Zu Hause? In der Krippe? Wo Kinder unter drei am besten aufgehoben sind
Autor: Stephan Großmann
Bamberg, Dienstag, 05. Februar 2019
Drei von zehn Kindern unter drei Jahren besuchen in Franken eine Kita - Tendenz steigend. Aber sollten schon die Kleinsten in einer Krippe betreut werden? Die Meinungen gehen auseinander. Denn die Qualität in den Kitas ist Untersuchungen zufolge oft unzureichend.
Lachend schnappen sie nach den Seifenblasen. Kaum haben die Kinder die in der Wintersonne funkelnden Blasen platzen lassen, verteilt sich das Seifenwasser als feiner Nebel in der Luft. Die "Windelhüpfer", also die Krippengruppe des Coburger Kindergartens Pfiffikus, haben sichtlich ihren Spaß. Die Gruppe wirkt aufgeweckt, keines der Kinder ist älter als drei Jahre. Aber es scheiden sich die Geister an der Frage, ob schon die Kleinen in eine Kita sollten.
Die jüngsten "Windelhüpfer" sind in der Regel ein Jahr alt, sagt Krippenleiterin Susanne Zindl. Sie schätzt es, dass die Kleinen gemeinsam Zeit in altersgerechter Weise verbringen können. Zumal die Kita den Fokus auf Betreuung lege - zu Hause sei das nicht einhundertprozentig leistbar, sagt sie. Einkaufen, Haushalt, vieles laufe nebenher. "Wichtig: Wir dürfen Kinder nicht mit Bildung überfrachten", so Zindl. In dieser Altersphase lernen sie mit Laufen, Essen und Sprechen schon genug.
In Bayern besucht jedes vierte Kind unter drei Jahren eine Kita, in Franken etwas mehr. Die Zahl der Plätze ist in den vergangenen Jahren zwar gestiegen. Spätestens mit dem gesetzlichen Anspruch auf einen Kita-Platz ist die Nachfrage aber vielerorts höher. Vor allem in städtischen Gebieten sind die Wartelisten lang. Die Familien versprechen sich von der Krippe einen positiven Einfluss auf die Entwicklung und die sozialen Bindungen ihres Kindes. In vielen Fällen geht es schlicht ums Geld: Oft müssen beide Partner arbeiten, Alleinerziehende in der Regel sowieso. Wer keine Verwandten mit reichlich Zeit in der Nähe hat, kommt um die Betreuung in einer Einrichtung selten herum.
"Meine Kinder gehen nicht in die Krippe: Sie brauchen die Liebe und Geborgenheit der Familie", sagt Jennifer Huck. Die Mittelfränkin betreut ihre Kleinen zu Hause. Aus Prinzip. "An Regeln anpassen müssen sie sich noch früh genug." Ähnlich sieht es Professor Serge Sulz. Ein Kind unter 24 Monaten werde vernachlässigt, "wenn es zu zehnt oder fünfzehnt acht bis zehn Stunden am Tag mit einer oder zwei Erzieherinnen verbringen muss", schreibt der Münchner Psychotherapeut. Krippen helfen laut Sulz, dass Frauen schneller an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Nicht immer zum Besten der Kinder.
"Klar, die Familie ist die wichtigste Sozialisationsinstanz", sagt Simone Lehrl vom Lehrstuhl für Elementar- und Familienpädagogik an der Uni Bamberg. Eindeutige wissenschaftliche Erkenntnisse seien jedoch rar, die Studienlage über Auswirkungen dünn. Sie kann nicht erkennen, dass sich eine Fremdbetreuung ausschlaggebend negativ auf Kinder auswirkt. "Ein feinfühliger Umgang mit ihnen ist das Entscheidende", so Lehrl. "Der ist auch in größeren Gruppen möglich."
Mängel in der Krippen-Qualität
"Die Sorge, dass frühe Tagesbetreuung Kindern generell schadet, ist aus wissenschaftlicher Perspektive unbegründet", schreibt die Deutsche Liga für das Kind in einem Positionspapier. Entscheidend sei die Qualität der Betreuung und nicht wer betreut. Aber: In puncto Qualität schneiden Krippen nicht sehr gut ab. Ein schlechtes Zeugnis stellt etwa die "Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung" (NUBBEK) aus dem Jahre 2012 aus. Demnach seien nur 3,2 Prozent der Krippen ausgezeichnet oder gut, jede achte Krippe hingegen unzureichend. Der große Rest wird als mittelmäßig eingestuft.
Ein großes Problem: zu wenig Fachkräfte. Der Personalschlüssel in bayerischen Krippen beträgt 1:3,7, wie das Ländermonitoring "Frühkindliche Bildungssysteme 2018" der Bertelsmann-Stiftung zeigt. Aussagekräftiger als diese sehr theoretische Normgröße ist die Fachkräfte-Kind-Relation. Sie rechnet Szenarien wie Urlaubs- und Krankheitstage ein und zeigt, wie viel Personalressourcen in der Praxis tatsächlich für die direkte Arbeit mit Kindern zur Verfügung steht. Ergebnis: Eine Fachkraft in Bayern muss mindestens fünf Kinder betreuen.