Veronika Sipple hilft die Sprache der Pferde zu verstehen
Autor: Sabrina Friedrich
Heroldsbach, Freitag, 15. August 2014
Veronika Sipple will auf ihren Pferden nicht nur reiten, sondern sie auch verstehen. In ihren Kursen lehrt die Heroldsbacherin einen bewussteren Umgang mit den Tieren.
Buckeln, zwicken oder ausschlagen - dass Pferde ihre Besitzer mit diesen Eskapaden nicht ärgern wollen, sondern zeigen, dass etwas falsch läuft, ist wohl den wenigsten bewusst.
Die 31-jährige Heroldsbacherin Veronika Sipple will Reitern mit ihrem Konzept des Sinnreitens helfen, ihre Tiere besser zu verstehen und ihnen den Umgang miteinander erleichtern.
Welche Beziehung haben Sie zu Ihren Pferden?
Veronika Sipple: Meine Vollblutaraber-Stute Fairuz ist mein Seelenpferd, ich kann ihr blind vertrauen. Wenn ich auf die Koppel komme, weiß ich sofort, was sie denkt. Unsere vielen Wettkämpfe haben uns eng zusammengeschweißt. Mein Wallach Bogie war traumatisiert, als ich ihn bekommen habe. Er hat mich viel gelehrt, vor allem Bescheidenheit.
Warum?
Er war meine härteste Prüfung und ich bin oft an ihm verzweifelt.
Und dann wird geschmollt?
Nein, es ist wichtig, fair zu bleiben. Wenn mich ein Pferd zwickt, kann ich ihm auch zeigen, dass ich das nicht okay finde. Ich muss ihm Grenzen aufzeigen und konsequent bleiben. Gleichzeitig muss ich aber richtiges Verhalten auch belohnen. Die Tiere sind genauso an einem harmonischen Verhältnis interessiert. Wenn der Hund der treuste Freund des Menschen ist, dann ist das Pferd mindestens der zweittreuste.
Was genau ist denn Sinnreiten?
Ein einzigartiges Konzept, das sich an verschiedenen Trainingsmethoden orientiert. Ich besuche zum Beispiel viele Seminare von Kollegen, um mir neue Anregungen zu holen und dazuzulernen. Wer einen festen Standpunkt hat, hat auch einen begrenzten Horizont. Ich will wachsen, zum Nachdenken angeregt werden und Spaß am Training haben.
Warum ist Reiten oft mit Problemen verbunden?
Ein Pferd ohne Reiter kann sich wunderbar fortbewegen. Die Probleme fangen erst an, wenn einer draufsitzt (lacht). Menschen kommunizieren verbal, Pferde aber zu 80 Prozent über Körpersprache - da kann es leicht zu Missverständnissen kommen.
Zum Beispiel?
Wenn die Unterlippe eines Pferdes hart wird, ist es angespannt und baut Druck auf. Jedes Pferd der Welt versteht dieses Signal, Menschen bemerken es oft aber gar nicht.
Und da kommen Sie ins Spiel?
Genau. Ich helfe den Menschen, die Tiere zu lesen, ihre Sprache zu lernen und ihre Signale zu erkennen. Wenn man es genau nimmt, lernen die Leute bei mir das Sehen. Was der Mensch denkt oder fühlt, trägt er nach außen und das überträgt sich auch auf das Pferd. Deswegen rate ich den Leuten immer, nach einem stressigen Tag in der Arbeit, der am besten noch im Stau endet, keine neue Lektion mit dem Pferd lernen zu wollen.
Weshalb?
Es entstehen Missverständnisse und im schlimmsten Fall Unfälle. Sie sollen lieber etwas machen, was ihnen Spaß macht und sie ablenkt - und wenn es auch nur etwas Kuscheln oder Putzen ist.
Bei welchen Sorgen helfen Sie den Reitern noch?
Ich unterstütze sie beim Beritt oder wenn es darum geht, Korrekturen am Pferd vorzunehmen. Oft kommen aber auch Leute nach einem Sturz, die ihre Sicherheit beim Reiten zurückgewinnen wollen. Das ist enorm wichtig für das Verhältnis zwischen Mensch und Tier. Kein Pferd der Welt will dir absichtlich wehtun. Ein Sturz ist für das Pferd genauso traumatisch wie für den Reiter.
Was wollen Sie erreichen?
Die Menschen sollen in kleinen Schritten die Motivation am Reiten wiederfinden, auch wenn das manchmal harte Arbeit ist. Ich bin kein Wunderheiler, sondern zeige meinen Klienten neue Wege auf. Acht Jahre Ausbildung kann man in fünf Minuten kaputt machen. Wenn man in eine Sackgasse kommt, muss man eben umdrehen, statt mit Gewalt weiterkommen zu wollen. Anfänger bekommen bei mir auch keine Hilfsmittel wie Gerte oder Sporen. Man muss wissen, wie man mit diesen Waffen umgehen muss. Man würde ja auch keinen Fahranfänger am zweiten Tag mit einem Porsche auf die A 3 schicken und sagen "Mach mal! Viel Glück!"
Was ist Ihnen besonders wichtig?
Dass es um die innere Seite des Menschen geht, dass er umdenkt und verantwortungsvoller mit seinem Pferd umgeht. Er soll es in seiner Ganzheit und mit all seinen Bedürfnissen verstehen lernen und auch mal offen für Neues sein, wie zum Beispiel Akupressur oder Osteopathie. Pferdesport ist nicht nur Reiten allein, sondern auch das Ausein-andersetzen mit einem anderen Lebewesen.
Also liegt das Augenmerk eigentlich mehr auf dem Reiter als auf dem Pferd?
Meine Kunden melden sich bei mir und schildern mir das Problem. Ich fahre dann zu ihnen und mache mir ein Bild von der Lage. In ihrem natürlichen Umfeld kann ich Pferd und Reiter am besten beurteilen. Ich sehe zunächst nur zu und mache hinterher Vorschläge, was man anders machen kann. 90 Prozent hören mit dem Reiten deshalb wieder auf, weil eine gute Betreuung oft fehlt. Deswegen mache ich nur Einzelstunden, um den Druck von außen möglichst gering zu halten.
Was ist ein großer Fehler, den Reiter immer wieder machen?
Sie kaufen sich das falsche Pferd. Viele haben schon eine feste Vorstellung im Kopf, wollen zum Beispiel einen Rappen, doch auf einer Farbe allein kann man nicht reiten. Es ist enorm wichtig, dass das Pferd charakterlich zu einem passt. Schließlich ist es ein Partner, der einen im besten Fall über Jahrzehnte begleiten und nicht nach zwei Wochen bei den Kleinanzeigen landen soll. Deswegen berate ich meine Klienten auch beim Kauf und Verkauf.
Sie bringen den Menschen unheimlich viel bei - gibt es auch etwas, das Sie selbst noch lernen wollen?
Es gibt immer wieder etwas Neues, man lernt ja nie aus. Gerade beschäftige ich mich mit der Methode von Linda Tellington-Jones, die auf Massagen und dem Lösen von Muskelblockaden basiert. Außerdem mache ich bald ein Praktikum bei Bernd Hackl (bekannt aus der TV-Sendung "Die Pferdeprofis", Anm. d. Red.).
Was waren die bisher schönsten Erfahrungen im Zusammenhang mit Sinnreiten?
Die Fortschritte, die Bogie gemacht hat, waren sehr bedeutsam für mich. Zu sehen, wie er sich von einem ängstlichen zu einem souveränen Geländepferd entwickelt, war einmalig. Es ist immer schön, wenn die Arbeit Früchte trägt. Auch mein erster Distanzritt mit Fairuz war ein unvergessliches Erlebnis. Es ist wichtig, sich auf seine eigenen Fortschritte zu konzentrieren und sich nicht ständig mit anderen zu vergleichen.
Mit Ihrem Konzept helfen Sie Reitern seit über zwei Jahren. Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich will den Menschen die Freude am Reiten zurückgeben. Ich arbeite nicht nur gern mit Pferden, sondern auch mit Menschen, die ich weiterhin inspirieren möchte. Wenn dein Herz für etwas brennt, musst du es machen - mit allen Höhen und Tiefen.
Das Gespräch führte Sabrina Friedrich.