Die ewige Jagd nach den Mördern Frankens: Heiße Spur in alten Fällen
Autor: Stephan Großmann
Aschaffenburg, Freitag, 06. Dezember 2019
Sie lassen Angehörige bangen und Ermittler nicht los: ungelöste Morde. Weil solche Verbrechen nicht verjähren, werden die Akten nie geschlossen. Manchmal kommt deshalb selbst nach Jahrzehnten wieder Bewegung hinein. Wie zwei Fälle aus Franken zeigen.
Eine Stadt atmet auf. Fast 40 Jahre lang herrscht am Untermain quälende Ungewissheit darüber, wer die damals 15-jährige Christiane J. in Aschaffenburg tötete. Nun scheint der Täter gefasst.
Am 8. Januar 2020 beginnt der Mordprozess gegen den damals 17-jährigen Norbert B. am Aschaffenburger Landgericht. Viele, einschließlich Christianes Mutter, haben nicht mehr mit dem Durchbruch gerechnet. Doch weil die Kriminalpolizisten den Fall nicht aus den Augen ließen, wurde aus dem Cold Case wieder eine heiße Spur.
Es ist der Abend des 18. Dezember 1979. Im Schlosspark der unterfränkischen Stadt soll der heute 56-Jährige das Mädchen, das von einem Abendkurs auf dem Weg nach Hause war, sexuell missbraucht und anschließend ermordet haben. Danach stieß er sie wohl über das Geländer der Schlossgartenmauer, sie fiel 15 Meter tief. Tags darauf wurde das leblose Mädchen von Passanten entdeckt. Trotz sofortiger Sonderkommission, zahlreicher Spuren und einer hoch ausgesetzten Belohnung konnten die Ermittler damals keinen Verdächtigen finden.
Markus Schlemmer ist froh, nun den mutmaßlichen Täter präsentieren zu können. "Das war eine große Anstrengung", sagt der Aschaffenburger Kripo-Chef. Akribisch wühlten sich die Mitarbeiter seiner eigens für den Fall zusammengestellten Altfälle-Einheit (Cold Cases) durch zahlreiche Aktenordner von damals und begutachteten die vielen Beweisstücke erneut.
Indizien reichten lange nicht aus
In den Fokus der Beamten geriet der damals 17-Jährige schon früh, die Indizien reichten aber nie aus. Bis jetzt, bis moderne Möglichkeiten der Forensik schließlich den Erfolg brachten. Seit Mai sitzt Norbert B. in Untersuchungshaft. Verhandelt wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit nach Jugendstrafrecht, weil er zur Tatzeit selbst noch minderjährig war.
"Wir können endlich durchschnaufen", sagt Schlemmer. Allerdings nicht zu lange. Zwar passieren Kapitalverbrechen wie Morde in Franken recht selten. Aber es gibt sie. Auch wenn die Aufklärungsquote vergleichsweise hoch ist, sind ein bis zwei ungeklärte Fälle pro Jahr keine Seltenheit. Ende des vergangenen Jahres blieben in Bayern 198 Morde unaufgeklärt.
Eine landesweite Stelle für solche Cold Cases (englisch: "kalte Fälle") gibt es nicht. Vielmehr kümmern sich die Präsidien in unregelmäßigen Abständen selbst um ihre Altfälle. Gibt es neue Hinweise, richten sie Ermittlungs- oder Sonderkommissionen ein und knöpfen sich den Fall erneut vor.