Die internationale Schlägerbande in Franken
Autor: Daniel Ruppert
Fürth, Mittwoch, 30. November 2016
Aus aller Welt pilgerten Sportler nach Fürth, um sich bei einer speziellen Weltmeisterschaft im Tischtennis, Badminton, Squash und Tennis zu messen.
Eine Tischtennis-Weltmeisterschaft ohne Timo Boll oder irgendeinen Chinesen? Ein internationaler Wettkampf im Tennis ohne Novak Djokovic und Angelique Kerber? Bei der Racketlon-WM im "Sportpark" in Fürth trafen sich nicht die Besten im Tennis, Tischtennis, Badminotn und Squash, sondern die Vielseitigsten über alle vier Sportarten hinweg. Denn die Teilnehmer an der 15. Einzelweltmeisterschaft des Internationalen Racketlon-Verbands FIR (Fédération Internationale de Racketlon) mussten sich in der Summe der vier Duelle durchsetzen, um eine Runde weiterzukommen und schließlich den Titel zu gewinnen.
Däne ist Weltmeister 2016
Der Weltmeister 2016, Jesper Ratzer, kommt aus Dänemark, wohin er mit 800 Euro Preisgeld zurückkehrte. "Das Prinzip entstand Ende der 80er Jahre in Skandinavien", erzählt Michael Eubel, der das Turnier organisiert und vor knapp neun Jahren den deutschen Racketlon-Verband (DRaV) ins Leben rief. "Genau an diesem Ort haben wir uns gegründet", erinnert sich der 47-Jährige, während er einen aufgrund des Pilotenstreiks bei der Lufthansa verspäteten Schweden auf Englisch beruhigt, er könne trotzdem noch ins Turnier einsteigen."Der Streik hat mich zwei Nächte gekostet", schimpft Eubel, der für 20 Akteure andere Matchpläne anfertigen musste. Bei 290 Spielern aus 32 Ländern sind die vier WM-Tage straff durchgetaktet. In 19 Klassen - von den U13-Junioren bis zu den Senioren über 65, von den Anfängern bis zur Elite - trat die "internationale Schlägerbande" gegeneinander an. Zunächst stehen sich zwei Kontrahenten im Tischtennis gegenüber. "Das Prinzip lautet vom kleinsten zum größten Schläger", erläutert Eubel. Zur besseren Vergleichbarkeit wird jeweils ein Durchgang bis 21 Punkte gespielt. Für die älteren "Plattensportler" also ein Sprung in die Vergangenheit, als ein Satz im Tischtennis offiziell noch bis 21 statt elf Zähler ging.
Nach fünf Minuten Verschnaufpause wechseln die Teilnehmer aufs Badminton-Feld nebenan. Zuzana Severinovás Schwachstelle. "Deswegen habe ich diese Sportart am meisten trainiert", sagt die Tschechin. Im kleinen Feld der U21-Frauen zahlt sich ihr Aufwand nicht aus. Unter fünf Starterinnen wird sie Dritte, nur ein Mal verließ die Prager Studentin den Badminton-Court als Siegerin. Doch die 18-Jährige ging zusätzlich in der Klasse B ins Rennen - und gewann. Nicht nur den Titel der "Amateur"-Weltmeisterin, sondern auch alle vier Badminton-Begegnungen.
Im Endspiel gegen die Niederländerin Anouk Dols durfte sie bereits nach dem Squashduell in der oberen Etage des "Sportparks" in Fürth (Am Schallerseck 35) feiern, da sie uneinholbar mit 3:0 führte. Das A-Finale der 16 besten Damen entschied die Österreicherin Christine Seehofer, die Severinová bei der U21 lediglich im Tennis unterlag, gegen die Deutsche Amke Fischer für sich. Immerhin 88 Teilnehmer waren weiblich. Insgesamt fanden von Donnerstag bis Sonntag 880 Begegnungen, also 3560 Spiele statt.
Einsteiger neben Spitzenspielern
Um Racketlon populärer zu machen, werden bei jeder WM Einsteiger-Klassen angeboten. Nach Eubels Wunsch sollen die "First Timer" irgendwann zu den 10 000 Sportlern gehören, die in Racketlon-Verbänden auf der Welt gemeldet sind. In Fürth machten von dieser Option lediglich die Männer Gebrauch. Im Endspiel behielt der Deutsche Andreas Mrazek gegen den Schweden Jörgen Ström die Oberhand.
Michael Eubel kommt vom Squash
Wie kommt man eigentlich dazu, an einer WM in vier Sportarten gleichzeitig teilzunehmen? "Die besten Racketlon-Spieler sind nie in einer Disziplin ganz gut", sagt Eubel, der mit Squash und Badminton groß wurde und sich erst später Fähigkeiten im Tennis und dessen Tischvariante aneignete. "Damals war ich 20 Jahre jünger und 20 Kilo leichter", sagt der 47-Jährige schmunzelnd, während er einem WM-Teilnehmer den Weg zu dessen Hotel beschreibt. Den Briten Fred Perry, der 1929 die Tischtennis-WM und fünf Jahre später drei Mal in Folge Wimbledon gewann, als Vorreiter des Racketlons zu bezeichnen, hält Eubel für etwas weit hergeholt. Vielmehr gab es Anfang der 90er Jahre in Finnland und Schweden die ersten Wettkämpfe. 2003 ging der Sport zum ersten Mal auf "World Tour". Inzwischen gibt es auch in Ghana, Neuseeland und Kanada Anhänger des jungen Trendsports.
Seit seiner Teilnahme an den Austrian Open im selben Jahr in Wien sei der gebürtige Kasseler vom Racketlon infiziert. Nach gut zehn Jahren Pionierarbeit will der zweifache Vater kürzer treten und sein Amt als Kassenwart im Deutschen Racketlon-Verband abgeben. Die Weltmeisterschaft in Fürth ist sozusagen sein Abschiedsgeschenk. "Das Feedback ist überwältigend gut", sagt Eubel, der etwa 100 Nachrichten von Teilnehmern erhielt und finanziell - wie geplant - eine Schwarze Null schrieb.
Nur noch Spieler und Zuschauer
"Natürlich bleibe ich dem Racketlon erhalten. Was anderes geht auch nicht, wenn einem dieser Sport ans Herz gewachsen ist. Nur nicht mehr als Funktionär, sondern als Zuschauer und Spieler", erklärt der Wahlfranke, der somit durchaus noch einige aktive Jahre vor sich haben könnte, schließlich war der älteste Starter in Fürth stolze 72 Jahre alt.Rackelton startet durch