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Quälende Zeit für das Opfer von Kersbach


Autor: Jennifer Opel

Kersbach, Freitag, 03. Juni 2016

Obwohl der Tatverdächtige der versuchten Vergewaltigung in Kersbach noch am selben Tag festgenommen wurde, wird es noch dauern, bis Anklage erhoben wird.
Trügerische Idylle: Auf dem Fußweg (r.) Richtung Kersbach auf Höhe der Kapelle ereignete sich die Attacke. Foto: Andreas Oswald


Auch eine Woche nach der versuchten Vergewaltigung einer 17-Jährigen in Kersbach ist der Vorfall ein großes Gesprächsthema in Forchheim. Die junge Frau war am vergangenen Samstag um 13.15 Uhr mit dem Zug im Kersbacher Bahnhof angekommen. Von dort aus war sie zu Fuß auf dem Weg nach Hause, als ein 26-Jähriger sie überfiel, zu Boden riss und in den Straßengraben drängte.


Laut um Hilfe rufen

Die junge Frau kratzte den Angreifer, wehrte sich mit Händen und Füßen und schrie so laut sie konnte. Dadurch wurde ein 24-Jähriger auf die Situation aufmerksam, wendete seinen Wagen und trug damit dazu bei, dass der Angreifer flüchtete. Er informierte die Polizei und konnte den Täter beschreiben. So war es der Polizei möglich ihn dingfest zu machen.

"Laut schreien und um Hilfe rufen", antwortet Monika Vieth vom Weißen Ring Forchheim auf die Frage, was eine Frau im Falle eines Falles tun solle. Natürlich müsse der erste Reflex das Weglaufen sein, oft seien die Männer jedoch schneller als die Frauen, sagt Vieth. "Es ist ein Stück weit auch Glück", räumt Vieth ein, denn nur wenn auch jemand in der Nähe ist und die Hilferufe hört, könne er eingreifen. In diesem Fall hat der junge Mann vorbildlich gehandelt. Der Weiße Ring wird sich noch bei ihm persönlich bedanken.

Die 17-Jährige, die am vergangenen Wochenende angegriffen wurde, steht bereits in Kontakt mit dem Weißen Ring. "Ihre Mutter hat bei uns angerufen", sagt Vieth und erklärt, dass sich das Opfer oder deren Angehörigen immer direkt beim Weißen Ring melden müssen, "aus datenschutzrechlichen Gründen dürfen wir nicht von uns aus auf die Opfer zu gehen. Aber die Polizei verweist auf uns und stellt so den Kontakt her."


Sprechen als erster Schritt

Der Weiße Ring ist ein deutschlandweit aktiver Verein, der sich um die Opfer von Gewaltverbrechen kümmert. Im Landkreis Forchheim ist Monika Vieth die Ansprechpartnerin und unter 09545/509099 erreichbar. Im Internet sind die Informationen abrufbar. "Wenn sich jemand bei uns meldet, so wie die Mutter der 17-Jährigen, dann vereinbaren wir einen Gesprächstermin", sagt Vieth.

Sie unterhält sich dann mit den Opfern, gibt Tipps und Beratungsschecks für eine Erstberatung bei einem Anwalt aus. "Das Gespräch ist so ein erster Schritt der Aufarbeitung", weiß Vieth, betont aber auch, dass der Kontakt zu Psychologen hergestellt werde.

Das Schlimme für die Opfer sei vor allem, dass die Täter zwar zuerst in Haft genommen werden, oft dann aber bis zur Verhandlung wieder auf freien Fuß kommen. "Der Täter in diesem Fall ist momentan noch in U-Haft", erzählt Vieth. Er sei zwar polizeibekannt, allerdings bisher wegen Diebstählen und nicht wegen Sexualdelikten auffällig gewesen.

"In solchen Fällen müsste die Bestrafung auf den Fuß folgen", findet Vieth und sagt, dass es besonders schwierig sei, wenn die Mädchen den Täter vor der Verhandlung auf der Straße treffen. "Ich werde dann oft angerufen und die Frauen sind vollkommen aufgelöst", sagt sie, "das Opfer hat immer lebenslänglich, egal wie das Urteil für den Täter ausfällt. Das Selbstwertgefühl sei angegriffen und die Frauen fühlten sich beschmutzt und oft auch schuldig".


Opfer können entschädigt werden

Bis es zu einer Verhandlung kommt, muss das Opfer aber trotzdem sein Leben weiter leben. "Wir vom Weißen Ring hören zu, haben Verständnis und empfehlen Hilfsangebote, z.B. das Opferentschädigungsgesetz", sagt Vieth.

Dominik Salosnig, Pressesprecher beim Polizeipräsidium Oberfranken erklärt, warum es mitunter so lange dauert, bis es zu einer Verhandlung kommt: "In der Regel dauern bei Sexualdelikten die Ermittlungsarbeiten lange an. Wir nehmen Personenbeweise und Sachweise auf."

Bei den "Personenbeweisen" handele es sich vor allem um die Aussagen von Opfer und vermeindlichem Täter, da es selten weitere Zeugen gibt. "Wir müssen vor allem die Opfer viel fragen und auch detailliert nachfragen", sagt Salosnig, "das ist natürlich schlimm für die Opfer, aber es werden oft eben auch Vergewaltigungen angezeigt, die erfunden sind."

Besonders viel Zeit nimmt laut dem Polizeipräsidium Oberfranken die Sicherung und Auswertung der Sachbeweise in Anspruch. "Es werden zum Beispiel die Spuren an Täter und Opfer genommen", erklärt Salosnig. Dazu gehören auch DNA-Rückstände des Täters unter den Fingernägeln des Opfers. "Solche Spuren zeigen, dass es Kontakt gab", betont Salosnig.

Aber auch sämtliche Spuren am Tatort müssen gesichert werden. "Es kommt daher auch darauf an, wie groß der Tatort ist", sagt der Polizeibeamte, "je mehr Spuren gesichert und ausgewertet werden müssen, desto länger dauern die Ermittlungen an." Einen konkreten Zeitraum kann Salosnig nicht angeben, sagt aber, dass ein halbes Jahr bis zur Anklage durchaus normal sei. "Es kann im Einzelfall auch schneller oder bedeutend länger gehen", sagt er. Wann Anklage erhoben werde, das entscheide die Staatsanwaltschaft, sagt er.


Geständnis beschleunigt nicht

Im Kersbacher Fall fiel die Täterermittlung sehr knapp aus. Ein Tatverdächtiger konnte schon nach kurzer Zeit festgenommen werden. Ob es ein Geständnis gebe, dazu könne er nichts sagen, sagt der Polizeisprecher. Ein Geständnis würde die Ermittlungen aber auch nicht beschleunigen, sagt er. "Es kann jedoch dazu beitragen, dass es dem Opfer einfacher gemacht wird", weiß Salosnig, "es kann dann sein, dass die Aussage vor Gericht nicht noch einmal so ausführlich gemacht werden muss."

Wie die Frauen mit dem Trauma umgehen, sei von Situation zu Situation verschieden. "Es kommt vor allem auch darauf an, wie die Familie dazu steht und wie psychisch fit das Opfer ist", sagt Vieth, "die Eltern von dem Mädchen aus Kersbach stehen voll zu ihr. Das ist wichtig und ein guter Weg um die Tat zu verarbeiten."

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