Druckartikel: Schieflage nicht nur wegen Corona: Forchheimer Künstler bangen um Spielstätte

Schieflage nicht nur wegen Corona: Forchheimer Künstler bangen um Spielstätte


Autor: Ekkehard Roepert

Forchheim, Dienstag, 13. Oktober 2020

Das Forchheimer Kulturleben braucht Struktur. Dafür kämpfen ein neuer Verein und die Stadträte. Vor allem das Kolpinghaus wird vom Rettungsanker zum Sorgenkind.
Die Idee, das Kolpinghaus zum Kulturzentrum zu machen, lebt, steht aber auf wackligen Füßen. Grafik: Jessica Zapf


Robert Hübschmann und seine Mitstreiter sind eigentlich in Feierlaune. Ihr Verein Kulturpuls ist seit wenigen Tagen unter Dach und Fach. Gleichzeitig droht der zunehmende Mangel an Spielorten und jetzt auch noch Corona den städtischen Kulturpuls immer schwächer schlagen zu lassen. "Die Idee für den Kulturpuls war mit dem Kolpingsaal verbunden" , erinnert Robert Hübschmann. Hauptthema war, über eine Betreibergesellschaft nachzudenken. "Jetzt ist uns ein bisschen das Medium abhanden gekommen", kommentiert Hübschmann die baurechtlich bedingte Schließung der Spielstätte am Kolpingplatz.

Dennoch ist der Kulturpuls seit Ende September ins Vereinsregister eingetragen. Ein Dachverein der Kulturschaffenden ist entstanden. Die Bandbreite reicht vom Jungen Theater über den Musik- und Lieder- bis hin zum Türkischen Kulturverein. "Wir brauchen Struktur. Unsere Aktivitäten sollen gebündelt werden und eine Schlagrichtung in Bezug auf das Kulturamt kriegen, das es demnächst geben wird", sagt Hübschmann.

Aber nicht nur der Verein Kulturpuls ringt um Struktur. Auch die Stadträte tun es: Sie haben am 5. Oktober ihre Bürgermeisterin Annette Prechtel (FGL) beauftragt, Gespräche mit den Kulturschaffenden zu führen. Welche Bühnen und welche technischen Anforderungen werden im Rathaus benötigt, wenn es ab 2024 als Haus der Begegnung auch ein Ort der Forchheimer Kultur sein soll?

"Wir wollen unsere Wünsche in die Politik hineinbringen", sagt Robert Hübschmann. Damit rennt er zumindest bei Annette Prechtel offene Türen ein. Denn die Bürgermeisterin (FGL) betont, dass sie "nach wie vor auf das Kolpinghaus als Kulturzentrum" setze. Doch akut gehe es darum, eine "Zwischenlösung zu finden", betont Prechtel. Denn auf lange Zeit würden das Rathaus und das Kolpinghaus nicht bespielbar sein.

Das treibt auch Bürgermeister Udo Schönfelder (CSU) um. "Die Befunduntersuchungen im Kolpinghaus dauern mir zu lange. Jeder Monat, der vergeht, ist verlorene Zeit und verlorenes Geld."

Für das Kolpinghaus sind im laufenden Forchheimer Etat 800 000 Euro bereitgestellt. Wozu dieses Geld in ein Provisorium investieren, fragt Schönfelder, "wenn die Maßnahmen dann versumpfen". Da es laut Kulturentwicklungsplan viel zu wenige Spielorte in Forchheim gebe, sei die Verzögerung in Sachen Kolping um so ärgerlicher, meint Schönfelder: "Vor fünf Jahren haben die Vorarbeiten für die Generalsanierung des Kolpinghauses begonnen und noch immer gibt es keinen Realisierungswettbewerb."

Wenn Simon Michael auf die Kulturentwicklung seiner Heimatstadt blickt, dann ist nicht nur von Verzögerung, sondern sogar von Rückständigkeit die Rede. Der gefragte Musiker und Produzent, der viele nationale und internationale Spielstätten kennt, ist der Meinung, Forchheim sei kulturell "immer noch auf dem Stand der 60er oder 70er Jahre". Besserung sei in Sicht, aber: "Es fehlt nicht nur an einem Raum für die Kultur. Es fehlt an der grundsätzlichen Bereitschaft, etwas zu ändern."

Simon Michael denkt Kultur viel grundsätzlicher: Die Parkanlagen müssten hergerichtet, die Fußgängerzone ausgeweitet werden. "Ich liebe diese Stadt und bin total heimatverbunden, aber ich bin froh, dass ich als Kulturschaffender wenig von der Stadt abhänge." Simon Michael kritisiert den Umgang der Forchheimer mit ihrer Geschichte: "Jede andere Stadt in Deutschland, und wenn sie nur 10 000 Einwohner hat, macht mehr aus ihrer Geschichte als Forchheim. Hier hält man an verkrusteten Strukturen fest und eröffnet lieber einen Walk of Beer, statt auf Vielfalt zu setzen."

Da die Kulturschaffenden "seit 20 Jahren nur vertröstet" würden, sieht Simon Michael im Verein Kulturpuls die Chance, einige der "vielen Baustellen" aufzuräumen. "Den Kulturentwicklungsplan umzusetzen, das würde uns schon voranbringen", meint der Musiker, der derzeit in Ebermannstadt lebt.

Der Verein Kulturpuls wirbt um seine Mitarbeit. Grundsätzlich sei er bereit, sich dieser "guten Sache" anzuschließen, sagt Simon Michael, "aber ich bin aus diesem Film gerade raus". Wegen Corona sei momentan "alles auf Eis gelegt, da macht man sich als Künstler um andere Sachen Gedanken".

Doppelter Rittberger rückwärts

Auch Robert Hübschmann räumt ein: Die lahmende Forchheimer Kulturentwicklung sei "zu zwei Drittel coronabedingt". Der Kulturpuls-Vorsitzende klingt daher etwas frustriert: "Kultur hat mit Begegnung zu tun und mit einem engen Austausch. Das ist alles im Arsch, selbst das Proben funktioniert nicht wegen der Abstandsregeln. Es ist ein echtes Problem, was auf die Spur zu kriegen."

Obwohl Corona für die Kultur wie ein "doppelter Rittberger rückwärts" (Hübschmann) ist, gibt Simon Michael die Hoffnung auf ein Kulturzentrum nicht auf: "Es muss kein Kulturpalast aus Glas und Stahl werden. Aber wir brauchen eben auch mehr als eine Bühne im Keller."