Rechtschreibung: Wird aus "Kauboi" wieder Cowboy?
Autor: Petra Malbrich
Gräfenberg, Dienstag, 01. Juli 2014
Ab dem kommenden Schuljahr müssen Lehrer wieder in sämtlichen Aufsätzen der Erst- und Zweitklässler falsch geschriebene Wörter markieren. Die Frage, wie wichtig die Rechtschreibung überhaupt ist, schwelt aber weiter.
Heißt es: "Ein Kauboi schdeet aufdem Schbillblaz?" Oder steht nach den Ferien wieder ein Cowboy auf dem Spielplatz? Dann wäre die vor 14 Jahren eingeführte Schreibreform erfolgreich reformiert worden. Dann hätten Eltern und Wirtschaft mit ihrem Aufschrei Erfolg gehabt. Dann wäre in Schüleraufsätzen Schluss mit Kauderwelsch, weil die Schulen ihr Augenmerk wieder verstärkt auf die Rechtschreibung legen würden.
Ab dem kommenden Schuljahr müssen Lehrer auch im freien Schreiben falsch geschriebene Wörter wieder markieren. In den vergangenen 14 Jahren haben sie dies in den Aufsätzen der Erst- und Zweitklässler nicht gemacht.
Den Eindruck aber, dass in den vergangenen Jahren keinerlei Fehler angestrichen worden seien, nennt Heike Wentzel falsch. Sie ist Rektorin der Anna-Grundschule in Forchheim.
Verzerrter Eindruck
Dieses vorsichtige Berichtigen galt für das freie Schreiben. "Der Rechtschreib-Unterricht fand immer parallel statt", betont Wentzel. Und da seien sehr wohl Regeln und die richtigen Schreibweisen geübt worden. An allen Grundschulen. Schreiben, wie man will, das habe es nie gegeben.
Die Schreibreform beinhaltete, Kinder nach Gehör schreiben zu lassen. Sie durften die Wörter so aufschreiben, wie sie sie hören oder sie sich vorstellen. Das alles bezog sich aber immer nur auf den Bereich des freien Schreibens. "Manche Kollegen und manche Eltern haben das so nicht verstanden", sagt auch Schulamtsdirektor Wolfgang Blos. Was letztlich auch die genannten Missverständnisse provoziert habe.
Ähnliche Argumente
Die Diskussion, die zur Reform im Jahre 2000 führte, sollte die Frage, wie Kinder richtig schreiben lernen, beantworten. Bis dahin war es üblich, nur aus dem gelernten Wortschatz Sätze und kurze Texte zu bilden. Erst wenn die Schüler wussten, wie ein Wort richtig geschrieben wurde, konnten diese Wörter verwendet werden. Recht eintönig.
Das sollte aber eine sichere Rechtschreibung gewährleisten. Obwohl auch die Kinder vor 50 Jahren schon wegen ihrer schlechten Rechtschreibung kritisiert wurden, wie sich Blos erinnert.
Doch wenn man sich nur auf den gelernten Wortschatz beschränkt, beschneide man den kreativen Wortschatz, lautete das Gegenargument. Zwei Gegensätze sollten so vereint werden. Schon vor 14 Jahren besagte deshalb die Schreibreform: Rechtschreibung bleibt auf dem Lehrplan, wird gelernt und geübt, korrigiert und bewertet. Aber beim freien Schreiben darf ein falsch geschriebenes Wort nicht bewertet werden.
Schreiben die Schüler noch nicht gelernte Wörter aus dem Kopf heraus, können schon für einen Erwachsenen seltsam anmutende Wortschöpfungen entstehen. Wie zum Beispiel "derstuhl". "Sie können die Pause nicht einschätzen. Manchmal entstehen dann Wortschlangen oder eben falsch geschriebene Wörter", erklärt Heike Schütz von der Mittelschule in Gräfenberg. Sie ist auch Lesetrainerin und Buchautorin.
Verunsicherte Schüler
Der Sinn hinter dieser Regelung lag einfach darin, Kinder durch viele rot angestrichene Fehler nicht zu verunsichern. Wenn bei Aufsätzen dann manchmal gar nichts markiert war, konnte das schon fehlinterpretiert werden. Dann konnte das so aussehen, als würden die Lehrer überhaupt nicht mehr auf die Rechtschreibung achten.
Oder fiel es manchen Eltern andererseits gar nicht auf, dass nicht korrigiert wurde?
"Es fiel uns schon auf. Und wir haben unserer Tochter zu Hause auch immer gesagt, ,essen' wird beispielsweise mit Doppel-S geschrieben, weil man es schnell spricht", erklärt Anna Müller. Sie heißt in Wahrheit anders, will ihren Namen allerdings nicht in der Zeitung lesen.
Nach dem Elternabend, an dem vor acht Jahren die Schreibreform erklärt wurde, schüttelte sie verwundert den Kopf. Sie ging mit dem Eindruck nach Hause, das Kind nicht verbessern zu sollen, sondern es einfach schreiben zu lassen, wie es möchte.
Auch in anderen Familien entstand dieser Eindruck. Aber da man vorbildliche Eltern sein wollte, überließ man das Feld den Lehrern. Was das gebracht hat? "Das sieht man doch an meiner Rechtschreibung heute. Die ist nicht die beste", sagt Felix, der nun seine Abschlussprüfung der mittleren Reife geschrieben hat. In den Aufsätzen hatte er in der Teilnote "Rechtschreibung" immer eine glatte Sechs.
"Groß- und Kleinschreibung kann ich unterscheiden. Doch das Gefühl für das stumme H fehlt mir heute noch. Wir haben aber oft geübt und unsere Mutter hat uns ab der dritten Klasse immer Texte diktiert. Es hat nichts geändert", sagt der junge Mann, der seine Bewerbungsschreiben von dem älteren Bruder, der die Hauptschule und die Grundschule noch vor der Schreibreform besucht hatte, korrigieren ließ.
"Wenn das Muss immer mehr abgeschwächt wird, wird das Kann immer kleiner", sagt Heike Schütz. Wer sich bei der Rechtschreibung nicht anstrengen müsse, wähle den einfacheren Weg. Die drei "R" nennt Schütz als wichtige Kriterien in der Erziehung, auch beim Lesen und Schreiben. Wenn die Regel, das Ritual oder die Rückmeldung fehlt, gerate man in Schieflage. Es ist wie mit dem Bücherschreiben: "Niemand kann mir die Geschichte nehmen, doch es gibt Regeln."
Dass immer mehr Leute die Rechtschreibung nicht mehr beherrschen, liegt sicher auch in sozialen und gesellschaftlichen Änderungen begründet. "Ich bin skeptisch, wenn man die Rechtschreibung absolut setzt, nur weil man die Fehler zählen kann", meint Blos.
Ein Zeichen von Intelligenz
Beim Satzbau hingegen habe man mehr Freiheiten. Da Fähigkeiten in der Rechtschreibung leichter zu messen seien, werde es als Messlatte überbewertet und damit oft zur Messlatte für Intelligenz. Das missfällt Blos. "Wie wichtig ist die Rechtschreibung überhaupt?", stellt er als Frage in den Raum.
Wenn nun wieder mehr Wert auf Rechtschreibung gelegt wird, heißt das eigentlich nur, dass sie wieder stärker korrigiert wird. Aber Korrigieren ist nicht gleich Bewerten. Das kreative Schreiben und die Rechtschreibung sollen gleich gewichtet sein und dies auch auf dem Blatt deutlich gekennzeichnet werden.