Druckartikel: Wenn der Fahrstil auf einmal unsicher wird

Wenn der Fahrstil auf einmal unsicher wird


Autor: Carmen Schwind

Hausen, Dienstag, 12. Januar 2016

Auto und Alter vertragen sich nicht immer. Senioren sollten ihre eigene Tauglichkeit für den Straßenverkehr kritisch hinterfragen und die Konsequenzen ziehen. Das rät Mate Moré von der Verkehrswacht in seinen Vorträgen.
Mate Moré. Foto: Carmen Schwind


Senioren sind mobil. Sie sind als Auto- oder Fahrradfahrer, zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Die ältere Generation nimmt aktiv am Verkehr teil. Doch Mate Moré von der Verkehrswacht Bayern bringt seine Zuhörer bei seinen Präsentationen zum Nachdenken, denn er zeigt auf, dass bei der Verkehrsteilnahme der Faktor Alter kein unerheblicher ist.

"Das Alter wird nicht nur vom Kalender bestimmt, sondern ist auch ein biologisches, ein soziales und ein psychologisches Thema", erklärt Moré in seinen Vorträgen wie beim Seniorentreffen im November in Hausen.

In seiner Praxis müsse er oft Gutachten erstellen und ältere Herrschaften überprüfen. "Erst vor Kurzem bin ich mit einer 83-jährigen Dame gefahren, die das noch richtig gut gemacht hat.

Ein 75-Jähriger dagegen hatte große Probleme", erzählt Moré. Ein Führerschein sei ein Stück Lebensqualität, an dem man hängt. Doch solle man auch auf Freunde und Familienangehörige hören, die einen auf einen veränderten Fahrstil aufmerksam machen.


Rekordverdächtig: 17 Unfälle

Moré berichtet, dass er von einem Bekannten gefragt worden sei, was dieser machen könne, denn sein Schwiegervater hatte gerade den 17. Unfall gebaut, weil er Augenprobleme habe. "Der Arzt ist an seine Schweigepflicht gebunden und laut Gesetz darf er fahren, bis etwas Schlimmes passiert. Ich konnte meinem Bekannten nur sagen, dass er den Schwiegervater beim Landratsamt melden könne. Was er aber nicht getan hat."

Der eine hat beim Fahren in der Dämmerung zunehmend Probleme, der andere empfindet den wachsenden Verkehr als Belastung. Überall sei nachzulesen, dass die Leistungsfähigkeit des Körpers nachlässt - im Alter sei das auch zu spüren. Beispielsweise das schwindende Seevermögen. Hier empfiehlt Moré regelmäßige Sehtests, denn die Probleme würden sich einschleichen, so dass sie vielleicht gar nicht bermerkt werden.


Vielleicht auf Automatik umsteigen?

Auch der Blickwinkel würde sich reduzieren und die Dämmerungsschärfe sei eingeschränkt. Kommt nachts ein Auto entgegen, fühlen sich ältere Menschen stärker geblendet. Zudem ist das Hörvermögen nicht mehr so gut. "Die Reaktion der älteren Fahrer lässt nach, genauso wie die Konzentrationsfähigkeit. Die motorische Koordination ist verzögert und die Stressanfälligkeit größer", erklärt Moré. Deshalb sollten Senioren überlegen, auf Automatikgetriebe umzusteigen.

Nicht zu unterschätzen sei auch die erhöhte Medikamenteneinnahme. Durch Nebenwirkungen können verschiedene Gefährdungen auftreten. "Rund 20 Prozent aller Medikamente beeinträchtigen die Fahrtüchtigkeit. Sollte bei einem Unfall nachgewiesen werden können, dass der Verursacher ein solches Medikament eingenommen hat, verliert er den Versicherungsschutz", warnt Moré. Selbst Hustensaft oder Nasentropfen können sich negativ auf die Fahrtüchtigkeit auswirken.



Medikamente und ihrer verkehrsrelevanten Wirkung

Zusammengestellt vom ADAC:
Analgetika (Schmerzmittel): Häufig Kombinationspräparate mit anregenden oder beruhigenden
Substanzen.
Antiallergika (Mittel gegen Allergien): Neuere Präparate sind mittlerweile beinahe nebenwirkungsfrei (z. B. Cetirizin, Loratadin). Im Einzelfall können aber auch sie müde machen und/oder das Seh- und Reaktionsvermögen herabsetzen.
Antiasthmatika (gegen Asthma): Insbesondere bei höherer Dosierung kann die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr beeinträchtigt werden.
Antibiotika (gegen Infektionskrankheiten durch Bakterien): Das Auftreten einer Kurzsichtigkeit (Myopie) oder einer akuten Psychose ist denkbar, tritt jedoch sehr selten auf.
Antidiabetika (Mittel gegen Diabetes): Erhöhtes Risiko durch Unterzuckerung (Hypoglykämie) vor allem in Phasen der Neueinstellung und Umstellung.
Antiepileptika (Mittel gegen Epilepsie): Die Medikamente können je nach Dosierung und körperlicher Verfassung stark beruhigend wirken und müde machen.
Antihistaminika (heben Wirkung des körpereigenen Histamins auf): Auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch können Reaktions- und Wahrnehmungsvermögen durch mehr oder weniger ausgeprägte Sedierung
negativ beeinträchtigt werden.
Antihypertensiva (Mittel gegen Bluthochdruck): Achtung: In Kombination mit Alkohol kann ein Kreislaufkollaps drohen! Zu Therapiebeginn ausgeprägter Blutdruckabfall möglich. Alle Betarezeptorenblocker können die Reaktionsfähigkeit herabsetzen.
Nichtsteroidales Antirheumatikum (Schmerzmittel wie Diclofenac): Müdigkeit, Schwindel, Überempfindlichkeits- oder allergische Reaktionen, wie z. B. Atemwegsverkrampfungen und Blutdruckabfall bis hin zur Schockreaktion sind möglich.
Anorektika (Appetitzügler): Puls- und Blutdruckerhöhungen sind möglich.
Erkältungsmittel: Machen oft müde.
Koronarmittel (Herzmittel): Beeinträchtigung des Reaktionsvermögens auch bei sachgemäßer
Anwendung möglich. In verstärktem Maß bei Behandlungsbeginn Abnahme des Reaktionsvermögens.
Magen-Darm-Mittel: Beeinträchtigung des Reaktionsvermögens auch bei sachgemäßer Anwendung möglich.
Narkotika: Risikoerhöhung durch zum Teil unterschiedliche Halbwertszeiten und länger anhaltende Beeinträchtigung psychomotorischer Funktionen. Nach ambulanten Operationen gilt ein 24-stündiges Fahrverbot!
Ophthalmika (Augenheilmittel): Störungen der Akkomodation, erhöhte Blendempfindlichkeit und/oder
Abnahme des Sehvermögens.
Psychopharmaka: Dämpfung, Antriebsminderung, Störungen von Psychomotorik und Koordination können die Fahrtauglichkeit einschränken. Antidepressiva können vor allem bei Therapiebeginn und hoher Dosierung Nebenwirkungen hervorrufen, wie Kreislaufbeschwerden.
Sedativa, Hypnotika (Beruhigungs-, Schlafmittel): Achtung: Einige wirken auch noch am nächsten Tag! Gefährdung durch lange Halbwertszeiten, verbunden mit Anreicherung im Körper: Auswirkung auf psychomotorische Funktionen.
Stimulantien (Aufputschmittel wie Coffein): Häufig in Grippemitteln enthalten! Stimulantien führen nur kurzfristig zu einer Verbesserung der subjektiv empfundenen Fitness. Man fährt risikofreudiger, gefährliche Situationen werden oft unterschätzt; danach große Müdigkeit.