Druckartikel: Wenn die Arbeit auch nach Feierabend nicht aufhört

Wenn die Arbeit auch nach Feierabend nicht aufhört


Autor: Petra Malbrich

LKR Forchheim, Dienstag, 02. Sept. 2014

Überlastung liegt oft auch an der Haltung der Arbeitnehmer. Für die Fälle, in denen die Belastung hausgemacht ist, soll nun ein Gesetz kommen. Ob sie das für nötig halten, verraten die Personalchefs von Piasten und Huhtamaki sowie Gisela Bauer von Kabel Deutschland.
Stressige Situationen im Job rauben manchem den letzten Nerv, vorallem wenn es kein richtiges Dienstende gibt. Foto: Jens Schierenbeck/dpa


Verordnung, das klingt wie Rezept. Ein Rezept gegen den Stress der ständigen Erreichbarkeit soll nun gesetzlich verankert werden.

"Ich bin kein Freund davon, dass alles gesetzlich geregelt wird", sagt Barbara Gradel, Personalleiterin bei Piasten in Forchheim. Doch die unablässige Verfügbarkeit gibt es bei Piasten ohnehin nicht. Allerdings erhalten die Mitarbeiter, die bei den hochtechnisierten Geräten arbeiten, ein Notfallhandy, wenn sie Rufbereitschaft haben. In der Regel läuft das so ab, dass der Mitarbeiter sein Handy überprüft und den Pförtner anruft, wenn eine Störung gemeldet wird. "Sicher kann es dann sein, dass er auch in die Firma kommen muss", sagt Gradel.

Aus eigenem Antrieb heraus

Bei der Rufbereitschaft wechseln die Kollegen ab. Außerdem gibt es dafür bereits gesetzliche Regelungen, was den Umfang der Arbeit oder die Entlohnung betrifft.

Rufbereitschaft ist eben doch etwas anders als Rund-um-die-Uhr verfügbar sein. Allerdings sieht sie schon, dass es Berufe gibt, bei denen die Gefahr groß ist, dass der Mitarbeiter Tag und Nacht erreichbar ist. Das geschehe dann aber aus eigenem Antrieb heraus.

"Das Thema ist relativ alt", meint Burkhard Baumgärtner, der Personalchef bei Huhtamaki, der es als Diskussion zwischen Fluch und Segen betrachtet. Als Fluch dahingehend, dass man abends eben schon mal die E-Mails durchschaut, um auf dem Laufenden zu sein. "Das ist aber eine unternehmenskulturelle Sache", sagt Baumgärtner und erinnert an VW, die eine Art Vorreiterrolle einnahmen, als in Absprache mit dem Betriebsrat der E-Mail Server nach Feierabend bis eine halbe Stunde vor Arbeitsbeginn am nächsten Tag abgeschaltet wurde und es dadurch technisch bedingte Ruhezeiten gibt.

Mitarbeiter wollen Mails auch nach 18 Uhr

"Auch unser Management und der Betriebsrat haben diskutiert, ob solche Einschränkungen notwendig sind", sagt Baumgärtner. Die Antwort war ein klares Nein. Wer seine Mails abends noch liest oder beantwortet, macht das aus freien Stücken. Manche Mitarbeiter sind aber schon mit Smartphones ausgestattet, um auch außerhalb der üblichen Arbeitszeiten erreichbar zu sein. Das sind Mitarbeiter im Außendienst, aber auch aus den Bereichen Sicherheit, Wartung oder EDV. Taucht in irgendeiner dieser Sparten ein Problem auf, hofft man schon, dass einer der Mitarbeiter erreichbar ist. Wenn nicht, gäbe es einen Notfallplan. Dass der nicht benötigt wird, liegt daran, dass die Mitarbeiter wissen, dass das Handy ein größeres Problem ankündigt. "Unsere Mitarbeiter sind gerne bereit, zu agieren", sagt der Personalchef, denn die Mitarbeiter identifizieren sich mit der Firma.

Nach dem ersten Bericht über die geplante Anti-Stress-Verordnung auf infranken.de reagierten die Nutzer in großen Teilen mit Unverständis. Besonders der User bloKla argumentierte gegen ein Gesetz - aus eigener Erfahrung: "Ich [...] hatte in den Neunzigern einen "Burn Out". Der lag aber weniger in meiner Erreichbarkeit mit möglichen Aufgabenstellungen sondern in dem mir eigenen Perfektionismus begründet. [...] Unter- und Überbelastung hängt von den Betroffenen ab, nicht vom System."

Die psychologische Psychotherapeutin Kristina Holler aus Aurachtal hat häufig Patienten mit Depressionen und Burn Out. Pauschal könne man natürlich nicht sagen, ob es am Stress oder der persönlichen Veranlagung läge. "Grundsätzlich spielt immer alles zusammen. Das hat dann natürlich was mit dem Menschen, aber auch mit dem Umfeld und deren Erwartungen zu tun", sagt die Psychologin. "Ich bin mir sehr unsicher, ob eine Verordnung die Probleme lösen kann. Es ist eher ein gesamtgesellschaftliches Problem. Trotzdem finde ich gut, dass das Thema durch diese Diskussion es in die Medien geschafft hat und viele Leute anfangen darüber nachzudenken."

Erreichbarkeit selbst regeln

Die Einstellung, in dringenden Fällen einfach da zu sein, haben auch die Mitarbeiter bei Kabel Deutschland. "24 Stunden erreichbar sein, ist kein Muss. Es gibt eine Hotline, aber diese Mitarbeiter arbeiten im Schichtdienst und der ist gesetzlich geregelt", sagt Gisela Bauer, Pressesprecherin von Kabel Deutschland. Sie hat die Möglichkeit nach Dienstschluss ihre Geräte abzuschalten.

"In dringenden Fällen versuche ich erreichbar zu sein. Durch mein Bürgermeisteramt habe ich noch andere Aufgaben. Das ist aber ein anderes Thema und beispielsweise eine Weihnachtsfeier am Abend ist kein schwieriger und kein konfliktreicher Termin", sagt Hiltpoltsteins Bürgermeisterin. Sie selbst versucht Beruf und Amt so zu organisieren, dass sie sich den Sonntag möglichst frei hält. Bei Kabel Deutschland wird darauf geachtet, dass die Mitarbeiter ihre Verschnaufpausen und Ruhezeiten haben, sagt sie. "Einen Zwang vom Arbeitgeber gibt es nicht", sagt Bauer.