Druckartikel: Jeden Tag essen wir chinesisch

Jeden Tag essen wir chinesisch


Autor: Natalie Schalk

Altdorf, Sonntag, 03. Februar 2019

Bei vielen Lebensmitteln wird die wahre Herkunft verschleiert: Teilweise essen wir chinesische Produkte, ohne es zu wollen.


T omatenmark und Apfelsaftkonzentrat, Knoblauch, Gewürze und Därme für deutsche Würste, auch Spargel, Mandarinen und anderes Obst, ob in Dose oder Glas oder tiefgekühlt: Das alles wird immer häufiger günstig aus Fernost importiert. Und die deutschen Verbraucher haben keine Ahnung, was alles aus China kommt: Kaum ein Hersteller kennzeichnet es, denn das ist bei verarbeiteten Lebensmitteln nicht vorgeschrieben. Werden sie geschält, geschnippelt, getrocknet, gemahlen, gefroren oder eingekocht, muss die Herkunft nicht angegeben werden. Der Kunde kann unmöglich erkennen, woher die verschiedenen Zutaten für Discounter-Brötchen, für Marmelade, Ketchup und Wurst stammen.

Ein Gesetz gegen Mogelpackungen

Ab April 2020 verbietet ein neues Gesetz europaweit zumindest eine offensichtlich bewusste Täuschung der Verbraucher. Dann muss das wahre Herkunftsland angegeben werden, wenn die Verpackung vorgaukelt, das Produkt käme aus einem anderen Land. Wenn also beispielsweise die Tomatenmark-Tube "made in Italy" in italienischen Nationalfarben und mit italienischen Begriffen daherkommt, aber die Tomaten aus China stammen, muss das auf der Tube stehen. Tomaten sind einer der chinesischen Lebensmittel-Exportschlager. Knoblauch ein anderer: 80 Prozent der weltweiten Produktion kommt aus China (siehe Grafik in der Bildergalerie).

Im Knoblauchsland bei Nürnberg hingegen wird fast kein Knoblauch angebaut. Mario Jonke von der Genossenschaft Franken-Gemüse Knoblauchsland erklärt, das bisschen, was geerntet werde, gehe frisch direkt an den Endverbraucher. Die Bezeichnung käme auch nicht speziell vom Knoblauch, sondern vermutlich entweder von der Gutsherrenfamilie Knobloch oder vom Geruch der Gegend: Hier gibt es viele Zwiebelpflanzen. "Bei Lauch zieht die Regionalität." Auch Tomaten werden hier angebaut - ebenfalls für den Frischmarkt, in dem die Anbauregion gekennzeichnet werden muss. "Das Problem ist, dass die Herkunft bei vielen Produkten nicht draufstehen muss." Aber nicht nur: "Die Leute sagen zwar, dass sie Regionales wollen, aber am Ende schauen sie nur auf den Preis." Und der ist bei chinesischer Ware meist unschlagbar.

Wenn Im- und Exporte zusammengerechnet werden, ist China bereits unser wichtigster Handelspartner. Wir exportieren Maschinen, Autos und -teile und importieren Elektronik und billige Kleidung made in China. Niedrige Preise sind bisher das Spezialgebiet der Chinesen. Auch bei Nahrung.

Die Landwirtschaft macht in China nur zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus - exportiert wird tendenziell eher Billiges. Hersteller und Händler nehmen es in immer größeren Mengen ab und bringen es im europäischen Markt unters Volk. Dabei müssen sie sich an europäisches Recht halten. "Für die Sicherheit eines Lebensmittels ist in erster Linie das Unternehmen verantwortlich", erklärt Florian Kuhlmey vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Kontrollinstanz ist die Lebensmittelüberwachung - China fällt oft negativ auf. Im Europäischen Schnellwarnsystem RASFF über gesundheitsgefährdende Lebensmittel gab es zuletzt beispielsweise aktuelle Meldungen über Nikotin in getrockneten chinesischen Goji-Beeren, Salmonellen und Pestizide in chinesischem Paprikapulver und Tee.

Wachstum auf Kosten der Umwelt

Abgase, Schwermetalle und verseuchtes Grundwasser: Nebeneffekt des rasanten Wirtschaftswachstums in China ist die dramatische Umweltverschmutzung. Die deutsche Botschaft in Peking kritisiert den übermäßigen Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln. Mario Jonke ärgert sich, dass fränkische Bauern mit solchen Produktionsbedingungen konkurrieren müssen. "Wir sollen Nützlinge einsetzen, soziale Standards einhalten, Mindestlohn zahlen." Das habe seinen Preis.

Aber auf dem Weltmarkt wird günstig eingekauft. Sehr wahrscheinlich also, dass wir alle heute etwas Chinesisches essen werden.

Lesen Sie hier, was die Expertin der Verbraucherzentrale zur Gesetzesänderung sagt.