Schicksale bei Kaffee und Kuchen
Autor: Petra Malbrich
Gräfenberg, Montag, 04. Mai 2015
Stadt und evangelische Gemeinde in Gräfenberg hatten zur Begegnung mit Asylbewerbern eingeladen.
Mit einem Flüchtlingsschiff ist auch Simon Agada gekommen. Von Libyen nach Lampedusa. Das war 2008, aber die Erinnerung ist noch lebendig. Gerade bei jeder Unglücksmeldung dieser Schiffe. Simon erzählt seine Geschichte im evangelischen Gemeindehaus in Gräfenberg. Dort duftet es nach Kaffee. Und ein "Begegnungskaffee" soll der Nachmittag, eine Gemeinschaftsaktion der evangelischen Kirche und der Stadt auch werden, denn inzwischen leben 20 Frauen, Männer und Kinder unterschiedlicher Nationen in Gräfenberg. Seit einem Monat auch Simon und seine Familie.
Pfarrerin Ruth Neufeld und Bürgermeister Hans-Jürgen Nekolla begrüßen die Bürger und die Asylbewerber. Auf Deutsch und auf Englisch, denn das ist die Hauptsprache, mit der man sich verständigen und die Geschichte, die hinter jedem steht, erfahren kann. Simon ist aus Nigeria geflohen. Dort gibt es keine Menschenrechte. Die afrikanischen Staaten sind Kriegsgebiete.
Bunte Türen für das Freibad
"Ich danke Gott dafür", sagt Simon im evangelischen Gemeindehaus in Gräfenberg. "Hier gibt es keine Diskriminierung. Wir leben wie Brüder und Schwestern. Hier haben wir zu essen, zu trinken, Kleidung und einen Job", freut sich Simon. "Es ist eine Beschäftigung, keine Arbeit. Sie helfen, das Freibad zu renovieren", sagt Nekolla und erklärt, dass Asylbewerber 20 Stunden bei Kommunen und gemeinnützigen Vereinen für einen bescheidenen Stundensatz helfen dürfen. Diese Beschäftigung habe aber zwei positive Effekte, hilft sie doch bei der Integration. Aber es gibt dadurch auch kein Konfliktpotenzial, als wenn sie den ganzen Tag untätig aufeinandersitzen würden. Die Umkleidekabinen im Freibad wurden farbig gestrichen.
"Gräfenberg ist bunt. Die Arbeiter sind bunt, deshalb die bunten Farben, denn Farben sind das Leben", sagt Eken Gürkan, in dessen Wohnungen die Asylbewerber ein neues Zuhause gefunden haben. Er und Ehefrau Doris kümmern sich um das Bürokratische, erledigen Behördengänge, damit die Flüchtlingsfamilien Geld bekommen.
Eken Gürkan stellt alle Familien vor. Die Namen klingen so fremd und kompliziert, die wenigsten Bürger aus Gräfenberg und den Nachbarorten, die zu diesem Begegnungskaffee gekommen sind, können sich die Namen merken. Sie haben ihnen einfach Kosenamen verpasst. So heißt eine junge Frau nun einfach Florence. Ihr Ehemann ist noch in Italien. Sie lächelt, als sich viele Frauen an ihren Tisch setzen, um mit ihrem kleinen Sohn, der einfach Willi genannt wird, Auto zu spielen. Jeder würde ihn gerne in die Arme nehmen. Auch Snezana Braun, Ehefrau des Weißenoher Bürgermeisters. Sie dolmetscht zusammen mit den beiden Stadträtinnen Renate Krause und Antje Rammensee. Sie sind nicht in ihrer Funktion hier. Das Menschliche steht im Vordergrund: Menschen Hilfe zu geben, die Hilfe brauchen. Denn auch Florence und ihre Familie sind aus Nigeria geflohen.
Aus Albanien geflohen ist der junge Mann im weißen Shirt mit seiner Frau und dem drei Monate alten Baby. Die Eltern waren gegen die Heirat "Er ist Krankenpfleger", erklärt Gürkan. Natürlich hofft der Mann, in seinem Beruf hier eine Arbeit zu finden, bleiben zu dürfen. Das entscheidet aber nicht die Stadt Gräfenberg.
Lachen dringt von einem anderen Tisch. Die Frauen unterhalten sich gut mit einem jungen Mann. "Er ist ein netter Kerl", sagt eine von ihnen. Er ist Waise und heißt Alexander. Sascha, so wird er hier genannt, kommt aus der Ukraine, wo Krieg herrscht.
In der Ukraine verfolgt
Zudem gibt es in der Ukraine keine Toleranz, sagt Sascha. Diese fehle gerade Homosexuellen gegenüber. Sie werden teils geschlagen und verfolgt. Er lernt Deutsch, nimmt an jedem Kursangebot teil, erzählt Braun. Von Beruf ist Sascha Physiotherapeut. Ohne Worte verstehen sich die Kinder, die einen Spielteppich ausgerollt haben und dort ihre Autos, Bagger und Traktoren sausen lassen. "Ich hätte nicht gedacht, dass es so gut angenommen wird", sagt Joachim Heinig. Einige der Männer kannte er von den Arbeiten am Freibad. Für diesen Begegnungskaffee hat er extra einen Kuchen gebacken. Die beiden Familien, an deren Tisch er sitzt, kannte er vorher nicht. Sie sprechen inzwischen ein wenig Deutsch. Die eine Familie kommt aus Serbien, sie sind Christen. Die andere Familie stammt aus Bosnien-Herzegowina, sie sind Moslems. Sie sitzen an einem Tisch, teilen sich auch eine Wohnung.
Serbe ist auch Milorad Nikolic. Seine Familie lebt noch in Bamberg. Er habe einen Sinti-Hintergrund, erfährt man hier. Aber in seiner Heimat gab es keine Arbeit. Und so konnte er sich selbst die Medizin, die der Arzt verschrieb, nicht kaufen. Hier ist das anders, freut sich Milorad. "Er kann gut Gitarre spielen", sagt Gürkan weiter. Mit seinem Spiel könne er das Freibadfest umrahmen. Das Freibad, das durch die farbigen Türen an diese Menschen und ihre Geschichten erinnern wird. Menschen, die für eine ungewisse Zeit Gräfenberger sind.