Filmaufnahmen mit Flosse: Fränkischer Meermann posierte mit Kim Kardashian
Autor: Diana Fuchs
Kitzingen, Donnerstag, 13. August 2020
An Land ist Chris Riel Grundschullehrer. Im Wasser verwandelt der Franke sich in Arielles Cousin - und schwimmt schon mal neben Kim Kardashian.
Das ist also der Mann, der Märchen wahr macht. Der Mann, der auf Flossen steht. Und dem es völlig egal ist, was andere davon halten. Braun gebrannt, leichtfüßig und mit herzlichem Lächeln biegt Chris Riel um die Ecke. Zwei große Reisekoffer hat er dabei. Deren Inhalt wird ihn wenig später zu einem Fabelwesen machen.
Doch vor seiner Verwandlung zum Meermann - "Merman", wie die internationale Flossen-Szene es auf Englisch nennt - nimmt der 26-jährige Lockenkopf auf der Besucherterrasse des Kitzinger Freibades Platz. Palmen und türkisfarbenes Wasser in Sichtweite, erzählt Chris Riel seine Geschichte. Die klingt, als hätte Walt Disney sie erfunden. Für einen Film, in dem es darum geht, einfach zu sein, wer und was man sein will.
Meermann Chris Riel: Schon als Kind die erste eigene Flosse gebaut
Schon als kleiner Bub liebte Chris das Wasser. In seinem Elternhaus in Wiesenbronn (Kreis Kitzingen) gab es einen Pool. "Mama erzählt immer, ich hätte mich mit Begeisterung einfach reingestürzt." Chris selbst erinnert sich vor allem daran, dass er mit Hilfe seiner Tante einmal versucht hat, aus einer alten Schreibtischunterlage eine Meermann-Flosse zu bauen. "Die hat sich aber im Wasser ziemlich schnell aufgelöst." Nach dem Abitur am Münsterschwarzacher Gymnasium studierte Chris zunächst Grundschullehramt, schwenkte später auf Mittelschullehramt um. Heuer hätte er sein Staatsexamen abgelegt, doch das wurde wegen Corona auf 2021 verschoben.
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2017 flog Chris nach Florida, wo ein Teil seiner Familie lebt. Spaßeshalber betrat er einen "Merman-Shop". "Es war der Wahnsinn. Die haben dort Flossen, Tails genannt, die aussehen und sich anfühlen wie echt. Sie kosten mehrere Tausend Euro." Chris unterhielt sich ein bisschen mit den Verkäufern, verließ den Laden dann aber ohne Meermann-Outfit. "Das war mir echt einfach zu teuer."
Ein paar Tage später, am Strand, traf er zufällig die Mutter des Ladenbesitzers wieder. Sie sprach ihn an. "Das war echt witzig. Sie meinte, ich könne ja ganz gut schwimmen und so hässlich sei ich auch nicht. Wenn ich wollte, könnte ich mal für sie modeln." Was die Frau genau meinte, erfuhr Chris, als er zur angegebenen Zeit im Laden eintraf. "Die haben dort ein richtiges Unterwasserstudio für professionelle Aufnahmen." Die Amerikaner steckten den Deutschen kurzerhand in eine Meermann-Flosse und hievten ihn ins Wasser.
Er wollte mehr vom Meer
"Zuerst habe ich mich komisch gefühlt, aber nach wenigen Sekunden habe ich die Situation schon genossen. Da schwimmt man wie ein Fabelwesen durchs gläserne Becken und wird dabei gefilmt. Ich fand das cool." Um sich mit dem langen, schweren Unterleib im Wasser fortbewegen zu können, brauche man Beinkraft und die richtige Technik, einen Flossenschlag wie beim Delfinschwimmen. "Aber da ich ausgebildeter Rettungsschwimmer bin, war das für mich kein Problem."
Die Aufnahmen gelangen auf Anhieb - und Chris fühlte sich im schillernden "Merman-Tail" sehr wohl. Er wollte mehr vom Meer.
Noch im selben Jahr bekam er seine erste eigene Meermann-Flosse aus hochwertigem Silikon. Seine Eltern schenkten sie ihm. "Anfangs wollte ich damit einfach nur Spaß haben", erinnert sich Chris. Um die mit dem Tauchen verbundene Gefahr besser bannen zu können, belegte er in Belgien einen Tauchkurs in einem zehn Meter tiefen Druckausgleichsbecken. Er lernte auch, bis zu vier Minuten die Luft anzuhalten.
Fotos am Baggersee
Im Frühjahr 2018 fuhr er mit Lisa Strasser aus Schwarzach, einer Hobbyfotografin, an den Hörblacher Baggersee. "Wir wollten dort einfach mal ein paar Fotos machen. Es war saukalt und der See war ziemlich schlammig..." Auf Lisas Fotografien sah man das jedoch nicht. Sie zeigten einen Meermann wie aus dem Bilderbuch. "Merman Chris" legte eine Instagram-Seite an (merman_chris), postete dort die Portraits. Zahlreichen Freunden gefiel das. "Kurze Zeit später rief jemand an, meinte, er sei von einem Londoner Magazin und fragte, ob ich für ein Fotoshooting zur Verfügung stünde", erzählt Chris und lacht laut los. "Ich hab' erstmal zurückgefragt, wer mich da auf den Arm nehmen will." Doch es stellte sich heraus: Die Anfrage war ernst gemeint. "Ich weiß bis heute nicht, wie 'Scope Weekly' auf meine Instagram-Seite aufmerksam geworden ist. Aber Fakt ist: Die haben Fotos von mir gedruckt, auf einer Doppelseite direkt neben Kim Kardashian. Über Nacht bekam ich 10.000 Follower."
Und weitere märchenhafte Model-Anfragen. "Die haben wohl alle gedacht: Der Typ muss berühmt sein, wenn er neben Kim Kardashian abgebildet ist", sagt Chris und sein breites Grinsen verrät, dass ihn das noch immer prächtig amüsiert.
Werbeaufnahmen auf der ganzen Welt
Der Meermann, der mittlerweile in Volkach wohnt, reiste von nun an um die Welt, von Mallorca bis Madrid, von England bis Portugal, von Singapur bis nach Amerika. Er unterbrach dafür sein Studium. "Man hat mich für Werbeaufnahmen gebucht, aber auch für Partys, bei denen ich den ganzen Tag nur am Pool sitzen und Fotos mit den Gästen machen musste." Mit den Aufträgen wuchs sein Outfit. Heute verfügt Chris, dessen Termine eine Model-Agentur in London managt, über sechs individuell für ihn hergestellte Silikon- und fünf Stoffflossen in unterschiedlichen Farben und Stilen. Im Wasser verleihen diese Tails Männern Anmut, an Land sorgen sie schon mal für Unmut. "Am Flughafen Frankfurt führte der Sicherheitsdienst einen Sprengstoff-Test durch, weil der Goldglitter auf einer Flosse ihm verdächtig erschien."
Die meisten Meermann-Erlebnisse seien "sehr cool". Chris berichtet von Filmaufnahmen für einen Flossenhersteller. "Wir waren mitten im Meer. Plötzlich war ich umringt von grauen Gestalten - Haien? Nach dem ersten Schrecken war klar: Es sind Delfine. Mit ihnen im Ozean zu schwimmen, war ein unglaublich bewegendes Erlebnis!" Schon als Kind habe er von einer solchen Begegnung geträumt.
"Ich war schon immer fasziniert von Märchen, gerade, wenn sie mit Wasser zu tun haben", gibt der 26-Jährige zu. "Zum Glück waren meine Eltern sehr tolerant. Sie sagten nicht, das sei Mädelskram oder so, sondern brachten mir bei, dass jeder Mensch selbstbewusst seinen eigenen Weg gehen darf."
Das will Lehrer Chris auch seinen Schülern vermitteln - gerade in der schwierigen Zeit der Pubertät. "Ich habe mit einer 8. Klasse mal einen Versuch gemacht. Jeder, auch ich, musste einen Tag lang im schrillen 80er-Jahre-Outfit zur Schule kommen. Das kostete Überwindung." Es habe gezeigt, wie wichtig persönliche Freiheit und persönliche Entwicklung sind.
"Mir ist es schon immer egal, was andere denken", konstatiert Chris. So schreibt der Franke nun Meermann-Geschichte.