Frauen, Macht, Politik: So reagieren Frankens Sozialdemokratinnen auf Nahles' Rücktritt
Autor: Christoph Hägele, Stephan Großmann
Bamberg, Dienstag, 04. Juni 2019
Ist Andrea Nahles auch deshalb gescheitert, weil sie kein Mann ist? Fünf fränkische Sozialdemokratinnen berichten, welche Rolle das Geschlecht spielt und welchen Weg ihre Partei nun einschlagen sollte.
Von Genugtuung bis Enttäuschung: Der Rücktritt von Andrea Nahles bewegt auch die fränkische SPD-Basis. Fünf Politikerinnen geben Einblicke in ihre Gefühlswelten - und erörtern, ob es Frauen in der Partei schwerer haben:
"Unbeeindruckt" (Franziska Bartl, Coburg, 34 Jahre)
Als selbst ernannte Berufsoptimistin möchte sich Franziska Bartl von der Krise nicht unterkriegen lassen. "Aber guter Rat ist teuer", sagt die 34-Jährige. "Wir haben mit der Situation zu kämpfen." Ob Nahles' Rückzieher zum falschen Zeitpunkt kommt, sei schwer zu beurteilen. Auch, weil der laut Bartl sicher nicht nur aus freien Stücken kam. Musste Nahles gehen, weil sie eine Frau ist? Das vermag Bartl nicht zu beurteilen. "Aber es ist schon so, dass eine Frau mehr leisten muss als ein Mann, um anerkannt zu werden." Nicht nur in der SPD und nicht nur in der Politik. "Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem."
Mit ihren jungen Jahren hat Bartl schon einiges miterlebt, seit sie den Sozialdemokraten vor 14 Jahren beigetreten ist. Aus Überzeugung. Daran möchte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Coburger Stadtrat nicht rütteln. Aber sie fragt sich schon, wie der Weg ihrer Genossen künftig aussehen solle. "Die SPD muss sich verjüngen", sagt sie. "Nicht nur das Personal. Auch von den Themen her. Uns muss es gelingen, wichtige Zukunftsthemen zu besetzen." Die Partei dürfe sich von der "depressiven Stimmung" nicht überrumpeln lassen. Doch wie steht's um ihre Coburger SPD? Bartl wirkt entspannt: "Wir haben sehr aktive Jusos. Die lassen sich nicht beeindrucken."
Kommt ein Mitgliedervotum? Die SPD sucht den Weg aus der Krise
"Hochgeboxt" (Inge Aures, Kulmbach, 62 Jahre)
Nur einmal ist Inge Aures um Worte verlegen: "Wie die SPD aus der Krise kommt? Wenn ich das wüsste." Ansonsten ist die 62-jährige Landtagsabgeordnete am Tag nach dem sozialdemokratischen Erdbeben erstaunlich gelöster Stimmung. Was andere als Katastrophe betrauern, begrüßt Aures als Chance. Sie versucht erst gar nicht, ihre Erleichterung hinter wolkigen Floskeln zu verbergen. "Ich habe nie zum Fanclub von Andrea Nahles gehört." Aures benutzt Worte wie "peinlich" und "fremdschämen", wenn sie die Auftritte der gescheiterten Vorsitzenden resümiert.
Mitleid mit Nahles spürt Aures nicht, ihren Rücktritt unter allein geschlechterpolitischen Vorzeichen zu lesen lehnt sie ab. Sie selbst habe sich als Frau hochgeboxt, auch gegen die Widerstände von Männern. Seit 2008 sitzt sie im Landtag: "Nicht als Frau, sondern als Inge Aures." Es liege an den Frauen selbst, politische Karriere zu machen.