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Werner Wolf weicht vor den Rechten nicht zurück


Autor: Petra Malbrich

Gräfenberg, Mittwoch, 11. März 2015

Im Osten fühlte sich ein Bürgermeister von Rechten bedroht und gab auf. Werner Wolf stand selbst unter dem Druck von Extremisten. An einen Rücktritt hat der ehemalige Gräfenberger Bürgermeister aber nie gedacht.
April 2007: Der damalige Bürgermeister Werner Wolf zeigt auf die Farbspuren auf der Fassade seines Wohnhauses. Foto: Archiv Josef Hofbauer


Der kleine Ort Tröglitz, der in Sachsen-Anhalt liegt, bewegt die Gemüter in Politik und Gesellschaft. Markus Nierth, der ehrenamtliche Bürgermeister des Ortes, hat in der vergangenen Woche sein Amt niedergelegt, nachdem er seine Familie und sich von Rechtsextremen bedroht sah. Nierth hatte sich dafür eingesetzt, dass rund 40 Asylbewerber in seinem Ort unterkommen.

Werner Wolf (FW) war viele Jahre lang Bürgermeister der Stadt Gräfenberg. Er glaubt nachempfinden zu können, wie sich der zurückgetretene Bürgermeister von Tröglitz fühlt und was ihn zu seinem Rücktritt bewogen hat. "Der Bürgermeister von Tröglitz stand allein auf weiter Flur. Seine Entscheidung in dieser Situation kann ich nachvollziehen", sagt Wolf. Auch Wolf in ein gebranntes Kind. In seiner Stadt sind jahrelang Rechtsextreme zum Kriegerdenkmal marschiert. An einen Rücktritt will Wolf aber selbst in der Hochzeit der Nazi-Aufmärsche nie gedacht haben. Er habe immer den Rückhalt des Stadtrats, der Einwohner und auch der Sicherheitsbehörden gespürt.

Rote Farbe an der Wand

Anders als Nierth hatte Wolf immer das Gefühl, in seinem Widerstand gegen die rechten Aufmärsche für die breite Mehrheit der Einwohner zu sprechen. Im April 2007 hatten sich die Handlungen der Neonazis dann aber von der amtlichen auf die private Ebene verlagert.

Als Wolf am Morgen des 19. April 2007 aus der Haustür trat, lief an der Hausfassade blutrote Farbe herunter. Ausgeblasene Eier waren mit roter Farbe gefüllt und mit Wachs verschlossen worden. Dann flogen sie gegen Wolfs Hauswand. "Das ging mir schon in Mark und Knochen", räumt Wolf. Er habe daran eine Zeit lang zu schlucken gehabt, "denn das ging nicht mehr gegen den Bürgermeister, sondern gegen mich privat und gegen meine Familie".

Die Vermutung lag damals nahe, dass die Täter im rechten Spektrum zu suchen sind. Doch anders als offenbar in Tröglitz stand der Bürgermeister nicht alleine da. Die Bürger, die Stadträte und auch die Polizei unterstützten Wolf. Alle zwei oder drei Stunden fuhr eine Streife in jener Zeit an seinem Haus vorbei und vergewisserte sich auch nachts, dass alles in Ordnung sei. "Das macht es einem leichter, darüber hinwegkommen", sagt Wolf.
An einen Rücktritt habe er auch deshalb nie gedacht.

"Aber es gab Überlegungen, ob ich weiter in der ersten Reihe mitmache oder einen Schritt zurück trete und mich von der zweiten Reihe aus engagiere", sagt das frühere Stadtoberhaupt. Am Ende entschied er sich dafür, mit dem Bürgerforum weiter in erster Reihe Gesicht zu zeigen. Der oder die Täter konnte nie ermittelt werden. Die Eierwürfe sind bis zum heutigen Tag nicht aufgeklärt.

Der Kommissar beruhigt

Zu jener Zeit gingen auch Briefe und E-Mails im Gräfenberger Rathaus ein, deren Verfasser klar dem rechten Meinungsspektrum zuzuweisen waren: "Die sich gegen uns stellen, werden es bereuen" - so und so ähnlich hieß es in vielen Briefen und Mails.

Gräfenberg, März 2015: In ein bis zwei Wochen werden auch in Gräfenberg die ersten Asylbewerber ankommen. Im Amtsblatt hat der Eigentümer jener Häuser, in denen die Asylbewerber unterkommen, schon um Unterstützung gebeten. Benötigt würden beispielsweise Möbel und Dinge für den Haushalt und das tägliche Leben.

Kehrt die Angst zurück?

Gräfenberg ist nicht der erste Ort im Landkreis, der Asylbewerber aufnimmt. Aber kehrt mit den Asylbewerbern auch die Angst vor den Aufmärschen der Rechten zurück? "Angst haben wir mit Sicherheit nicht", betont Wolf, der heute für die Freien Wähler im Stadtrat sitzt.

Sein Nachfolger im Bürgermeisteramt, Hans-Jürgen Nekolla (SPD), war für eine Auskunft in der Sache nicht zu erreichen. Dass Rechte vor den Privathäusern von Bürgermeistern oder auch Stadt- und Gemeinderäten gegen die Aufnahme von Asylbewerbern demonstrieren, ist Polizeihauptkommissar Rainer Penning aber in jüngster Vergangenheit nicht zu Ohren gekommen.

Raus auf die Straße

Dass es trotzdem wieder zu Demonstrationen kommt, will aber Wolf nicht kategorisch ausschließen. Damit müsse man rechnen.
Doch die Gräfenberger hätten noch gut in Erinnerung, wie man den Rechten entgegentreten könne und entsprechend motiviert seien sie auch. Das gelte im Übrigen auch für ihn selbst: "Ich würde wieder auf die Straße gehen", betont Wolf.