Viele Asylbewerber machen sich falsche Hoffnungen
Autor: Ekkehard Roepert
Forchheim, Montag, 25. März 2013
50 Menschen leben in einem Forchheimer Wohnhaus, und fast alle von ihnen machen sich vergebliche Hoffnung auf Asyl in Deutschland. Die Initiative "Freund statt fremd" versucht, diesen Menschen zu helfen.
Der Vorhang ist zugezogen, neben dem Bett läuft ein kleiner Fernseher. Habib sitzt mit gefalteten Händen in dem kahlen Zimmer und erzählt mit leiser Stimme von seinem Leben. Seit über einem Jahr wartet er. Wie die meisten der 50 Menschen in dieser Forchheimer Unterkunft, ist der junge Mann aus Afghanistan zum Warten verdammt.
Habib ist 23 Jahre alt und ihm zuzuhören, ist schwer zu ertragen. Als er sechs Jahre alt war, wurde sein älterer Bruder ermordet und die Eltern flohen mit Habib in den Iran. Von hier floh er später weiter nach Deutschland.
Ein Zurück nach Afghanistan - für den 23-Jährigen undenkbar: "So viele Leute sind schon gestorben", sagt er. Seine Eltern leben weiter im iranischen Exil - unter schwierigsten Umständen.
Freund statt fremd
Die 27-Jährige hat vor zwei Jahren die Organisation "Freund statt fremd" gegründet. Auslöser war eine Reportage, die Filiz Penzkofer über vergammelte Essenspakete in einem Asylbewerberheim schreiben wollte. Als die Journalistin in das Heim kam, wurde sie aufgerüttelt: "Ich habe gemerkt, hier geht es um was ganz anderes."
Wer sich in die Geschichten der Asylbewerber vertieft, merkt schnell, dass es an fast allem fehlt. Obwohl die Forchheimer Unterkunft eine der besseren ist, weiß Penzkofer. Aber wenn es um Hilfestellungen im Alltag geht, sind die Menschen aus Afghanistan, Iran oder Tschetschenien auf sich gestellt. Da gibt es Menschen, die gerade mit ihren kranken Kindern in Deutschland gelandet sind und kein Wort Deutsch können. Da sind reihenweise von Folter und Flucht traumatisierte Bewohner, die Psychopharmaka nehmen müssen und den Beipackzettel nicht lesen können. Da sind junge Männer, die nach monatelanger Suche gerade einen Arbeitsplatz gefunden, ihre Arbeitsstelle dem Landratsamt gemeldete haben und sie nun wieder abgeben müssen; weil sich ein arbeitsloser EU-Bürger für die Stelle interessiert und gesetzlich bevorzugt ist.
Die Liste der gefragten Hilfestellungen im Alltag ist beinahe endlos. Es ist Mittwochnachmittag und Filiz Penzkofer geht von Tür zu Tür. Für Ali aus dem Iran hat sie einen Fußball mitgebracht. Ali wird seit neun Jahren geduldet. Er weigert sich, einen Pass seines Heimatlandes zu beantragen, weil er mit einem gültigen Pass sofort ausgewiesen würde. Afghanistan gilt in der deutschen Asylpolitik für junge Männer als zumutbar. "Familien werden eher geschützt, aber die jungen Männer müssen zurückkehren, obwohl es für viele das sichere Todesurteil ist", weiß Filiz Penzkofer.
Weigerung und Strafe
Und weil sich Ali weigert, einen Pass zu beantragen, um nicht abgeschoben zu werden, wird er seit Jahren bestraft. Er darf zwar sein Zimmer in der Unterkunft behalten, aber er erhält keine Kleidergutscheine mehr und kein Taschengeld. Gleichzeitig ist er ehrenamtlich für Forchheimer Sport-Vereine aktiv, betreut Fußball spielende Asyl-Kinder oder lehrt sie im Ringen. Wie viele Asylbewerber sei Ali aktiv - "wird aber passiv gehalten", beklagt Penzkofer. "Das ist Teil der Asylpolitik, man möchte nicht, dass die Leute hier Wurzeln schlagen."
Wurzeln schlagen in Deutschland würden gerne auch das Ehepaar Masume (26) und Hussein (33) mit ihren vier Kindern. Von der Flucht und den "schlimmen Erlebnissen mit den Taliban" erzählt Masume. Ihr Schwiegervater wurde ermordet.
Die Mutter von vier Kindern lernt Deutsch, ihr Mann hatte zeitweise Arbeit, aber die Umstände ihres Forchheimer Aufenthaltes sind beklemmend. Nicht weil die sechsköpfige Familie in zwei Zimmern lebt; sondern weil nächstes Jahr die internationalen Truppen aus Afghanistan abgezogen werden. "Dann werden wahrscheinlich auch die Familien zurückkehren müssen", sagt Filiz Penzkofer.
Angesichts der Bedrohung der meisten Asylbewerber ist die junge Frau frustriert, "wenn diese Menschen als Schmarotzer bezeichnet werden". Andererseits ist Penzkofer überzeugt: "Ganz viele Leute wissen nicht, wie es aussieht , sonst würden sie helfen."