S-Bahn-Halt Forchheim-Nord: Es hält kein Zug in Nirgendwo
Autor: Nikolas Pelke
Forchheim, Mittwoch, 20. Februar 2013
4345 Forchheimer haben bereits für einen zusätzlichen S-Bahn-Halt im Norden der Stadt unterschrieben. Die Bayerische Eisenbahngesellschaft bleibt trotzdem skeptisch, ob genügend Fahrgäste tatsächlich auf die S-Bahn umsteigen. Umsonst sind die Unterschriften trotzdem nicht, sagen Politiker wie Sebastian Körber.
Objektiv will die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) entscheiden, ob im Forchheimer Norden ein zusätzlicher S-Bahn-Bahnhof gebaut wird. Das ist gar nicht so einfach, findet Fritz Czeschka, der BEG-Geschäftsführer, und betont: "Theoretisch" wäre ein zusätzlicher S-Bahn-Halt in Forchheim-Nord machbar. Theoretisch wohlgemerkt. Praktisch ist die Sache verzwickt.
Vordergründig wird um eine einzige Zahl gestritten: das Fahrgastpotenzial. Mit 1000 Ein- und Aussteigern pro Tag und Haltestelle kann der volkswirtschaftliche Nutzen eines neuen S-Bahnhofes nachgewiesen werden. Wer also realistische Chancen haben will, dass tatsächlich die Bagger anrollen, sollte diese 1000er-Marke überspringen.
Die wichtige Hürde
Deshalb ist es wichtig, dass Fritz Czeschka von 1000 Ein- und Aussteigern im Forchheimer Norden überzeugt ist.
Ein erstaunliches Ergebnis
Auf der anderen Seite stehen Stadt und Landkreis, die die Sache anders sehen. Oberbürgermeister Franz Stumpf (CSU/WUO) findet beispielsweise, dass Oberfranken mal wieder benachteiligt wird. Das Landratsamt in Forchheim hat sogar eine eigene Studie zum Fahrgastpotenzial in Auftrag gegeben: mit einem erstaunlich guten Ergebnis. Die Kreis-Studie geht von über 1300 Ein- und Aussteigern im Forchheimer Norden aus. Nicht ganz so rosig sehen das die Experten vom Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN); mit 1070 potenziellen Fahrgästen aber immer noch rosig genug.
"Es ist das Ringen um Annahmen", nennt der VGN-Experte Dirk Domhardt das Gezerre um die Zahl der möglichen Fahrgäste und zitiert ein berühmtes Bonmot: "Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen." Man könnte wohl auch sagen: Die Politik mischt kräftig mit.
Schließlich ist Steuergeld im Spiel. Und das nicht zu knapp. Rund eine Million Euro soll der S-Bahnsteig an der Unterführung in der Herder-Straße kosten. Und auch der Faktor Zeit ist wohl nicht zu vernachlässigen. Für Bahn-Projekte ist eine Legislaturperiode nur ein Wimpernschlag.
Welchen Einfluss können bei diesem endlosen Tauziehen ein paar tausend Unterschriften haben? "Ich finde die Unterschriftenaktion gut und richtig", sagt Sebastian Körber, der für die FDP im Bundestag sitzt, und fügt nicht von ungefähr hinzu: "Ich stehe dazu seit vielen Monaten auch im engen Kontakt mit Bayerns Verkehrsminister Martin Zeil!"
Silberhorn will den Hebel umlegen
Alleroberster Dienstherr der Bayerischen Eisenbahngesellschaft ist nämlich nicht Fritz Czeschka, sondern Martin Zeil, der bayerische Wirtschaftsminister von der FDP. Zumindest bis zu den nächsten Landtagswahlen. Den Minister will Thomas Silberhorn, der Stimmkreisabgeordnete der CSU, lieber heute als morgen für den S-Bahn-Halt gewinnen. "Da muss der Hebel umgelegt werden." Schließlich sei der S-Bahn-Halt nur möglich, wenn die zwei neuen ICE-Schienenstränge (nach derzeitigem Stand 2018) in Höhe Forchheim so verlegt werden, dass ein kleiner S-Bahnhof zwischen den beiden existierenden Gleisen quasi dazwischenpasst.
Jetzt kommt wieder der Minister ins Spiel. Denn dass die ICE-Gleise tatsächlich S-Bahn- freundlich verlegt worden, dafür könnte Martin Zeil sorgen. Wie das? Bayern müsste dem Bund, der den ICE-Ausbau bezahlt, Geld für die Kosten überweisen, die zusätzlich entstehen.
Die entscheidende 1000er-Marke
Das würde der Minister wohl auch tun, wenn der S-Bahn-Halt im Forchheimer Norden noch in den offiziellen Planungsunterlagen des Freistaates stehen würde. Tut er aber nicht. Warum? Weil die 1000er-Marke nicht erreicht wird.
Im Bamberger Süden, wo die Domstädter sich eine neuen S-Bahnhof neben der Arena wünschen, ist es in puncto Fahrgastprognosen übrigens noch schlechter bestellt. Dort erwarten die Eisenbahn-Experten täglich nur rund 500 Ein- und Aussteiger. Gestorben ist der S-Bahnhof in beiden Städten damit aber noch lange nicht.
Fritz Czeschka nennt das den "Montabaur-Effekt". In der schönen aber beschaulichen Stadt Montabaur hat die Politik sich erfolgreich für einen ICE-Halt eingesetzt. Mit dem Ergebnis, dass der Schnellzug nicht mehr ganz so schnell zwischen den Millionen-Metropolen Köln und Frankfurt sausen kann. Die 12 000 Menschen aus Montabaur freut's.
BEG und VGN versuchen es erneut
Einen Ausweg im S-Bahnhof-Streit sieht die BEG trotzdem noch. Das Fahrgastpotenzial für Bamberg und Forchheim soll nochmal - diesmal gemeinsam mit der VGN - berechnet werden. Wann? Bevor die ICE-Gleise verlegt werden. Das dauert noch. Verspätungen noch nicht eingeschlossen.
Thorsten Glauber, der für die Freien Wähler im Landtag ist, glaubt nicht mehr recht daran: "Der S-Bahn-Halt Forchheim-Nord wird nicht gebaut werden." Wer in Aussicht stelle, den S-Bahn-Halt später in ein Planfeststellungsverfahren einfließen zu lassen, suggeriere ein Mitspracherecht, welches sich im laufenden Verfahren nie mehr darstellen lasse.
Sebastian Körber bleibt dagegen optimistisch und will "weiterkämpfen". Den Wirtschaftsminister hat er schon mal eingeladen, um sich ein "aktuelles Bild" zu machen. Ein großer Bahnhof wäre ihm sicher.