Wozu braucht man eigentlich ... Soziales?
Autor: Petra Malbrich
Gößweinstein, Donnerstag, 08. August 2013
Unser Schulprojekt klar.text fragt Lehrer, warum sich Schüler mit manchen Fächern oder Lernstoffen beschäftigen müssen. Elfriede Rabe, Hauswirtschaftslehrerin in Gößweinstein, erklärt, warum man sich auch in den Ferien Gedanken über Hauswirtschaft und Soziales machen sollte.
Früher oder später zieht jeder aus dem Hotel Mama aus, um auf eigenen Füßen zu stehen. Doch gerade auf diese Lebensbewältigung sind die wenigsten praktisch vorbereitet worden. Die Küche war früher Mittelpunkt der Familie und damit der wichtigste und oft auch größte Raum im Haus. Hier wurden - umgeben vom Duft frischer Gewürze - die Tageserlebnisse erzählt, Probleme besprochen, Aufgaben verteilt, gelacht und Pläne geschmiedet.
Heute ist die Mikrowelle wichtig, um schnell eine Dose Fertiggericht zu wärmen und oft schnell allein zu essen und noch dazu völlig ungesund. Dabei ist gerade die Ernährung ein Grundbedürfnis, und die richtige Ernährung beginnt mit den richtigen Lebensmitteln.
Welche müssen gekauft werden?
Lebensrealität lernen
Lediglich die Mittelschüler werden mit dem Fach Hauswirtschaft und Soziales auf das eigentliche Leben und die Lebensbewältigung vorbereitet. "Das beginnt schon mit der Beschaffenheit der Lebensmittel, deren Inhaltsstoffen und wie man sie richtig lagert", informiert Elfriede Rabe, Hauswirtschaftslehrerin der Grund- und Mittelschule in Gößweinstein. Denn nicht ganz so bekannt ist, dass Karotten immer mit Öl zubereitet werden sollen, auch sollte man Karotten als Rohkost mit Joghurt vermischen, damit das Vitamin A im Körper aufgeschlossen werden kann. Der Körper braucht Fett oder tierisches und pflanzliches Eiweiß.
Wo ist das enthalten? Wie kann ich mich trotzdem schnell, günstig und dennoch gesund ernähren? Durch Kartoffeln und Quark oder Kartoffeln und Fisch, nennt die Lehrerin einige der günstigen Eiweißverbindungen. Obst oder Zitronen möchten es lieber kühl und dunkel. Auch wenn es die Werbung inzwischen geschafft hat, Schokoladen-Brotaufstrich als gesundes Lebensmittel zu vermarkten, Milchschnitten schnell und bequem eingepackt werden können, sind die Fertighörnchen neben anderem Fast Food nicht die besten Vitamin- und Nährstofflieferanten.
Im Gegenteil. "Durch Fast Food verliert man die Geschmacksnerven", weiß Elfriede Rabe. Nicht selten kennen viele Menschen den ursprünglichen Geschmack von Bananen oder Schnitzel nicht. "Haben wir Ketchup?", ist eine der Fragen, die sie im Kochunterricht hört. Aber der dient dazu, dass es die Schülern anders lernen: Marinade selbst herstellen statt fertiges Dressing über den Salat gießen.
In der Ernährungslehre erfahren die jungen Menschen, was der Körper benötigt. Wer sich richtig ernährt, ist nicht nur körperlich fit, sondern kann sich auch besser konzentrieren und fühlt sich wohl.
Spezielle Ernährungsfragen
Allergien vermehren sich, und jeder wird einmal krank oder alt und erhält spezielle Kost. Was ist Schonkost und wie bereite ich sie zu, sind aber ebenfalls Bereiche aus der Ernährungslehre; Bereiche aus dem Leben.
Als zweiten Aspekt lernen die Schüler, den Arbeitsplatz sinnvoll zu gestalten, um ökonomisch arbeiten zu können. Es ist wichtig - egal, in welchem Beruf man später seine Brötchen verdient - , den Arbeitsplatz so zu verlassen, wie man ihn vorgefunden hat.
In der Praxis wird das in Soziales geübt, indem man mit einem Lappen die Arbeitsfläche sauberwischt, Brösel entfernt und auch den Wasserfleck nicht übersieht. Diese dezenten Hinweise helfen auch zu Hause, wo doch meist die Mutter kocht, aufräumt und hinter den Kindern und Jugendlichen herräumt.
"Benimm ist in", sagt Elfriede Rabe und spricht damit die Etikette an. "Wie decke ich den Tisch richtig, vor allem einen festlichen Tisch; wie schreibe ich eine Einladungs- und eine Menükarte, was man bei einer Einladung auch erwarten darf, oder dass man sich nicht mit den Armen auf den Tisch lümmelt und mit vollem Mund spricht", nennt die Lehrerin einige dieser Anstandsregeln.
Geübt wird das beispielsweise in den verschiedenen Projekten, bei denen die Mütter zum Essen eingeladen werden. Oder beim Thema Abendessen - auch um darauf hinzuweisen, wie wichtig es ist, einmal gemeinsam zu essen. Zugleich werden mit diesen Kochprojekten das Sozialverhalten gestärkt und Traditionen aufrechterhalten.
"Wir haben Osterbrot gebacken und den alten Menschen ins Altenheim mitgebracht oder die Schüler sollten einen Obstsalat zubereiten und jeder ein Obst den Kindergartenschülern als Theaterstück vorstellen", erzählt Rabe von den gesunden Sozialprojekten. So erfahren bereits die Kleinen spielerisch, warum eine Banane und ein Apfel wichtig sind, aber auch die großen Schüler prägen sich die Bedeutung ein.
Brücken zu Alt und Jung werden zusätzlich gebaut, die Gespräche nebenbei bereichern beide Seiten und fördern zudem das Wissen um Traditionen wie das Osterbrot.
Wie eine Bratröhre funktioniert oder mit welcher Herdschaltung angekocht und wie energiesparend gekocht wird, wissen die Schüler schon längst. Dennoch: "Es gäbe noch viel mehr zu vermitteln. Die Wäschepflege, vom Waschen der Bunt- und Kochwäsche, das Bügeln oder einfach einen Knopf anzunähen", zählt Elfriede Rabe auf.
Nur Wahlpflichtfach
Denn Soziales, wie es ab der 7. Klasse genannt wird, ist dann nur Wahlpflichtfach. Viele Schüler entscheiden sich doch ab der achten Klasse, die Fächer Wirtschaft oder Technik zu belegen.
Ob sich das bald ändert und das Fach Lebens- und Alltagskompetenz - eine Erweiterung zu Hauswirtschaft und Soziales für alle Schulen von der Grundschule bis zum Abitur - eingeführt wird, ist ungewiss. Diese Forderung stellte der bayerische Landfrauenverband. "Hauswirtschaften beinhaltet alles, nicht nur kochen. Wie man mit Geld umgeht, aber auch Familienmanagement, Zeiteinteilung zu lernen und Wertevermittlung", meint Rosi Kraus, stellvertretende Bezirksbäuerin in Oberfranken. Sie weiß nicht nur, dass die Jugend den Wunsch danach verspürt, sondern erhielt mit der Aktion der Landfrauen auch viele Unterstützer. 92 000 Unterschriften konnten die Landfrauen sammeln und legten sie dem Kultusminister Spänle vor, um ihrer Forderung für dieses Unterrichtsfach Nachdruck zu verleihen. "Im Lauf des nächsten Jahres soll ein pädagogisches Gesamtkonzept entwickelt werden", verrät Kraus.