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Asylbewerber Mitku Seboka: Der Lauf seines Lebens


Autor: Christian Pack

Fürth, Dienstag, 16. Juni 2015

Im Mai holt sich Mitku Seboka den Deutschen Meistertitel über die 10 000-Meter-Strecke, jetzt will der Äthiopier bei den Titelkämpfen in Nürnberg für Furore sorgen. Ein weiteres Ziel des 28-Jährigen: einmal für Deutschland starten. Doch ob er in seiner neuen Heimat bleiben darf, ist derzeit offen.
Startet bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg Ende Juli über die 5000-Meter-Strecke: Mitku Seboka.  Fotos: Ronald Rinklef


Eine Narbe über seinem rechten Auge erinnert Mitku Seboka an das, was er in seinem Heimatland erleben musste. Es sind diese schmerzhaften Erlebnisse, die ihn dazu zwangen, Äthiopien zu verlassen. Über das Erlebte reden möchte Seboka eigentlich nicht. "Die Narbe? Aus Äthiopien", ist alles, was er dazu sagt.

Mitku Seboka sitzt an einem Tisch am Trainingsgelände des LAC Quelle Fürth und wartet darauf, dass er wieder loslaufen kann. Laufen ist seine große Leidenschaft, sein Leben. Wenn man den 28-Jährigen fragt, was ihm der Sport bedeutet, fangen seine Augen an zu strahlen. In gebrochenem Deutsch sagt er: "Ich liebe das Laufen. Ich trainiere jeden Tag."

Bevor er vor knapp zweieinhalb Jahren nach Deutschland kommt, gehört Seboka über die Marathonstrecke zu den internationalen Top-Athleten. Im Januar 2012 schafft er in Dubai eine Zeit von 2:06:17 Stunden. Eine Weltklasseleistung. Ähnliches will der 167 Zentimeter große Afrikaner in Zukunft wieder schaffen. Mehrmals die Woche fährt er deshalb mit der S-Bahn von Nürnberg zum Training nach Fürth. Beim LAC hat er eine sportliche Heimat gefunden. Hier mögen und schätzen sie ihn. "Ein sympathischer Mensch und ein toller Sportler", fasst sein Trainer Harald Schmaus zusammen.

Der Läufer lächelt, wenn sein Trainer spricht. Man spürt: Zwischen dem schmächtigen Afrikaner und dem 60-jährigen Schmaus besteht ein inniges Verhältnis. Der Sport verbindet sie. Wie lange dies allerdings noch der Fall sein kann, ist offen. Denn Seboka ist Asylbewerber, lebt aktuell in einer Nürnberger Unterkunft. Schmaus beziffert die Chancen, dass der Antrag genehmigt wird, auf "50 zu 50". Alles sei offen, Einfluss nehmen könne der Verein nicht. "Uns sind die Hände gebunden."

Deutscher Meister
Schmaus wünscht sich von Herzen, dass sein Schützling dauerhaft in Deutschland bleiben darf. "Er lernt unsere Sprache, ist fleißig. Er hätte es verdient." Auch nach dem Training würde er versuchen, sich zu integrieren. "Mitku bleibt auch mal auf ein Radler hier und unterhält sich. Das finde ich wichtig."

Rein sportlich wäre es ohnehin ein großer Verlust, wenn der äthiopische Langstreckenläufer in sein Heimatland zurückkehren müsste. Nicht nur bei regionalen Wettkämpfen wie dem Coburger Vestelauf oder dem Bamberger Weltkulturerbelauf steht der 64 Kilogramm schwere Sportler, der auch schon für die TS Lichtenfels gestartet ist, auf dem Treppchen ganz oben. Anfang Mai ließ er bei den Deutschen Meisterschaften über 10 000 Meter nach 29:18 Minuten die nationale Konkurrenz hinter sich. Und beim internationalen Meeting in Koblenz unterbot er über 5000 Meter in 14:06:34 Minuten problemlos die Norm für die Deutschen Meisterschaften in Nürnberg Ende Juli. Dort hofft der LAC-Läufer auf eine Medaille. "Das wäre toll. Aber die Konkurrenz ist stark."

Anschließend will sich der Äthiopier wieder auf die längeren Distanzen konzentrieren. Ein Ziel ist es, bei internationalen Wettkämpfen im Marathon mit dem Deutschland-Adler auf der Brust an den Start zu gehen. Dafür müsste er aber einen deutschen Pass bekommen. "Ich weiß, das ist schwierig. Aber es ist ein Traum."

Die sportliche Qualität, da ist sich Harald Schmaus sicher, hat sein Schützling. "Seine Zeiten haben sich in den eineinhalb Jahren bei uns stark verbessert. Wenn er weiter so trainiert, kann er bei Olympia starten."

Egal, ob dies klappt oder nicht: Nach seiner Karriere will Mitku Seboka als Trainer arbeiten. Am liebsten in Deutschland. Auch das traut ihm Schmaus zu. "Ich hoffe, dass er ein Teil dieser Gesellschaft wird. Er ist einfach ein feiner Kerl."


Deutsche Meisterschaften in Nürnberg


Startplätze Vom 24. bis 26. Juli 2015 werden in Nürnberg die Deutschen Leichtathletikmeister ermittelt. Neben den Titeln geht es auch um die Startplätze für die Weltmeisterschaften in Peking (China; 22. bis 30. August). Aktuell haben elf Einzelathleten und eine Staffel vom LAC Quelle Fürth die Norm für die Wettkämpfe in Nürnberg geschafft. Die Vereinsverantwortlichen hoffen noch auf 15 Einzelathleten und zwei Staffeln.

Ausländische Athleten sind zur Teilnahme an Deutschen Seniorenmeisterschaften berechtigt, wenn seit mindestens einem Jahr ein Startrecht ausschließlich für einen deutschen Verein/Leichtathletikgemeinschaft (LG) besteht und sie seit dieser Zeit ihren ständigen Wohnsitz im DLV-Verbandsgebiet haben. Zudem müssen sie die Norm erfüllen. Wer international für Deutschland starten will, muss deutscher Staatsbürger sein. "Auch wenn jemand, der keinen deutschen Pass besitzt, hier lebt und Weltrekord laufen würde, kann er nicht für Deutschland starten", so Manfred Mamontow vom Deutschen Leichtathletik Verband (DLV).



Persönliche Bestleistungen von Mitku Seboka

1000 -M-Lauf: 2:37:48 Minuten

1500-M-Lauf: 4:01:59 Minuten

3000-M-Lauf: 8:10:45 Minuten

5000-M-Lauf: 14:06:34 Minuten

10000-M-Lauf: 29:18:14 Minuten

10-km-Straße: 29:55 Minuten

Halbmarathon: 1:04:30 Stunden




Bestenliste 2015 über die 5000 Meter

1. Florian Orth: 13:29:63 Minuten
2. Arne Gabius: 13:32:68 Minuten
3. Marcel Fehr: 13:39:10 Minuten
4. Clemens Bleistein: 13:45:34 Minuten
5. Richard Ringer: 13:48:15 Minuten
6. Philipp Pflieger: 13:48:85 Minuten
7. Jannik Arbogast: 13:52:05 Minuten
8. Amanal Petros: 13:58:26 Minuten
9. Sebastian Reinwand: 13:58:93 Minuten
10. Karsten Meier: 14:06:06 Minuten
11. Mitku Seboka: 14:06:34 Minuten