Druckartikel: Frankens Brücken sprengen die Budgets

Frankens Brücken sprengen die Budgets


Autor: Günter Flegel

Bamberg, Montag, 30. Sept. 2013

An den Betonbauwerken, die in Franken die Last der Mobilität über Täler und Flüsse tragen, nagt der Zahn der Zeit. Fachleute bezweifeln, ob die Brücken wirklich 100 Jahre alt werden. Manche schaffen's nur bis zum 50.
Sinnbild: Die alte Sinntalbrücke der A7, Baujahr 1967, musste heuer gesprengt werden. Diagnose: Materialermüdung wegen Überlastung. Foto: M. Hochv


Jeder Stadtführer in Berlin führt den Touristen mit dieser Frage aufs Glatteis: Welche Stadt hat mehr Brücken, Berlin oder Venedig? Falsch, Hamburg! Doch selbst die europäischen Brücken-Hauptstädte müssen sich Franken geschlagen geben: Hier gibt es alleine 2656 Autobahnbrücken in jeder Größe und Ausführung.

Hamburg hat nur 2485 Brücken, Berlin 969 und Venedig gar nur 410 Brücken. Doch der Spitzenplatz auf der Brückenrangliste ist nichts, worüber man in Franken jubeln müsste. Insbesondere in Nürnberg bei der Autobahndirektion Nordbayern betont man das Wort "Baulast" auf der letzten Silbe, wenn es um die Brücken geht. "Sie sind eine Dauerbaustelle", sagt Marion Kneißl, die Pressesprecherin der Straßenbaubehörde.

Der Fairness halber muss man die Brücken-Frage vom Anfang des Artikels präzisieren, denn Brücke ist nicht gleich Brücke.

Tatsächlich sind die allermeisten Über- und Unterführungen, die für freie Fahrt auf Frankens Autobahnen sorgen, eher unscheinbar. Hier gluckert ein Bächlein unter der Fernstraße, da führt ein Feldweg über die vierspurige Trasse. Großbrücken mit mehr als 100 Metern Spannweite, Brücken also, wie man sie sich vorstellt, sind es "nur" 147.

Damit verkleinert sich das Problem, aber es verschwindet nicht. Zwar wirkt ein solcher Koloss aus Stahl und Beton, als wäre er für die Ewigkeit gebaut, aber schon die offizielle Lebenserwartung ist kürzer als ewig: Das Bundesverkehrsministerium geht in seinem Leitfaden für die Konstruktion von Straßenbrücken davon aus, dass ein solches Bauwerk 100 Jahre alt werden sollte.

Ob dies bei den Brücken neuester Bauart zutrifft, wird man erst in zwei bis drei Generationen beurteilen können. Das Gros der Brücken aus den 60er und 70er Jahren allerdings muss in der Regel schon weitaus früher in Rente geschickt werden. Das könnte etwa die Hälfte der Autobahnbrücken in Franken treffen, exakt 45 Prozent nach einer Statistik der Autobahndirektion: 1192 der 2656 Brücken wurden vor 1979 gebaut.

Als der Beton in Strömen floss

Wie sehr der Zahn der Zeit an solchen Bauwerken nagt, weiß man in den anderen Straßenbaubehörden. Fast alle Brücken aus den 60er und 70er Jahren müssen in den nächsten Jahren durch Neubauten ersetzt werden, unter anderem bei Bischberg (B26/Regnitz), Theres und in Schweinfurt (Main), wobei die Kostenspanne zwischen 13 und 25 Millionen Euro liegt.

Beim Bauboom im Aufwind des Wirtschaftswunders floss der Beton in Strömen, die Qualität dieser Bauwerke hält aber modernen Normen nicht stand. Ein zweites Problem kommt hinzu, so ein Sprecher des Staatlichen Bauamts in Schweinfurt: 1960 rollten acht Millionen Kraftfahrzeuge über Deutschlands Straßen und Brücken, zehn Jahre später waren es doppelt so viele, 17 Millionen, und heute sind es knapp 60 Millionen.

Enorm gestiegen ist dabei vor allem der Anteil des Schwerlastverkehrs. Diese Blechlawine bringt die Betonklötze zwar nicht an ihre Grenzen, da selbst bei einer Tonnage-Beschränkung enorme Reserven eingerechnet sind; doch die Dauerbelastung macht die Brücken mürbe. Dazu kommen aggressives Tausalz und Wetterkapriolen vom Extremwinter bis zum Tropensommer.

Das Problem beginnt meist unscheinbar mit Rissen im Beton. Durch die dringt Wasser ein, das den Armierungsstahl im Innern angreift. Rost, Wasser und Frost setzen das zerstörerische Werk fort. Deswegen fällt so eine Brücke nicht gleich um, weiß Marion Kneißl, aber derlei Schäden sind auch nicht nur kosmetischer Natur.

Generalsanierung schon mit 27

Die ältere der beiden Autobahnbrücken (A70) bei Eltmann im Landkreis Haßberge ist so ein Sorgenkind. Hier steht 2014 eine Generalsanierung an, 27 Jahre nach der Fertigstellung. Dass die Autobahndirektion dafür 2,5 Millionen Euro in die Hand nehmen muss, wirkt angesichts der Baukosten von zwölf Millionen Euro enorm. Es passt aber ins Brücken-Einmaleins beim Bundesverkehrsministerium.

Dort geht man davon aus, dass in den Unterhalt einer Brücke jedes Jahr ein Prozent der Bausumme investiert werden muss. Wobei in den ersten Jahren naturgemäß wenig anfällt, mit zunehmendem Alter mehr. Bei einer Lebensdauer von 100 Jahren ergeben sich 100 Prozent: Zur Erhaltung der Brücke muss also ebenso viel Geld investiert werden wie für ihren Bau. Dann ist sie reif für den Abriss. Deswegen also Bau-"Last". Ob die Berliner, Hamburger und Venezianer genug Geld zurückgelegt haben?