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Streit um Arbeitszeit beim ASB in Forchheim


Autor: Peter Groscurth

Forchheim, Montag, 02. Februar 2015

Der Arbeiter-Samariter-Bund Forchheim hat den Mitarbeitern des Fahrdienstes neue Verträge vorgelegt. Demnach wird die Fahrtzeit bis zum ersten Fahrgast nicht mehr vergütet. Der Deutsche Gewerkschafts-Bund hält die Kontrakte für unwirksam.
Die ASB-Fahrdienstflotte wartet in Forchheim auf Schüler. Foto: Josef Hofbauer


Macht der Mindestlohn die Schulbusfahrten des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) im Landkreis Forchheim teurer? So lautet zumindest die Argumentation von Geschäftsführer Wolfgang Caps und Fahrdienstleister Walter Horsch gegenüber dem Landratsamt. 20 000 Euro bekommt der ASB nun, um angebliche Finanzlücken bis Schuljahresende zu stopfen, die durch die Gewährung des Mindestlohns entstanden seien.

Dabei verschwieg die ASB-Führung dem Landratsamt aber wohl, dass alle Fahrer im November 2014 neue Arbeitsverträge (gültig ab 2015) unterschreiben mussten - mit weitreichenden negativen Folgen für die Mitarbeiter, wie nun ein Insider behauptet.


Einzelheiten der Verträge


Per Mail informierte er die FT-Redaktion über Einzelheiten der neuen Verträge. Dort sei vor allem Paragraph 1 abgeändert worden, der die Berechnung der Arbeitszeiten festlege. Dazu heißt es in dem Schreiben unter anderem: "Der ASB Forchheim ist ein Verein, der sich in seinem Namen mit den Samaritern verbindet. Doch diese Utopie finde ich echt zum Schreien."

Hintergrund, so der Insider: "Allen Fahrern wurden allen neue Verträge vorgelegt, die sie unterschreiben sollten, ansonsten wurde sofort mündlich gekündigt. Nach diesen neuen Verträgen gibt es eine Regelung, nach der die Fahrt zum ersten Fahrgast nicht bezahlt wird. Interessant wäre es, diese Tatsache mal einem Busfahrer der VAG (Verkehrs-Aktiengesellschaft Nürnberg, Anm. der Red.) oder eines anderen Bus-Unternehmens vorzulegen. Mal angenommen, ein Busfahrer soll eine Reisegruppe in Regensburg abholen und nach Bamberg fahren. Dort soll er dann vier Stunden auf sie warten und danach wieder zurückfahren. Somit würde er, wenn er in Forchheim startet, ohne Bezahlung nach Regensburg fahren, von dort die Fahrgäste Richtung Bamberg bringen, um dann vier Stunden ohne Bezahlung zu warten. Schließlich fährt er alle nach Hause, um unbezahlt zurückzufahren." Folgerung des Insiders: Der Fahrer bekommt nur drei Stunden bezahlt, obwohl er neun Stunden hinter dem Steuer verbracht hat.

Genau so verhalte es sich für die Fahrer des ASB Forchheim - vielleicht sogar noch schlimmer, mutmaßt der Informant. Denn: "Wohnt ein Arbeiter nun etwa in Buckenhofen und beginnt seine Tour in Gößweinstein, fährt er unbezahlt zum ersten Halt, sammelt alle Fahrgäste ein und bringt sie bis zur Schule, fährt anschließend zehn Minuten nach Hause (ohne Bezahlung), um am Nachmittag das in umgekehrter Reihenfolge zu wiederholen."


Nach der alten Regelung


Nach der alten Regelung habe der Fahrer bis 31. Dezember 2014 etwa 24,60 Euro am Tag bekommen und seit Januar aber nur noch 21,25 Euro. Ein harter Vorwurf gegenüber dem ASB.

Und wie reagiert der Verband darauf? Wolfgang Caps, Geschäftsführer des ASB Forchheim, ist sicher, dass die neuen Arbeitsverträge rechtskonform sind: "Wir haben das von Anwälten prüfen lassen, ob alle Aspekte auch wirklich arbeitsrechtlich in Ordnung sind. Andere ASB-Verbände haben wegen des Mindestlohns ihre Fahrdienste eingestellt, das wollten wir nicht tun. Wir wollen die Arbeitsplätze erhalten."

Aber warum kam es dann überhaupt zu der Abänderung der Arbeitsverträge beim Fahrdienst? Caps erklärt: "Wir waren in der Vergangenheit wohl eben etwas zu großzügig und mussten das nun neu regeln. Das war durch den Mindestlohn notwendig geworden."

Er versichert, dass kein Mitarbeiter des Fahrdienstes bezüglich des Gehalts oder seiner Arbeitsstunden schlechter gestellt sei als vor der neuen Regelungen. Ist der Streit nun nur ein Sturm im Wasserglas? Nach Auffassung des Deutschen Gewerkschafts-Bundes (DGB) keinesfalls, denn Verträge dieser Art seien unwirksam. Selbst wenn im Arbeitsvertrag Abweichendes vereinbart worden sein sollte: Ob eine Zeitspanne als Arbeitszeit gelte oder nicht, entschieden weder der Arbeitgeber noch die Arbeitsvertragsparteien, erläutert die DGB-Arbeitsrechts-Expertin Marta Böning.

Entscheidend sei die in Deutschland geltende Definition der Arbeitszeit. "Als Arbeitszeit ist demnach jede Zeitspanne zu verstehen, während der der Arbeitnehmer arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht, und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Irrelevant ist dagegen, ob der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin zur Erfüllung konkreter Aufgaben tatsächlich hinzugezogen werden", sagt Böning.


Vergütung je Zeitstunde


Und auch das Mindestlohngesetz sehe eine Vergütung je Zeitstunde an. Das bedeute, dass jede Stunde, die als Arbeitszeit gilt, zumindest mit 8,50 Euro vergütet werden müsse. Dass der Weg eines Busfahrers zum ersten Kunden ohnehin als Arbeitszeit gelte und zumindest mit dem Mindestlohnsatz vergütet werden müsse, stehe außer Frage, urteilt die Rechtsexpertin des DGB.

Ebenfalls mindestlohn-pflichtig sei zudem die Zeit, während der der Busfahrer zwischen den Fahrten auf die Passagiere wartet. Der DGB rät in solchen Fällen: "Stunden aufschreiben und gerichtlich geltend machen, wenn sich der Arbeitgeber weigern sollte, die gesamte Arbeitszeit (täglich von der Aufnahme der Tätigkeit bis zum Feierabend, Ruhepausen dürfen raus gerechnet werden) mit 8,50 Euro pro Zeitstunde zu vergüten. Gewerkschaftsmitglieder werden rechtlich unterstützt vom DGB-Rechtsschutz."