vermuten Sie eine Strategie einzelner Gemeinden?", fragte er provokativ. Das Landratsamt, so Dier, habe auf die gemachten Angebote zurückgegriffen, im südlichen Landkreis sei allgemein das Wohnungsangebot knapp. Werner Lorenz von der Caritas, die neben der Arbeiterwohlfahrt (Awo) die vier hauptamtlichen Asylsozialarbeiter stellt, geht für Forchheim von insgesamt 500 Flüchtlingen aus. Es sollen 600 werden, wenn die Sollstärke in allen Häusern erreicht ist. Die katholische Sozialeinrichtung konzentriert ihre Arbeit auf Forchheim. Denn, so Lorenz, hier ist das Netz der Helferkreise "löchriger".
In kleinen Orten könnten die engagierten Privatleute vielfach besser durch die Kommunen oder Pfarrgemeinderäte unterstützt werden. Dennoch haben sie Bedarf an Beratung, beispielsweise zu rechtlichen Fragen. Deshalb hat die Caritas die Halbtagsstelle einer Koordinatorin geschaffen. "Deren Arbeitszeit reicht für die vielen Anfragen nicht aus", weiß Lorenz aber schon jetzt. Beate Zepf, die seit 1989 im Flüchtlings-Sozialdienst der Caritas tätig ist, schilderte ausführlich die anfallenden Aufgaben; von Antragausfüllen bis Kindergartenplatzsuche. Ihre Kernaufgabe sei die Hilfe für anerkannte Flüchtlinge, die sogenannte Migrationsberatung. "Es hört nicht auf, es geht ineinander über", betonte sie.
Enno Weidt von der evangelischen Johanniskirchengemeinde hat das Netzwerk "Freund statt fremd" in Forchheim ins Leben gerufen. Kern der Arbeit ist ein monatliches Treffen für alle ehrenamtlich Engagierten zum gegenseitigen Austausch. Viele von ihnen haben Patenschaften für einzelne Familien übernommen.
Der Wunsch aus dem Kreis: sinnvolle Tätigkeiten für Asylbewerber und erste Schritte in Richtung Ausbildungen. Laut Oberbürgermeister Franz Stumpf (CSU/WUO) arbeitet besonders Walter Mirschberger daran, entsprechende Plätze im Garten-, Friedhofs- oder Bauamt zu kreieren.
Appell an Feuerwehr und THW
Zwei Jahre schon läuft jeden Montag das Montagscafé im Waisenhaus. "Der Treffpunkt bedeutet: ,raus aus der Unterkunft, hin zu den Bürgern der Stadt'", erläuterte Birgit Gareis. ADFC oder das Praxis-Seminar des Herdergymnasiums bringen sich in die Angebote ein. Auch sie wünscht sich "mehr Angebote, die nichts kosten" und denkt dabei an Feuerwehren und THW, die Flüchtlinge "einfach mal mitnehmen". Zu Übungen aber, nicht zum Einsatz. Integrationslotsin Donata Kaman stellte ihrerseits die Arbeit der ehrenamtlichen Sprachkurse vor. Wichtig ist ihrem Kreis auch die Nachhilfe für Kinder, deren Eltern nicht deutsch sprechen. Die Kinder sind ihr ein besonders Anliegen, denn sie möchte in Forchheim und Deutschland Entwicklungen wie in den Pariser Vorstädten verhindern. Stumpf stimmte ihr sofort zu.
Zuschuss für Sozialwohnungen
Zur Wohnungssituation wurde GWS-Chef Alexander Dworschak befragt. Er setzt auf die Fördermaßnahmen des Freistaats. Der will 28 000 Wohnungen bauen lassen. Als "heikel" betrachtet er einen speziellen Zuschuss für eine Sozialwohnung, wenn sie an Flüchtlinge vermietet wird. Hier gelte dann eine siebenjährige Bindungsfrist wie bei sonstigen Sozialwohnungen auch. "Bei der Wohnungsförderung darf nicht der Eindruck entstehen, die eine oder andere Gruppe werde benachteiligt", warnte Dworschak.
Stadträtin Lisa Hoffmann (SPD), die zugleich Awo-Chefin ist, betonte: "Ehrenamtliche tun sich viel leichter, wenn sie von Hauptamtlichen unterstützt werden." Eine halbe Stelle sei dafür zu knapp, das sieht sie wie die Caritas. Und: "Es ist ein gutes Modell, wenn sich ein Hausbetreiber einen Sozialverband als Betreuer suchen muss." Zum Abschluss wies Lorenz noch auf das Haftpflichtproblem bei privaten Aktionen hin. Man müsse auch daran denken.