Missstände im Schlachthof: Ein Amtstierarzt packt aus
Autor: Redaktion
Tauberbischofsheim, Montag, 10. Sept. 2018
Ob Schlachthof oder Wochenmarkt, ob Bauernhof oder Hundezucht, ob Bäckerei oder Schweine-Mastbetrieb - Björn Z. kennt sie alle. Der Mann, der seinen richtigen Namen nicht nennen möchte, ist Tierarzt.
Elf Semester Studium, Praktika, Staatsexamen, Promotion, Assistenzzeit, rund 2300 Euro netto. Viel Aufwand für nicht allzu viel Geld. "Wie viele meiner Kollegen habe ich Tiermedizin studiert, weil ich die Welt ein bisschen besser machen wollte", sagt Björn Z., "heute weiß ich, dass das in einer Behörde nicht möglich ist".
Björn Z. arbeitet als Amtstierarzt in der Region Mainfranken. Das ist kein Job für zarte Gemüter. Er weiß, wie es in Schlachthöfen zugeht. Dass es dort üble Tierquälereien gibt, dass Tiere nicht ordentlich betäubt und nicht schmerzlos getötet werden. Der Tauberbischofsheimer Schlachthof, gegen den seit Frühjahr ermittelt wird, sei "ganz sicher kein Einzelfall", sagt er. Und seine Kollegen, die bei den brutalen Schlachtungen dabei gewesen und nicht eingeschritten sein sollen und denen nun Konsequenzen drohen, tun ihm leid. "Wenn sie sanktioniert werden, sind sie Bauernopfer", sagt er, "dann werden sie abgestraft für etwas, was politisch so lange toleriert wird, bis es mal auffliegt".
Es gibt viel zu wenig Amtstierärzte
Dass der Tierschutz seit 2002 als Staatsziel im Grundgesetz verankert ist, sei ja gut und schön, sagt Björn Z. Aber was nütze das, wenn es viel zu wenige Amtstierärzte gibt, die die Gesetze und Regelungen überwachen? Und wenn diese Amtstierärzte auch noch an der kurzen Leine gehalten würden? In den Ämtern würden seinen Kollegen Scheren in die Köpfe gepflanzt. "Wenn du ständig hörst, dass du die Auswirkungen dessen, was du vorhast, bedenken sollst, verinnerlichst du das", sagt er, "du willst ja auch weiterkommen in deinem Beruf".
Schlachthöfe als wichtige Arbeitgeber
Schlachthöfe seien "wichtige Arbeitgeber in ihren Regionen, in den großen werden bis zu 800 Schweine pro Stunde geschlachtet". Amtstierärzte, "die da durchgreifen und wegen kleinerer, aber durchaus tierschutzrelevanter Verstöße den Betrieb stoppen, haben kein schönes Leben mehr", sagt Björn Z. Revoluzzer machten nun mal in einer Behörde keine Karriere.
Viel zu oft würden verletzte und geschwächte Tiere mit Schlägen aus einem Viehtransporter in einen Schlachthof getrieben. Eingeschritten werde da so gut wie nie. "Was soll ein Amtstierarzt in diesem Fall auch machen?", fragt Björn Z. Unterbringungsmöglichkeiten für diese Rinder und Schweine habe er nicht. "Und wenn er sie mit dem Lkw ein paar Hundert Kilometer weit dorthin zurück schickt wo sie herkommen, leiden sie ja noch länger".
Geschlachtet wird meist im Akkord
Auch der vielzitierte Verbraucherschutz ist nach den Worten des Amtstierarztes nicht das, was der Fleischesser sich darunter vorstellt. "Bei der Fleischbeschau laufen die Tierhälften am Fließband an dir vorbei", erzählt er, "pro Stück hast du ein paar Sekunden Zeit. Um da was Verdächtiges zu sehen, musst du nicht nur schnell sein. Du musst auch die Traute haben, das Band anhalten zu lassen". Die Schlachthof-Leute, von denen die meisten im Akkord arbeiteten, würden "dann sehr sauer" und beschwerten sich beim Amt. "Und egal, ob dein Verdacht falsch war oder richtig - dann hast du Feinde."
Björn Z. weiß, dass in den Schlachthöfen Zeit noch mehr Geld ist als anderswo. Der Verbraucher will billiges Fleisch. Und davon möglichst viel. "Meine Kollegen, die Fahrer, die Arbeiter - von allen gibt es viel zu wenige und alle stehen unter einem irrsinnigen Druck." Früher seien an den Tierhälften stichprobenartig Lymphknoten oder Herzen aufgeschnitten worden, um möglicherweise versteckte Infektionen oder Krankheiten festzustellen. "Heute darf das auf Veranlassung der EU nur noch gemacht werden, wenn ein begründeter Verdacht vorliegt."