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Schwerstarbeit für den Harlekin


Autor: Elisabeth Görner

Forchheim, Montag, 16. März 2015

Beim Autritt des Wupper-Trios in St. Gereon glänzte die Klarinettistin Sayaka Schmuck.
Sayaka Schmuck als "Kleiner Harlekin"  Fotos: Elisabeth Görner


Was für ein Akustikjuwel die St. Gereonskapelle speziell für Kammermusik ist, bewies wieder einmal das Konzert des "Wupper-Trios". Es war die erste Konzertveranstaltung des Kuratoriums zur Förderung von Kunst und Kultur im Forchheimer Land im Jahr 2015.

Kulturreferent Anton Eckert stellte die Musiker vor: Axel Hess (Violine/Viola), geboren 1970, Sayaka Schmuck (Klarinette), Jahrgang 1980, und Daniel Heide (Klavier), im Jahr 1976 geboren. Obwohl in Düsseldorf, Baden-Würtemberg (nahe Ravensburg) und Weimar gebürtig, haben die drei Musiker sich im nordrhein-westfälischen Wuppertal getroffen und ihr Trio nach dem Fluss Wupper benannt.

Vom ersten Ton an war der überschaubare, aber nicht zu kleine Raum wunderbar ausgefüllt mit dem Klang der drei Instrumente, wobei jedes mit seiner ganz eigenen Klangfarbe immer zu seinem Recht kam - was auf das äußerst exakte und dabei absolut harmonische Zusammenspiel der Musiker zurückzuführen war.

Der Abend begann zwar mit Ludwig van Beethoven, aber das so genannte "Gassenhauer-Trio", (Trio op. 11 B-Dur 498) gehört nicht unbedingt zu Beethovens bekanntesten Werken, sowie das gesamte Programm mit Jules Massenet, Max Bruch und Astor Piazzolla sicher auch Musikkenner noch recht neugierig gemacht hatte.
Den etwas verwunderlichen Beinamen erhielt Beethovens B-Dur-Trio durch seinen dritten Satz, der ein Thema aus der komischen Oper mit dem Titel "Der Korsar aus Liebe" bzw. "Die Liebe unter den Seeleuten" von Joseph Weigl als Variationen verarbeitet.

Interessanterweise erinnerte das Spiel von Axel Hess auf seiner Viola oft schon an das typische weiche "Singen" eines Cellos in den hohen Tonlagen - und Beethoven hatte dieses Werk ursprünglich tatsächlich für Klarinette, Cello und Klavier konzipiert.

Der Franzose Jules Massenet (1842-1912) war vorwiegend Opernkomponist und gehörte zum Ende des 19. Jahrhunderts zu den einflussreichsten Musikdramatikern Frankreichs. Auch die "Meditation" für Violine und Klavier ist Teil einer - in diesem Fall leicht orientalisch (Ägypten) geprägten - Oper. Die meist zarte, leicht melancholische Melodienführung dieses Stückes hatte auch auf den Zuhörer eine entsprechend beruhigend-meditative Wirkung, auch wenn hier der - nicht etwa "kältere", aber mit seinen vielen Obertönen klarere - Klang der Violine deutlich von dem der Viola unterschieden werden konnte; der sehr hohe Abschlusston "stand" noch länger bewundernswert sauber im Raum.

Von 1838 (Köln) bis 1920 (Berlin) lebte Max Bruch, musikalisch ein Traditionalist, der wurde schon zu Lebzeiten eher mit Mozart und Mendelssohn verglichen wurde als mit seinen Zeitgenossen, gegen deren "neumodischen" Kompositionsstil er sich sogar erbittert äußerte. Auch mit der Besetzung für sein Opus 83, "Acht Stücke", bezog er sich auf Mozart, der als erster Stücke für Klarinette, Viola und Klavier komponiert hat.

Überraschung nach der Pause

Schon die Titel bzw. Tempi "Nachtgesang", Nr. 6 g-Moll, und "Nr. 7 H-Dur Allegro vivace, ma non troppo" weisen auf die Unterschiedlichkeit der beiden letzten Stücke vor der Pause hin. Sayaka Schmuck wiegte sich mit ihrer Klarinette - auch körperlich(!) - in der ruhigen, zur Nacht so passenden Melodie; Axel Hess und Daniel Heide machten die Harmonie, ja, den (im wörtlichen Sinn:) Einklang mit ihren jeweils eigenen Instrumenten perfekt.
Vergleichsweise aufrüttelnd wirkte dann das folgende Allegro (Nr.7); hier fiel die genauso wichtige Komponente eines guten Zusammenspiels auf: dass nämlich gegenseitige musikalische "Einwürfe", quasi das "Zuwerfen von (Melodie-)Bällen" von Spieler zu Spieler akkurat vonstatten gehen.

Nach der Pause wurde eine "Überraschung" angekündigt: Jenseits des offiziellen Programms taucht der Name (Karlheinz) Stockhausen auf und das Stück: "Der kleine Harlekin". Stockhausen (1928 - 2007) gilt als bedeutendster Komponist des 20. Jahrhunderts und ist bekannt für seine total durchorganisierte Musik - in diesem Fall auch einschließlich der Tanzschritte des Harlekins.

Sayaka Schmuck erschien denn auch in schwarz-silberner Harlekin-Verkleidung und spielte im doppelten Sinn: auf ihrer Klarinette Musik voller Leidenschaft und Temperament und tanzend einen im schönsten Sinne des Wortes kindlichen, noch staunenden Menschen in der Rolle des Harlekin.

Die körperliche (Atem-)Anstrengung war oft nicht zu überhören - und sollte, durfte auch nicht überhört werden. Es ist eins der schwierigsten Stücke für Klarinette überhaupt und entsprechend selten zu erleben.

Den offiziellen Abschluss des Kammerkonzerts bildeten die "Vier Jahreszeiten" des Argentiniers Astor Piazzolla (1921-1992); natürlich fallen einem sofort Haydn und Vivaldi ein und auf letzteren hat sich Piazzolla auch durchaus bezogen; aber der einstige Bandoneon-Spieler hat erst vergleichsweise spät das Selbstbewusstsein errungen, als Komponist mit "Tango-Wurzeln" zu sich zu stehen und den konzertreifen "Tango Nuevo", z.T. sogar mit Bezug zu Opernmusik, zu entwickeln; das ist kein Tango, nach dem man sich vorstellt, tanzen zu können.

Ein Tango für den Heimweg

Dass eine Violine auch typisch südamerikanische Percussioninstrumente imitieren kann, hörte man an den ersten "Ratsch-Kratz" -Tönen, die den Zuhörer vielleicht an Insekten erinnern sollen, auch das temperamentvolle Verhalten südländischer Menschen schienen alle Instrumente im "Sommer" darzustellen; der "Herbst" als Zeit der Vergänglichkeit hatte entsprechend traurig-melancholische, intime Züge, während der "Frühling" (der ja nun auch tatsächlich im Kommen sei) schon mit spritzig-leichten Tonfolgen begann, in romantische "Frühlingsgefühle" überging und durch zwei fast chromatische Abwärtspassagen vitalisierende Spannung übertrug. Nach begeistertem Applaus der Zuhörer wollten die Künstler dem Publikum noch Piazzollas bekannten Tango "Oblivion" - wie die Klarinettistin sich ausdrückte - "mit nach Hause geben." Mit den sehr schönen, leisen Schlusstönen von Klarinette und Violine konnten sich alle beglückt auf den Heimweg begeben.