Schreiben auf goldenem Grund
Autor: Ekkehard Roepert
Ebermannstadt, Montag, 12. Oktober 2015
Entschleunigung, Begegnung mit sich selbst und die Suche nach spiritueller Erfahrung: All dies steckt in der Kunst des Ikonenschreibens. Dem Zeitgeist zum Trotz ist diese seit 30 Jahren auf Burg Feuerstein gefragt.
In dem sonnendurchfluteten Saal riecht es nach Kleber, leise Musik ist zu hören. Zehn Frauen und zwei Männer sitzen vertieft über vergoldeten Holzbrettern und malen. Eigentlich schreiben sie, denn "Ikonen werden geschrieben", erklärt Bernhard Kreppel. "Auf der Suche nach Ruhe" und "des Malens völlig unkundig" kam der 65-Jährige aus Zapfendorf vor 20 Jahren zum Ikonenschreiben. Seitdem lässt ihn die Leidenschaft nicht los.
Der zehntägige Ikonenmalkurs in der Landvolkshochschule Feuerstein hat am Samstag begonnen. Es ist der 30. seiner Art, und Helmut Hof, Leiter der Katholischen Erwachsenenbildung im Landkreis, scheint selbst etwas erstaunt, wenn er von der nachhaltigen Beliebtheit dieses "unzeitgemäßen Angebotes" erzählt.
Begonnen hat das mit dem Ikonenmaler Peter Bauer aus Forchheim-Reuth. Er war nicht nur ein Meister seines Fachs, sondern ein meisterhafter Pädagoge. Kurz vor seinem Tod im Jahr 2005 autorisierte Peter Bauer zwei seiner Schüler, die Kurse auf dem Feuerstein weiterzuführen: Seitdem können Professor Wolfgang Fleckenstein und Franz Güra die Nachfrage gar nicht mehr decken. Wer mitmachen will, muss erstmal auf einer Warteliste ausharren.
Wer Ikonen schreibe, begebe sich in eine "völlig fremde Welt", sagt der Religionspädagoge Wolfgang Fleckenstein, der hauptberuflich im Bildungshaus der Erzdiözese Luxemburg arbeitet. Hinter dieser Kunst stehe ein gänzlich unvertrautes Bildverständnis: "Denn in der Ostkirche wird das Bild wie eine lebendige Person verehrt."
Das Malen wird also zu einer persönlichen Begegnung mit der gemalten Figur. Ausgangspunkt ist eine Text-Meditation. Der aktuelle Kurs beschäftigt sich mit dem Thema "Die Flucht nach Ägypten". Nach der Meditation beginnt jeder mit der Kopie einer Ikone, die das Fluchtmotiv zeigt. Obwohl jeder das Selbe kopiert, entstehen völlig unterschiedliche Ikonen. Jeder entschlüsselt die Vorlage auf seine Art. "Der eigene Charakter spielt eine Rolle und fließt ins Malen ein", erläutert Fleckenstein. Der Prozess des Abschreibens sei eine "Aneinanderreihung von Verzögerungen". Die komplexe Vorarbeit sorgt für Entschleunigung: Auf das Brett werden mehrere Leim-Schichten aufgetragen; es wird grundiert, poliert, geölt, mit Blattgold überzogen. Dann muss der Farbträger, Eigelb und Wein, geduldig angerührt werden. Und auch die "pfützige" Maltechnik selbst lebe vom Verzögern und Warten, vom Trocknen lassen und Nacharbeiten. "Es sind viele Bremsen eingebaut", sagt Fleckenstein, "sie machen das Ganze meditativ".
Münchnerin ließ sich inspirieren
"Einen Ikonenmalkurs sehe ich nicht als Kreativkurs, sondern als spirituelles Angebot", sagt Helmut Hof. So erlebt es auch Christine Broß. Vor 20 Jahren nahm sie an einem "Dialog der Religionen" teil. Als Meditationsobjekt hatte ein Redemptoristen-Pater eine Maria-Ikone des Forchheimers Peter Bauer mitgebracht. Die Münchnerin Christine Broß "wollte erst nicht glauben, dass man lernen kann, so etwas zu malen". Doch dann ließ sie sich ermuntern und schrieb sich für einen Malkurs bei Bauer ein. Seitdem taucht sie Jahr für Jahr am Feuerstein in die Welt der Ikonen ein. Auch Brigitte Brandt ist über eine Bild-Meditation inspiriert worden. Aus Unterfranken ist sie erstmals auf den Feuerstein gereist. "Das Ikonen-Malen ist eine tiefe Erfahrung mit sich selbst und zugleich eine Möglichkeit abzuschalten und zu meditieren", sagt Brigitte Brandt.
Gemalt wird vom Dunkeln ins Helle - und in vielen Schichten. "Die großen Meister malen bis zu 180 Schichten", sagt Wolfgang Fleckenstein. Seine Schüler begnügen sich mit weniger als zehn.
Sie kenne keine bessere Art, ihre Abende zu verbringen, sagt Waltraud Schaub. Für die verwitwete 83-jährige Erlangerin ist das Ikonen-Schreiben "zugleich Lebenshilfe und religiöse Erfahrung". Beim Verinnerlichen des Motivs käme immer auch das Persönliche "hoch". Wenn sie sich dieser Tage mit dem Fluchtmotiv beschäftige, beeinflusse das ihre Gedanken zur politischen Lage: "Ich kann jetzt mitempfinden, was Flucht sein muss."
Wer sich im Mal-Saal umhört, stößt immer wieder auf den Namen Peter Bauer. Auch der ehemalige Sprachheillehrer Franz Güra erinnert sich an seine "prägende Begegnung" mit dem Ikonen-Maler aus Reuth. Seitdem leitet Güra abwechselnd mit Wolfgang Fleckenstein die Kurse am Feuerstein. Ohne Glaube gebe es keine Ikonenmalerei, sagt der 75-Jährige, während er eine Folie Blatt-Gold bereitlegt. Es würden die religiösen Motive ja nicht nur abgeschrieben: "Wir werden hineingeführt in ein inneres Geschehen."