Thal: "Flüchtlinge wollen arbeiten"
Autor: Carmen Schwind
Forchheim, Donnerstag, 24. Sept. 2015
Alexander Thal vom Flüchtlingsrat wirft Deutschland vor, zu lange die Augen vor der Welt verschlossen zu haben.
"Die Leute wollen nicht weg. Überlegen Sie doch mal, warum Sie selbst von hier flüchten würden. Da müsste der Druck schon groß sein" - mit dieser Aussage brachte Referent Alexander Thal seine Zuhörer am Mittwochabend bei einer Informationsveranstaltung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zum Nachdenken.
Thal arbeitet für den Bayerischen Flüchtlingsrat, einer kleinen Menschenrechtsorganisation, die sich hauptsächlich über Mitgliedsbeiträge und Spenden finanziert. Normalerweise berät der Sozialpädagoge Flüchtlinge und ehrenamtliche Helfer.
50 Millionen auf der Flucht
Nach dem Vortrag machte er sich auch gleich auf den Weg nach Nürnberg, um sich wieder um die Flüchtlinge im Hungerstreik zu kümmern. Doch vorher informierte er die vom DGB eingeladenen Gäste über die aktuelle Situation und Regelungen in Europa, Deutschland und Bayern. "Derzeit sind etwa 50 Millionen Menschen auf der Flucht, die meisten im eigenen Land oder in Nachbarländern. Ein geringer Teil kommt nach Europa", erklärte Thal. Im Jahr 2014 hätten etwa 173 000 Menschen in Deutschland Asylanträge beantragt. Nach einem Tiefstand im Jahr 2007 mit etwa 19 000 Anträgen war die Tendenz steigend. 2010 beispielsweise waren es laut Thal etwa 41 000 Anträge gewesen. "Keiner hat da reagiert. Jetzt sind die Verwaltungen nicht vorbereitet und überfordert", so der Referent.
Die Prognose für dieses Jahr liegt bei 800 000 Asylanträgen. Das hält Thal für realistisch. Nach wie vor kommen die meisten Flüchtlinge aus Syrien, etwa 22 Prozent. Fast zehn Prozent sind aus Serbien und etwa sieben Prozent aus Eritrea.
Danach folgen Afghanistan, Albanien, Kosovo, Bosnien, Mazedonien, Somalia und Irak. "Aus Serbien kamen in diesem Jahr etwa 90 Prozent Roma", berichtete Thal. Der Referent monierte das "langwierige Verfahren", das sich Monate hinziehen kann, bis ein Flüchtiger überhaupt ins Asylverfahren kommt und es dann zu einer Anhörung kommt, in der entschieden wird, ob der Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis bekommt oder vorübergehend geduldet wird.
"In Nürnberg habe ich einen Flüchtling betreut, der seit 22 Jahren geduldet wird", sagte Alexander Thal. Die Quotenverteilung findet Thal ebenfalls nicht gut. Seiner Meinung nach sollten die Flüchtlinge, besonders Familien, sagen dürfen, wo sie hin wollen. So blieben sie zusammen und könnten in Gemeinden verteilt werden, in der sie vielleicht schon Angehörige oder Bekannte haben.
"Solidarität gefordert"
Der Politik warf der Referent vor, die Augen vor dem Problem verschlossen zu haben. "Nach dem Schengener Abkommen bewachen unsere Außengrenzstaaten die Grenzen, dafür gibt es keine Binnengrenzen. Die sind jetzt überfordert. Da ist jetzt von uns Solidarität eingefordert", sagte Thal.Durch seine Arbeit kennt Thal viele Gemeinschaftsunterkünfte und deren schlechten Zustand. "Die Leute möchten da raus, eine eigene Wohnung haben und arbeiten", erzählte er aus seiner Erfahrung. Dazu bräuchten sie Pässe. Und die bekämen sie nicht in ihrem Heimatland. "Äthiopien zum Beispiel will seine Leute nicht zurück", so Thal. Ein Zuhörer warf ein, dass manche Flüchtlinge ihre Pässe wegwerfen würden. Darauf antwortete Thal: "Das würde ich auch, wenn ich die Wahl zwischen Tod oder Flüchtlingsunterkunft in Deutschland hätte."