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Städtebauförderung Forchheim: Im Gehen das Querdenken geübt


Autor: Pauline Lindner

Forchheim, Sonntag, 14. Mai 2017

Eine "Perlenkette an Beachtenswertem" galt es in Forchheim am Tag der Städtebauförderung zu entdecken.
Auf dem Weg von Ost nach West durch Forchheim bewiesen die Spaziergänger immer wieder auch einen kritischen Blick. Fotos: Ronald Rinklef


Der Teufel steckt im Detail. Das ist eine Binsenweisheit, aber sie bewahrheitete sich auch beim Bürgerrundgang "Querdenken" am Samstagvormittag. "Von alten Wegen weg, die Durchfahrtsrichtung verlassen", hatte Oberbürgermeister Uwe Kirschstein (SPD) bei der Eröffnung im Foyer des Stadtbauamts vorgegeben.

"Durch einen gemeinsamen Dialogprozess kommen gute Ideen", gab die Regierungspräsidentin Heidrun Piwernetz den Offiziellen und den interessierten Bürgern mit auf den Weg.


Perlenkette und Angelpunkt

Der Weg von Ost nach West, vom Bahnhof bis zur Kaiserpfalz, so auch der Amtsleiter René Franz, sollte eine "Perlenkette" an Beachtenswertem um den "Angelpunkt Paradeplatz" aufzeigen, aber auch den Gesichtspunkt "barrierefrei" im Auge behalten. Unvermeidlich war, dass die kleinen Mängel dabei immer wieder in den Vordergrund traten.

Erstes Manko, das vielen auffiel, war das fehlende Schild in Bahnhofsnähe, das den Weg zur Innenstadt und dem Paradeplatz weist. Schon beim Start stellte sich ein Denkfehler heraus, der Menschen, die durchschnittlich gut zu Fuß sind, gar nicht bewusst wird: "Das Gangtempo mancher Mitbürger ist aus verschiedenen Gründen niedriger, ohne dass sie auf Hilfsmittel wie Rollstühle oder Rollatoren angewiesen sind." Darauf wies besonders Anton Hammer, der VdK-Kreisvorsitzende hin.

Oder dass Hilfestellungen für Sehbehinderte wie die lenkenden Rillenstreifen an Straßenquerungen für Rollstuhl- oder Kinderwagenräder ein Hindernis sind, wenn die Querungsbreite gering ist, so dass sie sie nicht umfahren können. Wie an der Kreuzung an der Johanniskirche.


Gefährlicher Raum

"Sicher, aber nur gut gemeint", so der Tenor der Kommentare ein Stück stadteinwärts. Ganz bewusst ist die Gehwegführung entlang der Klosterstraße so angelegt, dass die Bushaltestelle über den Park angesteuert werden soll und nicht an der befahrenen Straßenseite. Doch dabei wurde unterschätzt, dass der durch eine Hecke umgrenzte Raum der Grünfläche auch - sicher nur ganz subjektiv - mit Gefahr verbunden wird.

Die Haltestelle selbst ist mit einem sogenannten Kasseler Bord darauf ausgerichtet, dass in die Busse planeben eingestiegen werden kann. Doch: Die Kante ist auf 18 Zentimeter ausgerichtet, die Busse senken auf 21 Zentimeter ab. Eine mit Rollstuhl nicht überwindbare Lücke. "Ein zweiter Punkt bei behindertengerechten Bushaltestellen ist die nötige Länge einer geraden Zufahrt", machte Stadtplaner Franz aufmerksam.


Klaffende Lücke

Auch wenn das Kasseler Bord durch seine Rundung ein "Entlangschleifen" der Reifen erlaubt, war es auch der zufällig ankommende Bus nicht richtig platziert, hätte die den Bürgerrundgang mitmachende Rollstuhlfahrerin dort einsteigen wollen. Bei der Vordertür klaffte keine Lücke, wohl aber hinten. Nur ein paar Zentimeter, aber unüberwindbar. Vorne kommt aber wegen des Einstiegsgeländers ein Rollstuhl nicht durch.

Nächster Halt: der provisorische Kreisverkehr vor dem Paradeplatz. Ein ältere Frau mit Rollator führte nichtsahnend die Probleme vor. Um auf ebenem Pflaster vom Marktplatz zum Café Schmitt zu kommen, nahm sie eine Diagonale, die in die Autofahrbahn hineinführte. Das war ihr wohl sicherer erschienen als das Queren mit Hilfe der kleinen abgesteckten Insel, denn auf diesem Weg wechselt mehrmals der Straßenbelag und ist dadurch holprig. Besonders aufmerksam verfolgte Werner Schaup die Aktion. Der Tiefbauchef der Stadt sieht die Probleme des Provisoriums sehr wohl und will ähnliche bei der endgültigen Gestaltung des Platzes vermeiden.
Nach einem Test der Bänke auf dem Paradeplatz steuerten die kritischen Stadt-Begeher auf verschiedenen Wegen den nächsten Höhe- und Diskussionspunkt, das Rathaus, an. Gerade dadurch fiel etwas auf: Das historische Gebäude, das durchaus mit Bauten in Straßburg verglichen werden darf, ist von keiner Seite über ebenen Straßenbelag zu erreichen.

Die schmalen Streifen entlang der Hauptstraße aus glatten Granitplatten reichen nicht aus, wenn die Innenstadt wie an diesem Samstag belebt ist und viele Menschen die Angebote der Gastronomie nutzen. Und die Seitengässchen sind mit einem scharfkantigem Kopfsteinpflaster belegt, das Radfahrer und leicht eingeschränkte Fußgänger ziemlich schmerzhaft zu spüren bekommen. Da nistet sich dann schon mal der Gedanke im Hinterkopf ein: "Was nützt mir der geplante Aufzug ins Rathausobergeschoss, wenn der Hin- und Rückweg sehr unangenehm ist."

Das gleiche rund um die Martinskirche oder durchs Nedergässchen zu der Grünfläche zwischen den zwei Stadtmauerringen. Es wäre unstreitig sehr schön, dieses idyllische Gelände zugänglich zu machen oder gar die Idee Dieter Georges amphitheaterartiger Zuschauerränge dort zu realisieren. Aber: Auch hier führen die möglichen Zugänge über die scharfkantige Pflasterung.


Kurzer Fotostopp

Ist das womöglich auch ein Grund, weshalb so viele Touristenbusse direkt zum Rathausplatz fahren und nur ein kurzer Fotostopp eingelegt wird? Stadttouristen ist häufig älter und deshalb unter Umständen schlechter zu Fuß. Das leckere Eis auf dem Weg vom Paradeplatz zum Rathaus, das ihnen gedanklich Stadtplaner Franz nahelegte, wiegt vielleicht nur zum Teil die Wegstreckenmühen auf. Und Busfahrer kennen ihre Pappenheimer.


Strand ohne Aufzug

Ziel war der Kaiserstrand. Der Blick auf die Altstadt ist fantastisch. Allerdings gibt es keinen Zugang für auf Hilfsmittel angewiesene Personen. Muss ein Aufzug her? Eine solche Forderung ist schlicht unsinnig, denn barrierefrei wäre das Gelände nur, wenn auch kein Sand geschüttet wäre.

Das war auch das Fazit des Rundgangs: Barrierefreiheit muss dort verwirklicht werden, wo Menschen hinmüssen, also zu Ämtern und Dienststellen, und öffentlichen Veranstaltungsräumen, um am Leben teilhaben zu können.

Dazu gehören sicher auch Ladeneingänge. Hier sollte einiges getan werden, fiel vielen der Rundgangteilnehmern immer wieder auf.