Druckartikel: Vögel gegen den Wind

Vögel gegen den Wind


Autor: Nikolas Pelke

, Samstag, 25. August 2012

Windkraft-Gegner mutieren zu Hobby-Ornithologen. Denn wo seltene Vögel wohnen, können neue Windräder verhindert werden.
Wer in der Nähe des Rotmilans einen Windpark bauen will, hat weniger gute Karten. Auch Uhus und Fledermäuse könnten zum Ausschlusskriterium für     Investitionsvorhaben  in Sachen Windenergie in der Fränkischen Schweiz werden.  Illustration: Klaus Heim


Ohne seine Kamera geht der Bauer heute nicht mehr aufs Feld. "Ich hab' den Rotmilan ein paar Mal gesehen, als ich mit dem Traktor auf meinen Feldern unterwegs war. Aber ein gutes Foto ist mir leider noch nicht gelungen", erzählt Heinz Hofmann, Landwirt aus Thuisbrunn. Bevor er auf den Auslöser drücken konnte, war das große Tier mit den typischen rotbraunen Schwanzfedern meistens schon schnell davongeflogen.
Früher hat sich Hofmann mit dem Greifvogel nicht beschäftigt. "Ich habe immer gedacht, das sind Mäusebussarde." Aber seitdem die Planungen für neue Windkraftanlagen (WKA) im nahen Kasberg bei Gräfenberg immer konkreter werden, interessiert sich Heinz Hofmann brennend für die Ornithologie. Und für die Fotografie. Schließlich könnte ihm der seltene Greifvogel dabei helfen, einen Windpark in Kasberg zu verhindern.
In Hetzles können sie ein Lied davon singen. Nicht vom Roten Milan, aber vom Uhu. Eine Vorrangfläche für Windkraft musste wieder aus dem Regionalplan gestrichen werden, weil ein Uhu-Pärchen dort sein Nest hat.
Christiane Odewald kennt diese Uhu-Geschichte aus Hetzles gut. Bei der Regionsbeauf tragten für Oberfranken-West liegen derzeit rund 1000 Anträge und Einwände zum vorläufigen Regionalplan-West auf dem Tisch. Jeden einzelnen muss die Geographin "sorgfältig" prüfen. Bis Anfang nächsten Jahres will sie das schaffen. Das endgültige Raumkonzept soll erst 2014 verabschiedet werden. Vorher haben nochmal die Bürger das Wort. Und auch die Regierung von Oberfranken muss anschließend noch grünes Licht geben. Dann soll feststehen, wo der Wind im westlichen Oberfranken geerntet werden darf.
Mit diesem Aufwand wollen die beiden kreisfreien Städte, fünf Landkreise und 111 Gemeinden den Ausbau der Windenergie koordinieren und gleichzeitig die Planungssicherheit für Investoren erhöhen.

Schlagkräftige Argumente

Christiane Odewald erklärt das Prinzip des Regionalplans so: "In den ausgewiesenen Flächen haben die Investoren eine reelle Chance und eine gewisse Planungssicherheit." Außerhalb der ausgewiesenen Vorrangflächen für die Errichtung von Windkraftanlagen sind sämtliche Planungsvorhaben sowieso aussichtslos. Vollständige Planungssicherheit bietet aber auch der Regionalplan nicht. Jeder Bürger kann jederzeit gegen neue Windräder vor Gericht gehen. Ein schlagkräftiges Argument (wenn andere wie beispielsweise der Abstand zur nächsten Siedlung nicht stechen) sind dann besonders die Tiere.
Deshalb bewaffnen sich Windkraft-Gegner wie Heinz Hofmann mit einer Kamera. Bilder sagen eben auch Richtern oft mehr als tausend Worte. Warum der Landwirt aus Thuisbrunn gegen neue Windräder vor seiner Haustür ist? "Die Windräder würden wie ein Monster in unser Tal hereinschauen. Es kann mir keiner erzählen, dass das unsere Tourismus-Region attraktiver machen würde", sagt der Landwirt, dem für Feriengäste selber eine Ferienwohnung in Thuisbrunn anbietet.

Von Bubo bubo bis Milvus milvus

Ein Dilemma für Naturschützer wie Karsten Gees vom Landesbund für Vogelschutz. Schließlich befürworte er einerseits die Windenergie, andererseits würden Vögel und Fledermäuse durch die Rotoren regelrecht geschreddert. Gees verweist auf konkrete Zahlen. Eine Vogelwarte in Brandenburg hat die gefiederten Opfer der Kollisionen mit Windrädern systematisch erfasst. Mit erschreckenden Ergebnissen für den Rotmilan: In zehn Jahren seien dort 166 Greifvögel den Rotorblättern zum Opfer gefallen. Und je seltener die Vogelart, desto gravierender jeder einzelne Verlust. Dummerweise, so der Biologe vom Vogelschutzbund weiter, sucht der Rotmilan die Windräder gezielt auf. Der Greif hat es auf leichte Beute abgesehen. Während er andere Opfer der Rotoren fressen will, wird er selber schnell zum Opfer.
Diese Problematik hat auch die Bayerische Staatsregierung in ihrem Windenergieerlass vom Dezember 2011 berücksichtigt. Hier sind die kollisionsgefährdeten Vogelarten vom Bubo bubo (Uhu) bis zum Milvus milvus (Rotmilan) aufgelistet. Für jede Vogelart gelten Abstandsregelungen. Ein Uhu-Nest muss mindestens 1000 Meter von der WKA entfernt sein. Der Abstand zum Nahrungshabitat muss mindestens sechs Kilometer betragen. Gleiches gilt für den Rotmilan.
Das Problem: "Nichts ist in Beton gegossen. Eine Abwägung ist immer möglich", sagt Karsten Gees.

Geschützt, nicht gehäckselt

Mit den kollisionsgefährdeten Vögeln ist das Tauziehen um das Wohl und Wehe der Windkraft aber noch nicht zu Ende. Die Fledermaus will schließlich auch geschützt und nicht gehäckselt werden. Eine zusätzliche Problem-Spezies also für alle zukünftigen Windpark-Betreiber. Diese müssen - bevor die Windräder in den Himmel wachsen können - eine artenschutzrechtliche Untersuchung in Auftrag geben. Die kostet nicht nur, sondern dauert auch. Mindestens ein Jahr, in dem neben den Vögeln auch acht Fledermausarten vom Großen bis zum Kleinen Abendsegler beobachtet werden müssen.

Gier und Schlaflosigkeit

"In Kasberg gibt es nur wenig Fledermäuse", sagt Friedrich Oehme vom Bund Naturschutz in Forchheim. Kritisch seien allerdings Windräder in Waldnähe. Aus Sicht des Fledermauskenners gibt es aber eine akzeptable Kompromiss-Lösung. Die Windräder müssten bei wenig Wind (bei viel Wind fliegen Fledermäuse nicht) in der Dämmerung abgeschaltet werden. Das verringert freilich die Einnahmen durch den Wind. "Wenn man jedes laue Lüftchen ausnutzen will, muss man seine Windräder unter Umständen vielleicht lieber woanders aufstellen", sagt Oehme.
Das genau fürchtet Heinz Hofmann, der Landwirt mit der Kamera. Die Gier und die Goldgräberstimmung habe er schon in den Augen vieler gesehen. Schlafen habe er danach nicht mehr können. Und er ärgert sich, dass die Windparks überall "auf Teufel komm raus" durchgezogen werden sollen. Der Staat garantiere schließlich in den nächsten 20 Jahren die Einspeisevergütung für die Windpark-Betreiber. Die Zeche müssten die Bürger bezahlen.