Viele Patienten, wenig Personal: Physiotherapeuten ringen um Nachwuchs
Autor: Stephan Großmann
Bamberg, Mittwoch, 23. Januar 2019
Fehlende Fachkräfte, längere Wartezeiten: Physiotherapeuten ringen um Nachwuchs. Eine attraktivere Ausbildung soll helfen, den Engpass zu beheben. Statt Schulgeldkosten soll es künftig Ausbildungsvergütungen geben. Profitieren werden davon aber längst nicht alle.
Im Kniegelenk sitzt der Schmerz. Nicht ungewöhnlich bei älteren Menschen. Christopher Stix weiß, was zu tun ist. Der Bamberger Physiotherapeut behandelt täglich Menschen, um ihre Beweglichkeit wiederherzustellen oder zu verbessern. So weit sind Verena Graser und Stefanie Scheller noch nicht ganz. Die beiden jungen Fränkinnen befinden sich im zweiten Jahr ihrer Ausbildung. Die Fallzahlen im Heilmittelbereich steigen, da braucht es mehr Menschen wie Christopher Stix, Stefanie Scheller und Verena Graser. Aber: es gibt zu wenige. Vielerorts verhindert der Fachkräftemangel die zeitnahe Versorgung mit wichtigen Behandlungen.
"Die Not in unserem Berufszweig ist hoch", sagt Rocco Caputo vom Verband für Physiotherapie Bayern. Die wirkt sich auf die Betreuung der Patienten aus. Wartezeiten werden länger - durschnittlich drei Wochen können bis zu einem freien Termin ins Land gehen. Und das obwohl Experten raten, vor allem physiotherapeutische Leistungen zeitnah in Anspruch zu nehmen. Krankenkassen verlangen das zum Teil sogar. In der Realität sieht es anders aus. "Im stationären Bereich wird nach Dringlichkeit priorisiert", meint Caputo. "Manche bleiben unversorgt."
Laut Fachkräfteengpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit bleiben Stellen in der Physiotherapie durchschnittlich 157 Tage unbesetzt. Die Erfahrung hat auch der Nürnberger Alexander Launer gemacht. Er engagiert sich beim Bund "Vereinte Therapeuten" und erkennt eine hohe Frustration in der Branche. Nur einer von fünf Therapeuten findet Arbeit in einer Klinik mit Tarifentlohnung. Einstiegsgehalt: 2500 Euro. Der Großteil der außerklinischen Beschäftigten muss nicht selten mit 1000 Euro weniger im Monat auskommen.
Die Praxeninhaber selbst hätten aber nur wenig Spielraum, um höhere Löhne zu zahlen. "Dafür sind die Stundensätze zu niedrig", so Launer. Vor allem im Kassensektor. Hinzu kommt, dass Krankenkassen viele Aufgaben wie die Prüfung von Rezepten an die Therapeuten delegieren. Für die bedeutet das mehr Aufwand ohne Entgelt.
Politik macht Vorschläge
Was tun? Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will die Heilmittelversorgung stärken und die Bedingungen für Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden, Podologen und Diätassistenten mit einem Gesetzespaket verbessern. Ärzte sollen nur noch über die Notwendigkeit einer Therapie entscheiden und nicht mehr, wie diese genau aussehen muss. Zudem sollen höhere Honorarsteigerungen möglich sein und die Preise für verschiedene Leistungen auf den höchsten für eine Region vereinbarten Preis steigen. Heißt: Behandlungen werden teurer.
Ein weiterer entscheidender Faktor: Die Ausbildung soll attraktiver werden. Laut Caputo wird es dafür allerhöchste Zeit. Zum einen sind Teile der Ausbildungsinhalte stark veraltet und hinken aktuellen medizinischen Erkenntnissen hinterher, mahnt er an. Zum anderen ist die Ausbildung für viele sehr kostspielig. Während Azubis an 18 staatlichen Schulen in Bayern nichts zahlen müssen, verlangen private Einrichtungen (65) Schulgeld. Die Höhe variiert je nach Schule, im Schnitt sind es etwa 350 Euro im Monat.