Druckartikel: Weißenoher und Igensdorfer protestieren gegen Völkermord

Weißenoher und Igensdorfer protestieren gegen Völkermord


Autor: Petra Malbrich

Weißenohe, Sonntag, 12. April 2015

Weltweit fanden vom 9. April bis 11. April Aktionstage statt, um auf den Völkermord an den Hazaras durch die Taliban und aufmerksam zu machen. Auch der 20-jährige Mustafa ruft mit seinen deutschen Freunden aus Weißenohe und Igensdorf auf, den Völkermord auf die Hazaras zu beenden.
Mustafa (vorne, grünes T-Shirt) ist nicht der einzige, der auf den Völkermord der Hazaras aufmerksam machen will. Fotos: Petra Malbrich


"Ich bin Hazara, hört auf uns zu töten", "Hört auf Hazaras zu entführen", "UN wach auf!", steht auf den selbstbedruckten Blättern, die der 20-jährige Mustafa und seine deutschen Freunde in Weißenohe neben der alten Turnhalle in die Höhe halten. Weltweit fanden diese Aktionstage der Hazaras statt.

Auch Mustafa möchte sich daran beteiligen, um auf den Völkermord durch die Taliban und die ISIS aufmerksam zu machen. Alles, was er erzählt, hat er mit eigenen Augen gesehen. Nur die Entführung der 30 Hazara durch die Taliban am 20. Februar auf ihrem Weg nach Kabul erfährt er durch die Medien. Zwei Busse wurden angehalten und die Hazara festgehalten. Zwei davon wurden bereits ermordet aufgefunden. Weder Militär noch Polizei machen Anstalten, diese Menschen zu befreien. Am 17. März wurden ebenfalls sechs Hazara entführt. "Auch in Pakistan, wo die größte Exilgemeinde in Quetta angesiedelt ist, werden ständig Attentate auf Hazara ausgeübt. Seit Januar 2013 wurden elf Terroranschläge auf schiitische Hazara verübt", erklärt Mustafa.

Neben dem jüngsten Selbstmordattentat am 30. Juni in Quetta und den Autobombenanschlägen vom 12. Januar, 16. Februar und 23. April zählte ein Selbstmordanschlag auf eine Moschee in der Stadt Hangu am 1. Februar zu den schlimmsten Übergriffen auf die Minderheit. Dabei wurden 22 Schiiten getötet. Seine Familie, die inzwischen in Pakistan lebt, berichtet ihm von diesen Zuständen.

Mustafa kommt aus Afghanistan, ist illegal nach Deutschland gereist. Er ist ein Hazara, ein Volk wie die Türken beispielsweise, erklärt Mustafa. Er spricht gut Deutsch, lernt die Sprache mit einem pensionierten Gymnasiallehrer. "Die Hazaras sind in Afghanistan in Gefahr. Von den Taliban und den ISIS werden sie getötet. Männern, Frauen, Kinder, sie werden erschossen oder man schneidet ihnen die Kehle durch", erzählt Mustafa. Behsud heißt der Ort aus dem er kommt. Nach Sabul, das rund zwei Stunden von Kabul entfernt liegt, werden viele Hazaras entführt. "Dort sind viele von der Regierung. Die Regierung arbeitet mit den Taliban", erklärt Mustafa mutig. Die Menschen, die seine Aktion unterstützen blicken besorgt zu dem jungen Mann. Doch er bleibt bei dieser Aussage, wiederholt sie bestimmt und zeigt zugleich, warum es in seiner Heimat so unsicher und gefährlich ist. Diesen Völkermord haben er, seine Mutter und seine Geschwister oft mit eigenen Augen erlebt. Der Vater lebt nicht mehr.

Asyl in Schweden abgelehnt


Mustafa ist der älteste Sohn der Familie. "Meine Mutter sagt, ich solle gehen", erzählt er. Seine Heimat verließ er mit einigen Klamotten in seinem Rucksack. Zu Fuß, mit dem Auto und Bus oder auf einem Esel an der Grenze der Türkei und dem Iran flüchtet der junge Mann, bis er in Schweden um Asyl bat. "Das wurde abgelehnt. Ich soll mich zu Hause an die Regierung wenden. Doch die Regierung arbeitet mit den Taliban", erzählt Mustafa, ein wenig verzweifelt, weil das für viele Menschen unvorstellbar ist.

Illegal ging er weiter, nach Deutschland, fuhr mit dem Zug nach München und beantragte dort Asyl. Ich brauche Hilfe, erklärte er den Mitarbeitern der Behörden. Zwei Wochen lebte er dann in der bayerischen Hauptstadt in einem Asylheim. Acht bis neun Leute lebten dort in einem Zimmer. Nach zwei Wochen erhielt er einen Brief, er müsse nach Hessdorf, in ein Hotel. "Das entschied nicht ich. Das macht das Landratsamt", erklärt er, fast entschuldigend, weil er in einem Hotel untergebracht wurde.

Einige Monate später durfte er in ein Zimmer in Eschenau einziehen. Dort ist heute noch sein Wohnsitz. Aber es ist laut. Die Leute, die anderen Asylbewerber, sind so laut, dass Mustafa oft nicht einschlafen kann.


Berufswunsch: Automechaniker

"Ich lerne Deutsch und Mathematik und möchte dann eine Ausbildung als Automechaniker machen", erklärt der junge Mann seine Pläne. Da fühlt er sich gut, besonders bei der Familie, die er kennengelernt hat. Bei ihnen hat er Anschluss gefunden. Nur gibt es auch die andere Seite, die Unsicherheit, die in ihm nagt. "Ich habe bis jetzt noch kein Gespräch gehabt", sagt er. In diesem Gespräch mit den Verantwortlichen im Landratsamt, würde er gesagt kriegen, ob er bleiben darf. Bei diesen Gedanken wird auch den Menschen aus Eckental, Stöckach oder Weißenohe ganz mulmig. Eine Ablehnung des Asylantrags ist für sie unvorstellbar. Nicht nach allem, was Mustafa erlebt hat, was man aus den Medien kennt und was seine Familie erzählt, mit der er telefoniert. "Die Hazaras trauen sich wegen der Taliban nicht vom Dorf in die Stadt fahren"; erklärt er und nimmt wieder demonstrativ das selbst gefertigte Blatt in die Hand, mit dem Aufruf, den Hazaras zu helfen, sie frei zu lassen, nicht länger wegzuschauen.