47-Jähriger flippte aus: "Er ließ sich nicht bremsen"

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Der Vorwurf des versuchten Totschlags und der gefährlichen Körperverletzung brachte einen 47-jährigen Arbeitslosen vor die Zweite Strafkammer am Landgericht...

Der Vorwurf des versuchten Totschlags und der gefährlichen Körperverletzung brachte einen 47-jährigen Arbeitslosen vor die Zweite Strafkammer am Landgericht Bamberg. Zum Prozessauftakt kamen die Zerwürfnisse innerhalb der zehnköpfigen Familie zur Sprache, die zur Gewalttat geführt haben sollen. Das Opfer berichtete im Zeugenstand.
In Stegaurach war es ein eigentlich ruhiger Nachmittag Anfang August 2017. Doch plötzlich wurde es laut in einer Wohnung inmitten der dörflichen Idylle. Im Wohnzimmer ging es "hin und her", wie das 25-jährige Opfer berichtete. Es begann wie immer bei Körperverletzungen mit Geschrei, Beleidigungen und Demütigungen. Da musste sich die Ehefrau dann von ihrem Gatten anhören, sie sei eine "Schlampe", ihre Kinder seien "Penner" und "Dreck" und der später gewürgte Stiefsohn eine "schwule Sau". Dann stürmte der Angeklagte auf seine Lebensgefährtin los, die auf der Couch saß. "Er ließ sich nicht bremsen."
Der Stiefsohn warf sich schützend dazwischen und bekam die "mehr als zwanzig" Schläge und Tritte seines Stiefvaters gegen Rücken und Kopf ab. Als die Ehefrau dann daran ging, die Polizei rufen zu wollen, eskalierte die Situation noch weiter. Während sie in einer Zimmerecke Schutz suchte, griff sich der Angeklagte den Stiefsohn und begann, ihn gegen die Wand zu drücken und ihn mit einer oder zwei Händen am Hals zu würgen. "Er wollte einfach nicht loslassen. Mir wurde schwarz vor Augen." Erst als zwei Brüder und ein Stiefbruder des Opfers, immer der Lieblingssohn des Angeklagten, mit aller Kraft dazwischengingen, bekam der Stiefsohn wieder Luft.
Vor dem Vorsitzenden Richter Manfred Schmidt gab der gelernte Friseur an, sich wegen eines kurz zuvor erlebten epileptischen Anfalls nicht gewehrt haben zu können. "Meine Muskeln waren noch verkrampft." Er erlitt leichte Verletzungen an Kopf, Hals und Rücken sowie am Knie, wohl durch die Tritte. Er habe aber keinen Zweifel daran, dass es ernst geworden wäre: "Beim nächsten Mal ist vielleicht einer tot."
Während es im Wohnzimmer noch laut und gefährlich war, riefen die Nachbarn, die das Geschehen durch die offene Eingangstür mitbekommen hatten, die Polizei. "Er schrie auch die Nachbarn an, und ich dachte, er ginge auch auf sie los." In der Folge hätte sich der Familienvater in die Küche begeben, um dort so zu tun, als habe er gerade gekocht. Die Polizei nahm ihn dennoch sofort fest. Seither sitzt er in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Bamberg und wurde in Fußfesseln in den Gerichtssaal geführt.


Nichtiger Auslöser

"Da musste ich mir von meinen Stiefbrüdern Vorwürfe anhören, ich sei schuld, dass er im Gefängnis ist." Dabei war der Anlass für die Auseinandersetzung ein nichtiger. Mit seinen jüngeren Kindern vom Fußballspielen zurück, hätte der Angeklagte verbal gegen seinen Stiefsohn gestichelt. Die Ursache war wohl, dass dieser nicht in dessen Bild eines richtigen Mannes passte. "Das Geschlecht spielt doch keine Rolle, wenn ich mich verliebe," antwortete er auf die Frage, ob er homosexuell sei.
Der Angeklagte, übrigens ein nach eigenen Angaben strenggläubiger Katholik, soll geäußert haben, Gott habe zu ihm gesprochen, dass seine Stiefkinder alle schlecht seien. Zur Sache selbst äußerte sich der Angeklagte nicht, ließ aber über seine Verteidiger Rechtsanwalt Thomas Drehsen (Bamberg) und Andreas Dräger (Strullendorf) verlauten, er habe seinen Stiefsohn nicht umbringen wollen. Schließlich war nicht nur eine gefährliche Körperverletzung angeklagt, sondern ein versuchter Totschlag. Wie ernst der Angeklagte es meinte, illustrierten die Angaben des Opfers, das schilderte, der Stiefvater hätte gedroht, "wir würden heute sehen, wozu er fähig sei."
Vor und während der Tat habe der Angeklagte immer wieder geäußert, "dass er mich erschießen würde, wenn er eine Waffe hätte", dass "er mich umbringen
will" und dass die Gesetze in Deutschland - im Gegensatz zu seinem Heimatland Nigeria - viel zu harmlos seien. Die 15 Jahre gehe er für die Tat eben ins Gefängnis.
Wenige Wochen vor dem Vorfall soll es schon einmal einen körperlichen Übergriff des Angeklagten auf seine Ehefrau gegeben haben. Damals verdächigte er sie, mithilfe eines Arztes eine Zwillings-Schwangerschaft abgebrochen zu haben. "Dann schlug er ihr mit der Metallschnalle eines Gürtels ins Gesicht und bespuckte sie." Danach wollte die Noch-Ehefrau die Scheidung. "Sie sagte, er kommt nicht mehr ins Haus." Eine Anzeige allerdings erstattete sie nicht. "Aus Angst", wie der Stiefsohn im Zeugenstand schilderte. "Und weil sie noch immer an das Gute im Menschen
glaubte."
Es entwickelte sich Wort für Wort das Bild eines herrischen Familienvaters, der seine eigenen vier Kinder den vier Stiefkindern vorzog, die seine Ehefrau in die Partnerschaft mitgebracht hatte. Schlimmer noch: Er hetzte sie gegeneinander auf. Wenn es ums Geld ging, der arbeitslose Lagerist lebte seit Jahren von Hartz IV, dann "gab es immer Stress", wie der Stiefsohn erklärte, der als Nebenkläger mit Rechtsanwältin Mareen Basler (Bamberg) erschienen war. Auch weil er stets glaubte, dass die Ehefrau, "die die ganze Familie zusammenhält", ihm etwas vorenthalte und er deswegen nicht das Geld hätte, um nach Westafrika fliegen zu können.


Frage der Schuldfähigkeit

In den beiden folgenden Verhandlungstagen werden weitere neun Zeugen sowie zwei Sachverständige gehört werden, die klären sollen, ob der Angeklagte
schuldfähig ist. Und vielleicht wird auch dieser sein Schweigen brechen ...