Stammzellen-Therapie rettete Matthias Reuß
Autor: Josef Hofbauer
Ebermannstadt, Dienstag, 13. Oktober 2015
Am Sonntag, 18. Oktober, findet in Heroldsbach (Kreis Forchheim) eine Typisierung für den an Lymphknotenkrebs erkrankten Mirco (13) statt. Der Ebermannstadter Matthias Reuß (48) hat eine Stammzellen-Therapie hinter sich. "Bisher ging alles gut", erzählt er.
Die Diagnose Leukämie war ein Zufallsbefund, bekennt Matthias Reuß. "An Ostern 2012 hatten mich Windpocken ans Bett gefesselt. Als ich erstmals wieder Hunger hatte, bin ich in der Küche so schwer gestürzt, dass ich mir einen Rippenwirbel drei Mal gebrochen habe", berichtet er. Inoperabel, wie es hieß.
Diese Wartezeit nutzte Matthias Reuß, um sich nach Alternativen umzuhören. Er landete in der Unfallchirurgie der Uni-Klinik Regensburg. Dort wurde er operiert. Erfolgreich. Am 9. Mai sollte er entlassen werden. Einen Tag vorher, am Geburtstag seiner Frau, kam der Stationsarzt mit der Schreckensdiagnose.
"Ich kann Sie morgen leider nicht entlassen", bedauerte der Mediziner, "Sie haben Leukämie. In einer Stunde kommen meine Kollegen, die besprechen die Einzelheiten mit Ihnen." Damit ließ er den 45-Jährigen allein. "Ich war wie gelähmt. Das war ein riesiger Schock", erinnert sich Matthias Reuß. Erst eine halbe Stunde später schaffte er es, seiner Frau Elke Frohwieser eine Mail zu schreiben. "Den Wortlaut weiß ich heute nicht mehr."
Auch Elke war völlig fassungslos. "Ich weiß nur noch, dass ich meinen Onkel angerufen und ihm mitgeteilt habe, dass Matthias nicht zur Reha kommen wird. Dann bin ich mit den Kindern nach Regensburg gefahren. Da war mein Mann schon im "Hochsicherheitstrakt" - dort, wo alle nur mit Mundschutz herumlaufen. Die Rede war von einer Chemotherapie, wobei die abgemagerten Patienten wenig vertrauenserweckend auf den Neuzugang und seine Frau wirkten.
Letzte Chance war Knochenmark
Nach zwei Zyklen war klar: Die Chemotherapie wirkte nicht wie sie sollte. "Das Blutbild war eine Katastrophe. Der letzte Rettungsanker war ein Stammzellen-Spender", erzählt Matthias Reuß, der sich 2001 selbst typisieren hatte lassen. "Eine Typisierungs-Aktion wurde angeleiert und ich durfte noch einmal nach Hause, um den vierten Geburtstag meiner Tochter zu feiern." Zurück in der Klinik begann das bange Warten. "Auch wenn die Chance, einen passenden Spender zu finden, bei 80 Prozent liegt, bleiben Zweifel", schildert Matthias Reuß seine Ängste. An den Tag, an dem die erlösende Nachricht kam, erinnert sich seine Frau ganz exakt. "Ich stand an der Waschmaschine im Keller, als das Telefon läutete. In bin die Treppe heraufgestürmt, als hätte ich die gute Nachricht geahnt", blickt sie zurück.
Beim Gespräch mit dem Chefarzt, der über die Risiken aufklärte, war davon nichts mehr übrig. Er riet dem Paar: "Bereiten sie sich auf den Todesfall vor."
"Viele, mit denen ich auf der Station lag, haben es nicht geschafft", erzählt der Familienvater, "denn bei der Knochenmarks-Transplantation wird das Immunsystem total heruntergefahren. Da die Körperpolizei außer Gefecht ist, kann der kleinste Schnupfen tödlich sein."
Starke Antibiotika
Deshalb bekommen die Patienten starke Antibiotika und nicht minder heftige Mittel gegen Pilze und Viren. Täglich wird ein Blutbild gemacht, um zu sehen, ob die Transplantation anschlägt, ob sich weiße Blutkörperchen bilden. Es kann aber auch sein, dass der Körper die neuen Stammzellen abstößt oder die Stammzellen die Organe des eigenen Körpers angreifen.'"Gott sei Dank konnte ich mit meiner Frau skypen. Mindestens zwei Mal pro Woche hat sie mich besucht. Was schwierig war, weil die Kinder nicht mit aufs Zimmer durften. Die Ansteckungsgefahr wäre viel zu hoch gewesen", bedauert Matthias Reuß. So blieben nur Video-Botschaften für Sophie und ihre Schwester Theresa. "Aber auch in dieser Zeit haben die Ärzte immer wieder betont, dass es ein Leben ohne meinen Mann geben kann", erklärt Elke Frohwieser.
49 Tage nach der Transplantation durfte ihr Mann nach Hause. Zwei Mal pro Woche musste er zur Kontrolle in die hämatologische Ambulanz - stets mit gepackten Koffern. Für alle Fälle.
Inzwischen muss er nur noch einmal im Vierteljahr zur Kontrolle. Doch mit Prognosen halten sich die Ärzte immer noch bedeckt. Elke Frohwieser klärt auf: "Selbst als ich voriges Jahr völlig unerwartet schwanger geworden bin, haben die Ärzte mir verdeutlicht, dass ich damit rechnen müsse, mit den drei Kindern allein dazustehen."
Zurück im Beruf
Glücklicherweise ist alles anders gekommen. Er kann wieder arbeiten. Bereits sieben Monate nach der Knochenmarks-Transplantation begann eine Wiedereingliederung. Vier Monate später arbeitete er Vollzeit. "Ich weiß, dass ich mein Leben noch einmal geschenkt bekommen habe. Wir erleben alles viel bewusster", unterstreicht Reuß, der wieder im Posaunenchor spielt. So hat die Knochenmarks-Transplantation die Familie verändert. Die Ängste sind zwar in den Hintergrund getreten, aber völlig weg sind sie nicht. Bei jeder Verschlechterung des Gesundheitszustandes wie etwa bei jener Lungenentzündung, die Matthias letztes Jahr über Nacht heimgesucht hat, wird die Sorge, das Immunsystem könnte versagen, übermächtig.
Auch Töchterchen Sophia hat die Krankheit ihres Vaters geprägt. "Ich will Notärztin werden, damit mein Papa nie mehr krank ist", erklärt die Siebenjährige. Theresa (4) pflichtet bei.
Außerdem hat die Familie bestimmte Verhaltensweisen, die nach der Transplantation lebenswichtig waren, beibehalten. Noch heute desinfizieren alle nach jedem Einkauf, immer wenn sie außer Haus waren, die Hände. Sicher ist sicher.
Matthias Reuß weiß, dass er viel Glück oder vielleicht einen besonders guten Schutzengel gehabt hat. Daher appelliert er an alle: "Gehen sie zur Typisierung! Leukämie muss heilbar werden; immer und bei jedem." Kaum einer weiß besser als er: Krebs kann jeden treffen - heute oder morgen.
Registrierungsaktion
Sonntag, 18. Oktober, 11 bis 16 Uhr, Hirtenbachhalle, Heroldsbach; Alter 17 und 55 Jahre
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DKMS-Spendenkonto IBAN DE98 7635 1040 0020 5252 42BIC BYLADEM1FOR
Stichwort: Mirco will leben!