Vor 80 Jahren: als der nationalsozialistische Mob in der Region Forchheim tobte
Autor: Redaktion, Manfred Franze
Forchheim, Donnerstag, 08. November 2018
Vor 80 Jahren tobte der nationalsozialistische Mob auch in der Region. Neben Forchheim war Ermreuth Ort schwerster antijüdischer Ausschreitungen.
Der 9. November ist in der deutschen Geschichte ein denkwürdiger Tag: Ausrufung der Republik 1918, Hitlerputsch 1923, Reichpogromnacht 1938 und innerdeutsche Grenzöffnung 1989. Meistens waren Berlin und München die zentralen Schauplätze dieser historischen Ereignisse. Ausnahme war nur die nationalsozialistische Hetzjagd auf die Juden vom 9. auf den 10. November 1938, bei der in ganz Deutschland über 1300 Menschern ermordet oder in den Selbstmord getrieben, an die 1400 Synagogen und Gebetshäuser sowie Tausende von jüdischen Geschäften und Wohnungen zerstört wurden. In der Region tobte der nationalsozialistische Mob in Forchheim, Pretzfeld, Hagenbach, Wannbach, Ermreuth und Aufseß.
In Forchheim zerstörten die Nazis Geschäfte und Wohnungen entlang der Nürnberger Straße, der Hauptstraße, am Paradeplatz, in der Vogelgasse, in der Kloster- und Eisenbahnstraße sowie der Zweibrückenstraße.
Polizei schaut zu
Die Polizei schaute tatenlos zu, wie mit Leitern und Holzlatten Türen, Schaufenster und Glasscheiben zerschlagen wurden. Die jüdischen Bewohner wurden aus dem Schlaf gerissen, geschlagen und auf die Polizeiwache getrieben. Die offen stehenden Wohnungen wurden geplündert, Wertgegenstände geraubt und Beutegut zum Teil mit Handwägen abtransportiert.
Kommando aus Nürnberg
Am 10. November sprengte ein eigens aus Nürnberg herbeigeholtes Kommando die Synagoge in der Wiesentstraße - in Gegenwart vieler Zuschauer, die das Spektakel aus sicherer Distanz verfolgten. Die Trümmer mussten anschließend die in der Nacht verhafteten jüdischen Männer - darunter auch ein zwölfjähriger Junge - vor den Augen der Schaulustigen auf einen Wagen laden. Dann wurden die Männer ins Gefängnis zurückgebracht und am nächsten Tag ins Konzentrationslager Dachau abtransportiert.
Weil in Pretzfeld das Schloss jüdischen Eigentümern gehörte, die in England lebten, wurden alle 73 Fenster eingeworfen, zwölf Barocköfen zerschlagen, Gemälde geraubt oder verwüstet und der Weinkeller geplündert. In Hagenbach entging die Synagoge, die gar nicht mehr in jüdischem Besitz war, der Zerstörung, weil der Bürgermeister befürchtete, der Brand könne auf benachbarte Häuser übergreifen. Dafür wurden die Einrichtungsgegenstände herausgerissen, weggefahren und auf einem freien Platz verbrannt. Die drei hier noch lebenden jüdischen Familien Mai, Seiferheld und Pretsfelder wurden verhaftet und auf einem offenen Lastwagen abtransportiert.
Neben Forchheim war Ermreuth Ort schwerster antijüdischer Ausschreitungen. Hier wurde die Synagoge schwer beschädigt und ein jüdischer Bürger vom NSDAP-Ortsgruppenleiter so brutal misshandelt, dass er an seinen Verletzungen starb.
Die Ausschreitungen in Aufseß dokumentiert der "Lagebericht" des örtlichen Polizisten vom 25. November 938 an das Bezirksamt Ebermannstadt (vgl. nebenstehend). Nach Meinung des Aufseßer Polizisten wie auch seines Kollegen in Muggendorf (Bericht vom 26. November) stießen die antijüdischen Gewaltaktionen bei der Mehrheit der Bevölkerung auf Ablehnung. "Wiederholt" sei schon gefragt worden, "ob die an der Aktion beteiligten Personen auch der Bestrafung zugeführt" würden. Das war natürlich nicht der Fall. Die Polizei hatte die ausdrückliche Anordnung, nicht einzugreifen.