Die beiden Rädelsführer Johann Polster und Hans Wunder aus Pretzfeld seien dann mit "Eisenschlegeln" ins Schloss eingedrungen. Hier wurden zwölf von 13 antiken Barocköfen und nach Angaben des Schlossverwalters das "ganze wertvolle Geschirr, darunter Meißener und Rosenthaler Porzellan", zerschlagen.
Gegen 8 Uhr abends musste Zettner noch mal zum Schloss, weil hier schon wieder Lärm gehört worden war. Mit zwei vom Bürgermeister beigeordneten Männern sah er dann, dass im Keller "die Weinflaschen zerschlagen waren. Ich glaube nicht", so der Schlossverwalter, "dass die Täter die vollen Flaschen zerschlagen haben". Nachts um 12 Uhr kam nochmals einer und hat mich solange gequält, bis ich eine Kommode im Gang aufgesperrt habe. Er hat dann die Sachen aus der Kommode herausgezogen und herausgeschmissen Nach Schätzung des Bezirksamts in Ebermannschatz sei insgesamt ein Schaden in Höhe von 20 000 Reichsmark entstanden.
Eine mutige Frau
Im Unterschied zu Forchheim und Aufseß bekamen die Nazis in Hagenbach auch Widerspruch zu spüren. "Erschüttert und verständnislos verfolgten die Hagenbacher", schreibt Josef Seitz, wie die Nazis die Häuser der jüdischen Ehepaare Seiferheld und Mai plünderten und sie auf ihren Lastwagen zerrten. Und dann: "Die Frau des Bäckers Löw stellte sich den wild hausenden Eiferern vorwurfsvoll in den Weg. Sie wurde die halbe Nacht verhört und bekannte sich zu den guten Beziehungen mit den jüdischen Familien. Ihr Mann fürchtete, man könnte sie verhaften. Wäre der Bürgermeister (Gastwirt Richter) nicht ihr Bruder gewesen, hätte sie sicherlich ihren Mut mit Repressalien bezahlen müssen."
Von Anna Löw (1898 bis 1984), liebvoll auch "Oma Löw" genannt, gibt es ein Tonband, auf dem sie Schülern vom Leben im Dorf erzählt, bevor die Nazis kamen. Im schönsten fränkischen Dialekt erzählt sie, wie groß die jüdische Gemeinde einst in Hagenbach war.
Leider klingt es in der hochdeutschen Übertragung nicht so authentisch wie im Original: "Ja, das war auch ein Judenhaus, wo wir sitzen. Ich glaub', dass nur ein Drittel Bauern waren, das andere waren alles Juden. Es hat viele Judenhäuser gegeben. Die haben alle ein Geschäft gehabt. Ja, und die Bauern haben das ja nicht gekannt, wenn einer einmal bloß mit einem Bündel wohingeht. Dann heißt es, das ist ein Faulenzer. (...) Die haben alle ihren Handel betrieben. Mit Hopfen haben sie gehandelt. Die haben mit allem etwas gehandelt."
Dann erzählt sie vom "Hutzler Abraham", dessen "Gäu" Niedermirsberg und Rüssenbach war, und seinem Seufzer: "Jo, mei Mischberg, jo."
Aus ihrer Kindheit ist ihr noch der Lehmann Mai in Erinnerung: "Der Mai, der war immer drin bei uns - mit einem kleinen Bündel, und da hat er Anzugsstoff drinnen gehabt. Da war immer ein braunes Papier drum. Ein Jahr wie das andere. Und so oft ich ihn gesehen habe, immer gleich groß. Und er hat einen Stecken gehabt, dann ist er rein zu uns und hat es auf die Bank hingelegt, hat die Zeitung genommen, seine Brille aufgesetzt und dann immer die Zeitung von rückwärts gelesen. Er hat immer von so ganz nah hingeschaut. Und wir waren gegenüber und haben gelacht. Und immer ist er gestanden, der Jud. Der hat sich nicht gesetzt. Ja, so war das." In ihrer mutigen Offenheit trat sie für die ein, die zu ihrer Dorfgemeinschaft gehörten wie jeder andere auch. Den von den Nazis geschürten Hass konnte sie nicht begreifen. Schade, dass im Ort jeder Hinweis auf ihre Mitmenschlichkeit fehlt!
Den Kontakt zu den Juden konnten die Nazis auch in Forchheim nicht ganz unterbinden. Noch im September 1941 beschwerten sich die beiden NSDAP-Ortsgruppenleiter Georg Konrad und Christian Merz beim Bürgermeister, dass "eine Bäuerin des Umlandes dem Juden Braun einen Gockel ins Haus getragen hat" und "immer wieder Bauern des Umlandes bei den Juden vorsprechen. Die Duldung derartiger Verhältnisse ist geeignet, den Eindruck zu erwecken, als ob diese jüdischen Herausforderungen nicht abgesetzt werden könnten".
Ausschreitungen in Aufseß
Auch die Ausschreitungen gegen die Juden in Aufseß gingen von der Bayreuther Gauleitung aus. Die telefonische Anweisung erhielt die NSDAP-Kreisleitung, die zu dieser Zeit ihren Sitz in Heiligenstadt hatte, gegen Mittag des 10. November. Die örtliche SA sei zu alarmieren und habe nach Aufseß auszurücken.
Ohne den Kreisleiter, aber mit einem Lkw seines Baugeschäfts, fuhren daraufhin um die 20 SA-Männer in den knapp sieben Kilometer entfernten Ort. Mit ihnen traf gleichzeitig eine Gruppe SS-Leute in Zivil aus Bayreuth ein. Die hier wohnenden letzten fünf Juden - alle über 60 Jahre alt - wurden verhaftet, von den SA-Leuten in der Gastwirtschaft Schrenker festgehalten und "unter körperlicher Einwirkung" gezwungen, "vorgeschriebene Quittungen über die angebliche Bezahlung der Schulden zu unterzeichnen", berichtete das Bezirksamt Ebermannstadt am 2. Dezember 1938 an die Regierung in Bayreuth: "Ja, sogar Grundstücke mit Gebäuden wurden auf diese Art und Weise übereignet."
Das geschah unter Federführung des mittlerweile anwesenden Kreisleiters, der von den örtlichen "Hoheitsträgern" unterstützt wurde. So wurden Bürgermeister, Ortsgruppenleiter, ihre Stellvertreter sowie der Ortsbauernführer genannt. Eine Zeugin sagte später aus, ein örtlicher Schlosser und Landwirt habe es übernommen, "alle jene Personen ausfindig zu machen, die bei Fleischmann Schulden hatten. Letztere wurden aus der ganzen Umgebung mittels Kraftfahrzeuges zusammengefahren, ja teilweise gezwungen nach Aufseß zu kommen, um sich hier bei Fleischmann auf einfache Weise schuldenfrei zu machen".
Währenddessen durchsuchte die SS zusammen mit dem Bürgermeister die drei jüdischen Häuser, plünderte sie und beschlagnahmte - nach dem Bericht der Polizeistation Aufseß vom 25. November 1938 - Wertpapiere in Höhe von 11.504 Mark. Am Abend kehrten die fünf Bürger in ihre verwüsteten Wohnungen zurück.
Im Revisionsurteil von 1950 ging das Landgericht davon aus, dass auch "Ortseinwohner, darunter Kinder", in die Wohnungen eindrangen und "Sachen herausgeschleppt wurden". Die Verwüstungen waren so groß, dass Moritz David (66 Jahre) und seine Frau (62) "über verschiedene Haufen Glas, Porzellan und zerschlagener Möbel klettern" und ihre "zerschlagenen Betten" selbst wieder zusammensetzen mussten. Moritz und Marie David gelang es, am 5. April 1940 in die USA zu emigrieren. Berta Günther (Witwe, 74 Jahre) suchte 1938/39 Zuflucht bei ihrer Tochter in Urspringen im Landkreis Main-Spessart, wurde mit ihr 1942 nach Theresienstadt deportiert, dann am 29. September 1942 nach Treblinka gebracht und verstarb hier mit unbekanntem Datum.
Deportiert
Karl Fleischmann (71 Jahre) und seine Frau Berta (64) flüchteten am 13. November 1938 zu ihrem Sohn nach Bayreuth. Hier verstarb Berta 1941, Karl wurde im gleichen Zug wie Berta Günther nach Theresienstadt deportiert und starb hier am 23. Januar 1943.
1939 hatte er an den Landrat in Ebermannstadt geschrieben: "Man hat mich durch ungesetzliche Maßnahmen zum vollständigen Verzicht auf mein Vermögen gezwungen, so dass ich und meine Frau darauf angewiesen sind, von unserem Sohn unterhalten zu werden. Ich bin 72 meine Frau 68 Jahre alt. Ich habe mein ganzes Leben lang redlich und fleißig gearbeitet und kein objektiver Mensch im Bezirksamt Ebermannstadt wird mir etwas Unrechtes nachsagen können. Ich appelliere an das Gerechtigkeitsgefühl des Herrn Landrats, der das mir angetane Unrecht nicht wird billigen oder dulden können."
In Aufseß aber ging der Streit um die Grundstücke, die der Familie Fleischmann und David abgepresst worden waren, heftig weiter. Acht "Bewerber", darunter die "Hoheitsträger", machten ihre Ansprüche geltend. Aber Landrat Niedermayer akzeptierte die Entscheidung der NSDAP-Kreisleitung nicht und zog die Vergabe immer wieder hinaus.
Als ihn auf Beschwerden aus Aufseß hin die staatliche Verwaltung in München und Berlin zum Handeln drängte, antwortete er verärgert: "Übrigens ist die Zwangsentjudung dieser Grundstücke nicht vordringlich, weil diese von den derzeitigen Besitzern ordnungsgemäß bewirtschaftet werden. Die Entscheidung der Frage, wer zuletzt als Sieger hervorgeht in diesem Wettstreit der Aasgeier, die sich um die jüdischen Grundstücke raufen, eilt also nicht."
Die Ahndung des Unrechts
Bereits am 25. November 1938 hatte der örtliche Polizist in seinem Bericht an das Landratsamt in Ebermannstadt angemerkt, dass in Aufseß die "Art und Weise der Durchführung der Vergeltungsmaßnahme mit wenigen Ausnahmen bei der Gesamtbevölkerung des Bezirks den denkbar schlechtesten Eindruck gemacht und hinterlassen" habe. Selbst denjenigen, "die sonst nichts mit den Juden zu tun haben wollten und auch keine Geschäfte mit den Juden betätigten", hätte erheblich missfallen, "wie man sich bei den Juden schuldenfrei machte und wie man ihr Vermögen an sich zog. Diese Vorkommnisse schädigen das Ansehen der Partei und des Staates, so dass es notwendig ist, dass wegen des jüdischen Vermögens und dessen gerechter Erfassung Staat und Partei entsprechend eingreifen."
Bis zum Kriegsende geschah aber gar nichts. Erst danach wurden die Nazis von der amerikanischen Besatzung zur Rechenschaft gezogen.