Wenn Straßen in Forchheim erzählen könnten...
Autor: Elisabeth Görner
Forchheim, Mittwoch, 19. November 2014
Auf Einladung der Forchheimer "Altstadtfreunde" gab Dieter George einen Einblick in die (alten) Straßen- und Ortsteilnamen der Kreisstadt.
Namen, genauer gesagt: Eigennamen, spielen eine große und besonders interessante Rolle im täglichen (Sprach-) Leben, auch wenn vielen Menschen gar nicht bewusst ist, dass sich gerade in den Namen oft viel Geschichte und durchaus auch Geheimnisvolles verbirgt. Bei den "normalen Wörtern" (sprachwissenschaftlich: Bezeichnungen) ist nur wichtig, dass der Sprecher/Schreiber und natürlich der Hörer/Leser die jeweilige Bedeutung kennen, um sich verständigen zu können; Eigennamen (nomina propria) nimmt man sogar jenseits des Verstehens "in Kauf" und nutzt sie hauptsächlich in ihrer Funktion der Anrede und der Singularität.
Dieter George vermittelte - auf Einladung der Forchheimer "Altstadtfreunde" - seiner Zuhörerschaft im Keller der Pfalz einen aufschlussreichen Einblick in die (alten) Straßen- und Ortsteilnamen der Kreisstadt; sie gehören zu den sogenannten Toponymen, den geographischen Namen (im Gegensatz zu den Personennamen, den Patronymen).
Ab 1809 Häuser durchnummeriert
Erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gibt es in Forchheim amtliche Straßennamen, nachdem vorher (ab 1809) die Häuser nur durchnummeriert waren und es bis dahin sogar gereicht hatte, wenn ein Haus durch den Namen des Besitzers, durch die Beschreibung seiner Lage zu anderen (bekannteren) Häusern oder auch mit Hilfe der Stadtviertelnamen gekennzeichnet war.
Die vier Stadttore und die (ehemaligen) Vorstädte bildeten ab dem Jahr 1430 die Basis für die Einteilung der Stadt Forchheim, genannt: Saltor, Bamberger und Nürnberger Tor, Bamberger Weg, Reuther Weg und Altenbach. Für diese Zeit fehlt in der Auflistung noch das später als Reuther Tor bekanntgewordene vierte Stadttor; die jeweils genauen Befestigungssituationen während des 15.Jahrhunderts im Südosten Forchheims sind historisch auch immer noch nicht ganz geklärt.Man findet aber in den alten Bürgerverzeichnissen Namen wie "Lohetürlein" (Türlein für: schmales, enges Tor), "Tor bei der Brandmühle" und 1482 auch tatsächlich "Äußeres Reuther Tor".
Lohetürlein ist wohl aus Lohmühltürlein, einer in der Namengebung bekannten Klammerform entstanden; d.h. ein mittlerer, für das Verständnis ursprünglich wichtiger Wortteil fällt aus "sprachökonomischen" Gründen im Lauf der Zeit weg. Das gemeinte Tor lag demnach in der Nähe der ehemaligen Lohmühle, das Haus Nr.6 im späteren Lohmühlgässchen, das 1969 abgerissen wurde. Im Übrigen ist auch der Name des zur Kreisstadt Forchheim gehörenden Ortes Kersbach sehr wahrscheinlich aus einer solchen Klammerform, nämlich Kerschbaumbach, hervorgegangen.
Interessant ist die Erklärung des Vorstadtnamens Altenbach bzw. Am Altenbach! Welches Gewässer ist hiermit gemeint? Schon Ende des 13. Jahrhunderts leiteten die Forchheimer die Wiesent, die erst südlich an der Stadt vorbeifloss, nach Norden ab, womit sie automatisch im Osten einen zusätzlichen Schutz erhielten und gute Bedingungen für das Anlegen von Mühlen.
Der alte Name Schüttgasse für die jetzige Kasernstraße belegt das Ausheben eines künstlichen Flussbettes und das Aufschütten der Erde auf der östlichen Seite des so geschaffenen Grabens und dazu passt auch, dass die heutige Hornschuchallee früher "Am Graben" hieß. Die Straßen- und Platznamen Forchheims im 19. Jahrhundert - nach noch existierenden Plänen aus dieser Zeit - machen deutlich, dass die ehemalige dem Fürstbischof von Bamberg unterstellte Territorialstadt ihre Marktprivilegien für den Nahhandel nutzte und einen Grünen Markt, einen Eiermarkt sowie einen Geißmarkt im Westen hatte: Der zentrale Grüne Markt, auf dem alle pflanzliche Nahrung angeboten wurde, entspricht etwa dem heutigen Rathausplatz, der Eiermarkt dem Bereich zwischen Rathausplatz und dem alten Bamberger Tor (heute etwa altes Zollhaus), wo man nicht nur Eier, sondern auch Geflügel kaufen konnte. Die jetzige Sattlertorstraße bildete damals den Markt für "Geißen", also Ziegen, die zusammen mit anderen Säugetieren in den Nebentälern der Aisch und des vom Namen her typischen und passenden Hirtenbach ihre Weiden hatten und leicht über die wichtige Regnitzbrücke gebracht werden konnten.
Dass es auch einen Holzmarkt gegeben hat, belegt der noch daran erinnernde Name der Holzstraße. Sehr viele Straßennamen gehen, besonders wenn sie sich auf eine Funktion beziehen, schnell unter; der Stadtheimatpfleger Schürr sorgte in Forchheim dafür, dass der Bevölkerung einige alte Namen durch zusätzliche Schilder ins Bewusstsein gerufen werden - wie bei der jetzigen Apothekenstraße, die einmal Riesengasse geheißen hat (nach einer Familie Ries, wiederum Übername für einen besonders großen Menschen). Eine Apotheke im Jahr 1730 war etwas so Besonderes, dass die Gasse bzw. Straße umbenannt wurde, genauso wie allerdings mehr als 100 Jahre später die ehemalige Wolfs- oder Wolfengasse zur Klosterstraße wurde, nachdem dort schon Ende des 17. Jahrhunderts ein Franziskanerkloster entstanden war.
Alte Forchheimer kennen für ein kleines Gebiet südwestlich des Klosters noch den Begriff "Krawattenviertel"; er leitet sich her von kroatischen Reiter-soldaten, die während des 30-jährigen oder des Siebenjährigen Krieges in Forchheim waren und zu deren Uniform ein speziell geknotetes Halstuch gehörte, was sich bis heute in dem Ausdruck "Krawatte" niederschlägt.
Die Wiesent- und die Vogelstraße gehörten zu den ehemaligen Vorstädten von Forchheim; von der heutigen Hornschuchallee aus gibt es drei parallel verlaufende Brücken dorthin, von denen eine auch noch Hundsgasse heißt. Eine vierte, die Fuchsenstraße kommt dazu. Es ist so fantasieanregend und wäre so romantisch, wenn alle vier Brücken wirklich etwas mit Tieren zu tun hätten und eine Sage über einen Bamberger Hostiendieb, der angeblich auf der Forchheimer Brücke von den Hunden seiner Verfolger gestellt wurde, nicht nur eine Sage wäre, aber historische Forschungen legen eher nahe, dass es sich in allen Fällen um ehemalige Familiennamen handelt - genauso wie bei dem Gässchen, das nach der ja wirklich symbolträchtigen Rose benannt worden ist.
Karl-Marx-Straße im Wandel
Auf der Basis seines großen Wissens im Bereich der Namenkunde informierte Dieter George die Zuhörer noch über viele Details in geschichtlicher Zeit (Hainbach/Raschenbach). Abschließend wies er aber noch auf eine neuzeitliche Namengebung bzw. -veränderung hin, die verständlicherweise nicht ohne große Diskussionen abgelaufen ist: Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Straße, die vorher den Namen des NSDAP-Gauleiters Hans Schemm getragen hatte, unter Bürgermeister Ruckdeschel zur Karl-Marx-Straße. Als aber nach 1989 zum Beispiel in Sachsen Karl-Marx-Stadt wieder Chemnitz geworden war, bekam die entsprechende Forchheimer Straße den Namen des auch in Trier 1890 geborenen, 1991 in Frankfurt gestorbenen Jesuiten, (katholischen) Sozialethikers und SPD-Mitglieds Oswald von Nell-Breuning - (Straßen-)Namengebung als Spiegel der Geschichte und der politischen Einstellung.