Druckartikel: Wo die Maloche herkommt

Wo die Maloche herkommt


Autor: Petra Malbrich

Ermreuth, Montag, 26. Sept. 2016

Evamaria Bräuer, die sich mit jüdischer Geschichte und Kultur beschäftigt, zeigt in der Synagoge in Ermreuth auf, woher Redewendungen und Traditionen kommen
Evamaria Bräuer erklärte in der Ermreuther Synagoge jiddische Begriffe, von denen viele Teil unserer Alltagssprache geworden sind. Foto: Petra Malbrich


Maloche, blau machen, meschugge, der Kittel oder der Kessel - schließlich spricht man hier Deutsch. Eine Forderung, die gerade angesichts der momentanen politischen Situation aktueller ist denn je. Aber ist wirklich alles deutsch? Diese Frage wirft Evamaria Bräuer in den Raum und verneint sie in ihrem Vortrag "A bissel Jiddischkeit" gleich selbst.
Jeder kennt den Ausdruck "schwarzes Schaf" und bezeichnet damit die Person, die geschmäht wird, die zum Außenseiter gestempelt wird. Aus 1 Mose 32 kommt dieser Ausdruck, sich beziehend auf Jakobs List gegen Laban (=weiß), wo aus der Schafherde alle gefleckten oder schwarzen Schafe aussortiert werden sollten. Vom schwarzen Schaf zum Sündenbock ist es auch nicht mehr weit. Zumindest vom Ursprung der Redensart nicht.


Die Leviten gelesen

Der Sündenbock ist ein jiddisches Ritual.
Am Versöhnungstag werden mit den Händen symbolisch alle Sünden auf den Rücken eines Schafbocks aufgeladen, dieser wird dann durch das Goldene Tor, das Tor des Erbarmens in die Wüste hinaus gejagt und dort seinem Schicksal überlassen. Mit Bildern und Karikaturen untermalt Evamaria Bräuer ihren Vortrag, betont den Ursprung dieser Redensarten und führt den Zuschauer erfrischend, schmunzelnd und erheiternd durch das Alte Testament oder zu jüdischen Traditionen, unterhält damit auf amüsante Weise und informiert. Nur die Leviten liest sie dem Zuschauer nicht. Aber wem wurden diese noch nie gelesen? Was damit gemeint ist, ist jedem klar. Jemanden zurechtweisen, steht wohl hinter dieser Redensart. Auf den Stamm der Leviten geht das nicht zurück, sondern ins Mittelalter, ins 7. Jahrhundert, als in einigen Klöstern untereinander Unruhe herrschte, weil die Disziplin fehlte. Bischof Chrodegang von Metz ordnete deshalb das regelmäßige Lesen der Leviten während der Mahlzeiten an, also das Lesen der Leviticus, des 3. Buch Mose. Mit den Drohbotschaften sollten die Mönche wieder zur Disziplin angehalten werden.


Eine Verschwörungstheorie

"Über den Jordan" musste deshalb niemand gehen. Und doch hat auch diese Redewendung ihren Ursprung in der Bibel, bezeichnete den Auszug der Israeliten. Der Jordan ist ein Grenzfluss. Das gelobte Land hat auf der anderen Seite gewartet, umschrieben mit dem Eintritt ins Himmelsreich. Und auch Elia, der mit seinem zusammengerolltem Mantel das Wasser des Jordan teilt, wird dort vom Sturmwind in den Himmel, in die Ewigkeit entrückt. Vom Leben zum Tode gehen, das ist mit "über den Jordan gehen" gemeint, wie Bräuer diese Geschichten dazu erzählt.
Eine Verschwörungstheorie, die zu Pogromen im Mittelalter führte, wurde aus einer anderen jiddischen Tradition: dem Geldbeutelwaschen. "Die Juden vergiften unsere Brunnen" lautete der Vorwurf. Denn es ist eine jüdische Tradition, ein Reinigungsritual vor dem Neujahrstag, der bei den Juden ein beweglicher Feiertag ist und heuer am 3. Oktober gefeiert wird. Der Brotkasten, die Bettwäsche, alles wurde ausgeleert und die Krümel ins Wasser geworfen, symbolisch für das Wegwerfen der Sünden und einem neuen Beginn im neuen Jahr. Heute noch wird das Geldbeutel- oder Stadtsäckelwaschen am Aschermittwoch von den Leuten und Politikern am Marienplatz in München praktiziert. Dabei werden die Geldbeutel oder die Stadtsäckel vor Beginn der Fastenzeit im Wasser ausgewaschen, damit alles sauber ist und das Geld wieder fließt. Die Taschen wurden also gereinigt. Taschlich machen, bedeutet "du sollst werfen". Deshalb die Krümel, die Sünden ins Wasser werfen.
Die Verschwörungstheorie, dass Juden das Wasser vergiften, obwohl sie aus dem selben Brunnen Wasser holten, denn die Juden lebten mit den Christen, überlebte aus Unwissenheit.


Bedeutung der Sprache

"Anstatt nachzuforschen", sagt Evamaria Bräuer. Das hat sie übernommen und mit vielen Beispielen die deutsche Sprache hinterfragt. Die Referentin kommt aus Gerolzhofen, bietet im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt Führungen und Kurse zur Kunstgeschichte an und hat sich mit jüdischer Geschichte und Kultur beschäftigt.
Auch in ihrem Heimatort begibt sie sich auf jüdischen Spuren und nimmt Interessierte mit auf diese Reise. Neben vielen anderen Worten und Begriffen, die sie aufzeigt, weiß Gastgeberin Raaja Nadler auch von der umgekehrten Form. Viele deutsche Begriffe wurden ins Jiddische übernommen. Was Sprache ist, hat Bräuer gleich zu Anfang mit den Worten des Kirchenvaters Augustinus erklärt: Sprache ist ein göttliches Geschenk, das den Menschen vom Tier unterscheidet. Und doch sind es Tiere, die oft für Redewendungen herhalten müssen.