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Fußball auf der Konsole: Der Trick mit dem Pixel-Kick


Autor: Marian Hamacher

Nürnberg, Mittwoch, 29. April 2015

Wie lässt sich die Fußball-Realität in einem Konsolenspiel möglichst detailgetreu darstellen? Dieser Frage widmet sich beim Videospielhersteller EA Sports eine ganze Abteilung. Gesucht werden dafür Fans, die alles über ihren Verein wissen. Doch genau das hat seine Tücken.
Nürnbergs Alessandro Schöpf (rechts) im digitalen Franken-Derby. Foto: Marian Hamacher


Genauer geht es nicht. Nur wenige Sekunden, nachdem Alessandro Schöpf den Ball an der Strafraumgrenze gestoppt hat, muss ihn Greuther Fürths Torhüter Wolfgang Hesl schon aus dem Netz fischen. Zu genau zielt der 21-jährige Neuzugang des 1. FC Nürnberg mit seinem starken linken Fuß und dreht nach dem Schuss in den Winkel mit weit ausgestreckten Armen jubelnd in Richtung der Nürnberger Fankurve ab.

Hartgesottene Fans dürften schon nach den ersten Zeilen zweifelnd die Nase gerümpft haben. Denn selbst wer nicht nur jedes Tor oder Gegentor seiner Mannschaft der vergangenen zehn Spielzeiten sofort vor dem inneren Auge parat hat, sondern auch die passende Spielminute nennen kann, wird in seiner Erinnerung vergeblich nach dieser Szene suchen - sie ist digital.

Eine starke Bilanz

Doch zuzutrauen wäre Schöpf ein solcher Treffer. Jedenfalls wenn es nach den Entwicklern des US-amerikanischen Videospielherstellers Electronic Arts (EA) geht. Seit 1994 gibt dieser unter der Marke "EA Sports" Fans in seiner "Fifa"-Reihe die Möglichkeit, die Geschicke von Pixel-Kickern mithilfe eines Controllers wortwörtlich in die Hand zu nehmen und Momente wie Schöpfs Geniestreich zu kreieren - was der Nürnberger Mittelfeldspieler selbst gerne versucht. "Ich spiele zwar eher selten, doch wenn Besuch da ist, legen wir schon mal ein kurzes Fifa15-Spiel ein", erzählt er. Seine Wahl fällt meist auf den FC Barcelona, Real Madrid oder seinen früheren Arbeitgeber Bayern München, von dessen zweiter Mannschaft er nach Mittelfranken wechselte. "Mit Nürnberg habe ich auch schon gespielt. Da stelle ich mich natürlich selbst auf", scherzt Schöpf.

Einen Stammplatz hat der Österreicher aber auch außerhalb der Konsole sicher. 28 Zweitliga-Einsätze und fünf Tore stehen bislang zu Buche - keine schlechte Bilanz für einen Spieler, der noch vor einem Jahr in der Regionalliga Bayern auf dem Platz stand. "In der bisherigen Saison gibt es eigentlich keinen Fußballer, der in unserem Spiel einen solch großen Sprung in seiner Gesamtentwicklung gemacht hat", sagt Niels Diekmann. Der 34-Jährige arbeitet für EA in Köln als Producer im Datenbankteam und ist, überspitzt formuliert, für die größte Scoutingabteilung der Welt verantwortlich. Denn in der rheinischen Metropole laufen die Daten von weltweit rund 7000 aktiven "Talent-Scouts" ein.

Die meisten sind ehrenamtliche "Reviewer", denen es selbst überlassen ist, wieviele Stunden sie investieren. Deutlich mehr Einblicke in die Datenbank haben dagegen rund 250 festangestellte Editoren, die jeweils ein bis zwei Vereine betreuen. In Deutschland sind derzeit 16 Editoren für die 36 Teams der ersten und zweiten Bundesliga aktiv. Anders als die Angestellten der Profi-Klubs sind die "Talent-Scouts" aber nicht auf der Suche nach dem Star von morgen, sondern wandeln die Leistungen der Spieler in Daten um.

Suche nach den Hardcore-Fans

"Die Idealsituation wäre, dass wir für jeden Verein zwei bis drei Editoren haben, doch bei einigen Vereinen besteht leider noch Nachholbedarf", erklärt Diekmann, der keine Probleme hat, Freiwillige für Bayern München, Borussia Dortmund und Co. zu finden. Schwieriger wird es bei Klubs in der Größenordnung eines SV Sandhausen - oder auch der SpVgg Greuther Fürth. Je weniger Zuschauer ein Verein ins Stadion lockt, desto geringer ist die Zahl an potenziell Interessierten. "Wir suchen die Hardcore-Fans, die von der Schuhgröße des Platzwarts bis zum zweiten Vornamen des Busfahrers alles über den Verein wissen", sagt Diekmann und lacht. Darin schwingt aber ein Hauch Verzweiflung mit. Gerade dadurch ergebe sich ein Dilemma, da diese Fans besonders anfällig seien, über Spieler ihrer Mannschaft wahlweise extrem positiv oder kritisch zu urteilen.

Mit einem Klick alles im Blick

Informationen, welche Farbe die Schuhe eines Spielers haben oder ob er das Trikot in oder über der Hose trägt, können anhand von mitgeschickten Fotos schnell überprüft werden. "Schon als ich klein war, habe ich Fifa gespielt und es ist schon cool, nun selbst als Spieler darin aufzutauchen", sagt Schöpf. "Dort möchte man natürlich so wie in der Realität aussehen, mit möglichst vielen Details." Wenn es um die Leistung der Akteure auf dem Platz geht, wird es knifflig. Wie sollen Schnelligkeit, Schusskraft, Kopfballstärke oder Dribblingqualitäten auf einer Skala von 1 bis 100 objektiv dargestellt werden? "Wir haben vor vier Jahren ein Programm entwickelt, indem man mit einem Klick einen Spieler mit dem Schnitt der Liga, aber auch anderen Akteuren der gleichen Position vergleichen kann. Dadurch fällt eine genaue Einschätzung schon leichter", sagt Diemann, der Medienwirtschaft studierte und über ein Praktikum bei EA landete.

"Das wird ihm nicht gerecht"

Richtig danebenliegen können die Fifa15-Experten, wenn ein Spieler aus der dritten oder vierten Liga plötzlich auf der Pixel-Landkarte auftaucht - wie Alessandro Schöpf. "Ein Spieler aus diesen Klassen wird bestenfalls im oberen 50er-Bereich eingeordnet, doch wir haben schnell festgestellt, dass ihm das nicht gerecht wird", erklärt Diekmann. Mittlerweile ist Nürnbergs offensives Mittelfeld-Talent bei einer Spielstärke von 68 angekommen.

Schöpf: "Ich wusste nicht, wo ich derzeit stehe, aber das passt ganz gut. Auch an der Bewertung meiner Mannschaft habe ich nichts auszusetzen." Auf der teameigenen "PlayStation" schießen die Club-Profis in den Trainingspausen ihre Tore meist noch mit ihren Vorgängern der zwei Jahre alten Version Fifa13. Weil Nürnberg dort noch in der Bundesliga spielt? Schöpf lacht. "Das weiß ich nicht. Ich nehme mal an, es ist einfach noch keiner dazu gekommen, die neue Version zu kaufen."