Winterhoff warnt Forchheimer Pädagogen
Autor: Ekkehard Roepert
Forchheim, Donnerstag, 07. November 2019
"Ich bin in Sorge um unsere Kinder, sie haben sich gravierend verändert", sagte Jugendpsychiater Winterhoff beim Forchheimer Bildungsforum.
Die 400 Zuhörer applaudierten Michael Winterhoff stürmisch. Die provokante und teils dramatische Analyse des Jugendpsychiaters, Psychotherapeuten und Buchautors traf offensichtlich den Nerv der meisten Besucher des 14. Bildungsforums. Eingeladen hatten das Staatliche Schulamt und die Sparkasse Forchheim. Dass Deutschland zu verdummen drohe (so die Grundthese Winterhoffs), dies sei in einer "gut funktionierenden Bildungslandschaft" wie in Forchheim schwer vorstellbar, sagte Ewald Maier, der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse.
Doch Winterhoff verdeutlichte, dass das Bildungssystem alles andere als gut funktioniert. Die Digitalisierung der Gesellschaft habe seit 1995 völlig andere Kinder hervorgebracht. Der Jugendpsychiater aus Bonn, der tausende Fälle reflektiert und für seine drei Bücher in der gesamten deutschen Schullandschaft recherchiert hat, kommt zu einem alarmierenden Schluss: Die Mehrheit der Kindergarten- und Schulkinder leidet unter einer verzögerten Hirnentwicklung; ihnen fehle schlicht die Schulreife, weil ihre emotionale und soziale Psyche nicht ausgebildet worden sei.
Seit dem Aufkommen der Digitalisierung hätten die Eltern kaum noch Zeit für die Kinder; sie lebten zudem in einer Welt der permanenten Erwartung der nächsten Katastrophen(-Nachrichten). Alles scheine nur noch schlimmer zu werden und so etwas wie Glück komme eigentlich nicht mehr vor. Folge: Immer rigider werdende Eltern bieten den Kindern immer weniger Orientierung. Gleichzeitig werde in den Schulen das klassische Schüler-Lehrer-Verhältnis aufgegeben - zu Gunsten des "autonomen Lernens" mit Hilfe von PCs und Apps.
80 Prozent der Kinder wachsen ohne Kindheit auf, meint Michael Winterhoff. So wüchsen Menschen heran, die nicht mehr belastbar seien; deren Existenz von Selbstüberschätzung und von fehlendem Unrechtsbewusstsein geprägt sei - junge Menschen "ohne Begeisterungs- und Schwingungsfähigkeit". Winterhoffs Sorge um die Kinder, die sich "gravierend verändert" hätten, wurde im Auditorium spürbar geteilt. Cordula Haderlein, die Leiterin des Schulamtes, betonte zwar, dass die Lehrkräfte im Landkreis Forchheim "ihre Verantwortung wahrnehmen"; doch Winterhoff warnte davor, "das Problem schönzureden". Die Versprechen der Bildungsreform seit 2000 seien nicht eingelöst; die Lehrer hätten sich das Thema von der Politik aus der Hand nehmen lassen.