Singen vor vollen Balkonen
Autor: Ekkehard Roepert
Forchheim, Freitag, 08. Mai 2020
Michael Braun aus Gasseldorf ist in der Offenen Behindertenarbeit engagiert. Weil er zudem gerne singt, tritt ist er in Corona-Zeiten vor Menschen mit Handicap auf.
Die Zuhörer sitzen auf den Balkonen wie auf der Galerie eines Theaters. Unten im Hof ist die Bühne, dort steht Michael Braun. Der Sänger aus Gasseldorf greift zum Mikrofon und begrüßt seine Gäste: "Ich bin da, um euch Freude zu bringen."
Die Mission des Musikers gelingt vom ersten Ton an. Die 52 Menschen, die im Wohnheim des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) in der Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße leben, sind hungrig nach solchen Momenten.
"Musik ist für Menschen mit Handicap besonders wichtig", weiß Sebastian Beetz, der Geschäftsführer des ASB Forchheim. "Sie lieben es, Feste zu besuchen, sobald die Musik spielt, gehen sie mit."
Wegen der Corona-Pandemie gab es zuletzt aber mehr Frustrationen als freudvolle Erlebnisse: Kein Sommerfest, kein Frühlingsfest auf dem Walberla, keine Café-Besuche. Nur Absagen. Auch ihrer Arbeit können die Menschen mit Handicap nicht mehr nachgehen. Und weil sich die Wohngruppen wegen der Ansteckungsgefahr nicht mischen dürfen, bleibt nicht viel Erlebnis-Spielraum.
Ein Hippie mit Hobby
Daher die begeisterten Rufe von den vollen Balkonen, noch ehe Michael Braun seine Songs anstimmt. Schon vor acht Tagen hat er bei einer ähnlichen Veranstaltungen die Bewohner des Sonnenhauses in Unterleinleiter mit seinen Elvis- und Frank Sinatra-Songs mitgerissen.
Michael Braun weiß, wie man Menschen mit Handicap unterhält. Er ist seit Jahren in der Offenen Forchheimer Behindertenarbeit (OBA) engagiert. "Gerade jetzt, wo alle Freizeitveranstaltungen abgesagt werden, sind solche Veranstaltungen wichtig", sagt Braun: "In dieser Krise sind Behinderte und alte Menschen besonders betroffen, weil sie es oft nicht verstehen können", betont der Hobby-Sänger aus Gasseldorf, der sich spaßeshalber auch als "Freizeit-Hippie" bezeichnet.
Damit ihn sämtliche Bewohner des Heimes hören konnten, sang Braun am Freitagnachmittag (8. Mai) einmal vor und einmal hinter dem Haus. Auch mit der Absicht, dass sein Vorbild Wirkung zeigt. "Ich trete hier auch in der Hoffnung auf, dass es Nachahmer gibt."