Prävention im Landkreis Fürth: Mit der Polizei auf Kanutour
Autor: Christian Pack
Zirndorf, Donnerstag, 13. Juli 2017
Lange Zeit galten Stadt und Landkreis Fürth als die kriminellen Brennpunkte. Seit Jahren sind die Kriminalitätszahlen aber rückläufig. Das ist kein Zufall.
Wenn ein Jugendlicher im Landkreis Zirndorf mehrfach über die Strenge geschlagen hat, steht für ihn an Ostern als "Belohnung" womöglich eine knackige Kanutour an. Drei Tage lang bei Wind und Wetter paddelnd über die Altmühl - und ein Polizeibeamter, der mit im Boot sitzt. "Das ist kein lockerer Frühlingsausflug. Wer sich da nicht in die Gemeinschaft integriert, hat ein Problem", betont Werner Gloss, Polizeihauptkommissar bei der mittelfränkischen Polizei, der die Tour mitorganisiert. Jeder Jugendliche müsse sich um Boot, Zelt und Essen kümmern.
Gloss ist seit vielen Jahren in Mittelfranken im Bereich Prävention tätig. Er weiß: Wenn junge Leute die ersten kleineren Delikte begehen, ist eine harte Hand nicht unbedingt der beste Reflex. Eine Kanutour bei Minusgraden kann da weitaus effektiver sein. "Sie lernen, sich einzubringen und Konflikte zu lösen. Wer sozial angekommen ist, wird nicht kriminell."
"Anfällige Strukturen"
Als Gloss Anfang der 1990er-Jahre in den Landkreis Fürth kommt, gilt die Region in Franken als krimineller Brennpunkt. Beispiel Zirndorf: eine kleine Arbeiterstadt mit einer komplizierten Sozialstruktur und der direkten Nähe zu Fürth und Nürnberg, wo man die Drogen leicht findet - es gibt beileibe idyllischere Orte für Präventionsbeamte. "Anfällige Strukturen" nennt Werner Gloss das. Doch schnell wird ihm damals auch klar: Hier schlummert Potenzial. "Viele Einrichtungen hatten Interesse, etwas zu verändern. Die Polizei kann das alleine ohnehin nicht leisten."
Positive Statistiken
Heute gilt der Landkreis Fürth als Vorbild für andere Regionen. Polizei, Schulen, Politik, Jugendamt, Gericht und weitere Institutionen arbeiten im Verein "1-2-3 e.V." seit Jahren eng zusammen, hinzu kommen ehrenamtliche Bürger. Die Präventionsprojekte sind vielfältig. Beispielsweise gibt es an den Schulen feste Unterrichtseinheiten, in denen Polizeibeamte die Schüler für die Bereiche Drogen, Gewalt und Soziale Medien sensibilisieren. Oder es gibt Hilfsangebote, wie beispielsweise einen Kurs zur Behebung von Leseschwierigkeiten.Das alles zahlt sich aus. Auch bei der Kriminalstatistik. Der Landkreis Fürth präsentiert regelmäßig die positivsten Zahlen in Mittelfranken. Im Vorjahr lag die Anzahl der Straftaten pro 100 000 Einwohner bei 2333 Delikten. Alleine im Landkreis Ansbach waren es 1000 Straftaten mehr. Und auch in den anderen fränkischen Regierungsbezirken wurden zum großen Teil deutlich höhere Fallzahlen registriert. Zum Beispiel waren es im oberfränkischen Landkreis Bamberg über 3600 und im unterfränkischen Landkreis Bad Kissingen knapp 4000 Straftaten. "Die Ergebnisse sind beachtlich. Der Landkreis Fürth hat Vorbildcharakter", freut sich Elke Schönwald vom Polizeipräsidium Mittelfranken.
Alle erreicht man nicht
Auch die Verstöße im Bereich Jugendkriminalität gingen im Landkreis im Jahr 2016 weiter zurück. Entwicklungen, die Werner Gloss freuen und natürlich als Orientierung dienen. Aber: "Die soziale Wirklichkeit spiegeln die Zahlen nicht wieder. Wenn man mit offenen Augen durch die Orte fährt, erfährt man mehr als wenn man Statistiken auswertet." Eine enge Zusammenarbeit mit vielen Institutionen sei der Schlüssel. Was auch Thomas Rohlederer von der evangelischen Jugendhilfe Zirndorf bestätigt. "Früher ist die Polizei auffälligen Jugendlichen hinterhergehechelt. Präventive Maßnahmen sind effektiv und schaffen neue Ressourcen."
Alle Jugendlichen, da sind sich Gloss und Rohlederer einig, erreicht man natürlich nicht. Diejenigen, die im Erwachsenenalter eine kriminelle Karriere einschlagen, gibt es auch im Landkreis Fürth - trotz Kanutouren und Einzelgesprächen. Doch beide sind davon überzeugt, dass die Form der komplexen Sozialarbeit der ideale Weg ist. "Wenn man hier konsequent und langfristig arbeitet, gibt es weniger Straftaten", meint Gloss.