Der Meister der drei Disziplinen

3 Min
Eng geschnürte Bandagen geben Christoph Seefeld bei der Kniebeuge Halt Marie Hauschild
Eng geschnürte Bandagen geben Christoph Seefeld bei der Kniebeuge Halt Marie Hauschild
Vermeintlich komfortabel liegt er beim Bankdrücken.
Vermeintlich komfortabel liegt er beim Bankdrücken.
 
Die Grifftechnik spielt beim Kreuzheben keine Rolle.
Die Grifftechnik spielt beim Kreuzheben keine Rolle.
 
Zwischenzeitlich denkt sich Christoph Seefeld, "Warum tue ich mir das alles an?", doch wenn das Publikum ekstatisch anfeuert, überwindet er solche mentalen Tiefs.
Zwischenzeitlich denkt sich Christoph Seefeld, "Warum tue ich mir das alles an?", doch wenn das Publikum ekstatisch anfeuert, überwindet er solche mentalen Tiefs.
 
Im Backstagebereich helfen sich die Kraftsportler gegenseitig.
Im Backstagebereich helfen sich die Kraftsportler gegenseitig.
 
Trainer Matthias Scholz (re.) ist Stolz auf seinen Schützling.
Trainer Matthias Scholz (re.) ist Stolz auf seinen Schützling.
 
Fast jeder Athlet hat seine Rituale oder "Macken", wie es Seefeld nennt, der vor jedem Versuch mit ausgestrecktem Bein auf die Hantel tritt.
Fast jeder Athlet hat seine Rituale oder "Macken", wie es Seefeld nennt, der vor jedem Versuch mit ausgestrecktem Bein auf die Hantel tritt.
 
Christoph Seefeld lässt sich feiern. Die unterlegenen Kontrahenten freuen sich mit dem neuen deutschen Meister.
Christoph Seefeld lässt sich feiern. Die unterlegenen Kontrahenten freuen sich mit dem neuen deutschen Meister.
 
Als "dünnen" Christoph, der früher Fußball spielte, lernte Julie ihren heutigen Mann vor rund zehn Jahren kennen.
Als "dünnen" Christoph, der früher Fußball spielte, lernte Julie ihren heutigen Mann vor rund zehn Jahren kennen.
 

Christoph Seefeld, ehemaliger Ausdauerathlet, ist seit kurzem deutscher Schwergewichts-Meister in Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben.

Von 75 auf 120 in rund sechs Jahren. Für ein Auto wäre das ein Armutszeugnis, doch die Rede ist nicht von Kilometern pro Stunde und einem Fahrzeug, sondern von Kilogramm beim deutschen Meister im Kraftdreikampf (KDK), wenngleich Christoph Seefeld von seinen Arbeitskollegen gerne mal "Maschine" genannt wird. Noch beeindruckender ist die Steigerung der Gewichte, die der 37-Jährige stemmt. Inzwischen ist der aus Brandenburg stammende, in Röttenbach wohnende, in Erlangen arbeitende und in Forchheim trainierende Seefeld bei 950 Kilo angelangt.


Oldie besiegt Jungspunde

Seefeld ist ein Spätstarter, die Konkurrenten in seiner Gewichtsklasse (105 bis 120 kg) bei der "Deutschen" in Lauchhammer, ganz in der Nähe seiner Heimat, waren im Schnitt zehn Jahre jünger als er. "Ich war früher Triathlet und Fußballer, hatte aber Knieprobleme. Der Arzt empfahl mir, Muskeln aufzubauen, also ging ich ins Fitnessstudio", erzählt er. Das Training dort machte ihm so viel Spaß, dass er sich nach Alternativen zu seinen bisherigen Hobbys umhörte und im Alter von 31 Jahren beim Kraftdreikampf landete.

"Egal, was ich mache: Ich gebe immer 100 Prozent und will so erfolgreich sein wie möglich", erklärt Seefeld. Diese Mentalität dürfte der frühere Boxer aus mehreren Tiefschlägen erworben haben. Bei der Geburt wickelte sich die Nabelschnur um seinen Hals. Als Jugendlicher in der DDR zog er sich eine Lungenentzündung zu. "Die Ärzte bewerteten meine Überlebenschance mit 50/50. Doch über Nacht habe ich mich plötzlich erholt", berichtet der 37-Jährige. 2003 lag er nach einem Autounfall drei Tage im Koma.


Immer neue Zielmarken

Schneller als viele andere kämpfte er sich ins normale Leben zurück. Schneller als viele andere machte er auch beim KDK Fortschritte, setzte sich immer wieder neue Zielmarken. Dank seiner 900 Kilo in der Summe aus Kniebeuge, Bankdrücken und Kreuzheben (siehe Infokasten) knackte er bei der westeuropäischen Meisterschaft im September die B-Norm. Sein Siegergewicht bei den nationalen Titelkämpfen hievte den 1,71-Meter-Mann in die höchste Kategorie A. "Ich hatte Schmerzen am Unterarm, Probleme mit den Adduktoren und eine Erkältung. Anscheinend konnte ich mit dem Gefühl, nichts zu verlieren zu haben, meine Bestleistung abrufen."


Blindes Vertrauen in den Trainer

Sein Ergebnis erfährt Seefeld meist erst hinterher, denn wie viele Metallscheiben auf der Stange liegen, überlasse er seinem Trainer. "Ich vertraue Matthias Scholz blind. Wegen ihm fahre ich manchmal extra für eine Trainingseinheit nach Erfurt", sagt Seefeld. Seine Stimme höre er während des Wettkampfs aus dem johlenden Publikum heraus. "Runter, runter, runter", schreit Scholz bei der Kniebeuge und gibt das Signal "Rauf", sobald sein Schützling tief genug ist. Vor jedem Durchgang motiviert sich Seefeld mit einem Schrei, nach dem Versuch geht sein erschöpftes Hecheln im Geschrei der Zuschauer unter. "Im Prinzip sind wir moderne Gladiatoren", beschreibt der Sportler seine Rolle. "Wenn ich meine Nervosität im Griff habe, explodiere ich förmlich."

Einer der Helfer, die den Athleten und die Hantel im Notfall auffangen sollen, fährt die Gewichte, die Seefeld und Co. mit purer Körperkraft stemmen, nach dem Versuch mit einer Sackkarre von der Bühne. So viele Muskeln - da wurde doch nachgeholfen, lautet ein Vorurteil. Doch Seefeld unterliegt als Kadermitglied des Bundesverbands Deutscher Kraftdreikämpfer einer strikten Dopingkontrolle. Selbst auf legale Nahrungsergänzungsmittel verzichtet der Anti-Alkoholiker weitgehend. "Bei einem Dopingtest mussten wir angeben, welche Präparate wir zu uns nehmen. Bei mir blieb das Papier weiß, mein Konkurrent fragte, ob er auf der Rückseite weiterschreiben darf", erzählt Seefeld.


Erster Ersatz im Bundeskader

National hat Seefeld das Maximum erreicht, also blickt der 37-Jährige über die Grenzen hinaus. "Ich würde gerne international starten, im Moment bin ich im Bundeskader an dritter Position und damit erster Ersatz", erklärt der Metzgermeister. Zudem wolle er die 1000 Kilo vollmachen und deutscher Meister mit seiner Bundesliga-Mannschaft aus Oberölsbach (Oberpfalz) werden. Und ganz wichtig: "Ich habe vier bayerische Rekorde gebrochen. Den fünften und letzten hole ich mir auch noch", sagt der Wahlbayer aus der ehemaligen DDR.


Kein Schönheitspreis zu gewinnen

Inzwischen ist Seefeld verheiratet, seine Frau Julia lernte ihn vor zehn Jahren noch als "dünnen" Christoph kennen. "Ob das noch schön ist, sei dahingestellt", sagt Seefeld mit Blick auf seinen Körper, "aber im Moment fühle ich mich wohl und nach der Karriere werden es wieder weniger Kilo", verspricht er.

Bis dahin erfährt er Unterstützung von Familie, Freunden und Kollegen. "Das ist kein Fett. Das sind alles Muskeln", sagt die achtjährige Tochter Carolina und streichelt ihrem starken Papa über den Bauch.


Was ist Kraftdreikampf?

Kraftdreikampf heißt international Powerlifting und besteht - wie der Name sagt - aus drei Disziplinen. Ihren größten Auftritt haben die starken Männer alle vier Jahre bei den World Games für nicht olympische Sportarten. Laut Christoph Seefeld hat der KDK aber gute Chancen, bald ins olympische Programm aufgenommen zu werden.

Bei der Kniebeuge senkt sich der Athlet mit der Hantel auf den Schultern so lange, bis die Oberschenkel tiefer als die Knie sind. Anschließend muss er sich wieder erheben, bis die Knie durchgestreckt sind.

Im Bankdrücken liegt der Sportler rücklings auf einer Bank, die Füße stellt er seitlich auf dem Boden ab. Der Athlet nimmt die Hantel mit gestreckten Armen aus der Halterung, senkt sie bis zum Brustkorb und drückt sie anschließend wieder von sich, bis die Ellenbogen durchgestreckt sind.
Beim Kreuzheben liegt die Hantel auf dem Boden. Der Sportler ergreift sie und muss damit in eine aufrechte Position mit geraden Knien und nach hinten zeigenden Schultern gelangen.

Für jeden Versuch haben die Athleten eine Minute Zeit. Der gültige Durchgang (drei je Disziplin) mit dem höchsten Gewicht geht in die summierte Wertung ein. Der "Wilks"-Koeffizient gleicht Gewichtsunterschiede der Athleten teilweise aus.