Druckartikel: Puppemund tut Moralisches kund - Puppentheater aus Haidhof

Puppemund tut Moralisches kund - Puppentheater aus Haidhof


Autor: Petra Malbrich

Haidhof, Freitag, 07. November 2014

Wolfgang Tietz aus Haidhof schreibt und inszeniert Puppenstücke für Erwachsene. In seinem neuen Stück geht er mit den Menschen hart ins Gericht. Deren offenbar unstillbare Gier auf Fleisch zerstöre den Planeten. Seine pointierten Dialoge probt Tietz im Wald.
Foto: privat


Das Wort "Apokalypse" stammt aus dem Griechischen und heißt so viel wie "Enthüllung". Heute verbinden die meisten Menschen mit dem Wort "Apokalypse" aber wahrscheinlich eine Katastrophe, Endzeitstimmung oder auch den Weltuntergang. Um die Apokalypse und ihre Bedeutung geht es auch im Puppentheaterstück von Wolfgang Tietz in Erlangen.

Das Theaterstück beginnt mit einem Schock. Wer nun glaubt, den moralischen Zeigefinger auf sich gerichtet zu sehen, liegt gar nicht so falsch. Der Zeigefinger von Wolfgang Tietz sind seine Puppen und deren Sarkasmus. Teils vom Kasperle in fränkischem oder von der Hexe in ostpreußischem Dialekt gesprochen, teils durch den Chronisten, dem kleinen Professor, als nüchterne Zahlen und Fakten vorgetragen, treffen ihre Aussagen nicht nur ins Schwarze, sondern halten dem Menschen einen Spiegel vor.

Sie rütteln wach, lassen die Spezies Mensch Stellung beziehen und entziehen den Menschen letztendlich den Schleier, um zu zeigen, dass sich niemand herausreden kann, dass jeder Verantwortung trägt an dem Kreislauf, der zu dem Elend beiträgt.

Die Massentierhaltung in allen Facetten - von der Milchwirtschaft bis zum Schlachthof - nimmt Tietz als Anfangslied des teuflischen Kreislaufs, der nicht zu unterbrechen scheint. "60 Milliarden Tiere werden jährlich weltweit geschlachtet. Ohne Fische", sagt Tietz. Seit Januar schreibt er an dem dritten gesellschaftskritischen Stück für Erwachsene.

"Einfach umgehauen"

Seine Dialoge übt er im Wald. Auf die Finger geschaut hat ihm die Puppenspielerkollegin Gabrielle Krusenbaum aus Mühlheim an der Ruhr. Das Thema selbst beschäftigt ihn seit mehr als einem Jahr. Genauer gesagt, seit er einen Kriminalroman gelesen hat, in dem Tierhaltungspraktiken geschildert wurden. Das Buch habe ihn "einfach umgehauen".

Er trug Fakten aus vielen anderen Büchern zusammen. 99,3 Prozent des Fleisches weltweit demnach stammen aus der Massentierhaltung. 70 Prozent der Ackerflächen werden für Tierfutter verwendet, 51 Prozent des CO2 -Ausstoßes stammen aus der Massentierhaltung und der Milchwirtschaft. Von hier ist es für Tietz nur noch ein kleiner Schritt zur großen Lobby, die dahinter sichtbar werde. Damit meint Tietz nicht nur die Fleisch-, sondern auch die Pharmaindustrie.

Große Zusammenhänge

Ein Fatalist ist Tietz dennoch nicht, im Gegenteil: "Der Verbraucher hat die Power, die Dinge in eine andere Richtung zu lenken."

Doch viele Verbraucher wollen von ihren Gewohnheiten gar nicht weg. "Heucheln Sie nicht rum. Haben Sie kein Fleisch gegessen, früher? Was meckern Sie dann?", wird der Tietz im Stück von seinem Finanzmanager gefragt. Aber als die Schlachthofsituation geschildert wird, antwortet Tietz: "Das Ende der Schlachthöfe ist das Ende der Schlachtfelder."

Wolfgang Tietz, der seit 35 Jahren Puppenspieler ist, spannt einen weiten Bogen. Er zeigt auf, wozu Menschen fähig waren und sind. Aber auch, dass Tiere mitfühlende Lebewesen sind. "Man vergisst, dass man es mit mitfühlenden Lebewesen zu tun hat", sagt Tietz. Stattdessen kaufe der Mensch Billigfleisch und befeuere durch diese Gleichgültigkeit die Misshandlungen der Tiere, den CO2 -Ausstoß und den Kannibalismus. "Man verschlingt das Essen der dunkelhäutigen Spezies, verfüttert es an Tiere, und mit dem Rest wird spekuliert", zeigt der Puppenspieler auf.

Fressgier und Dekadenz

Die Dekadenz, die Fressgier, die inzwischen auch in Indien und China angekommen ist, bezeichnet Wolfgang Tietz als Apokalypse. "Ach Jungchen, lass sie sterben. Der Karren ist nicht aufzuhalten, weil es lichterloh brennt", beschwichtigt die Hexe im Stück.
Die Figuren sind nicht unsympathisch. Sie sprechen vielen aus dem Herzen, denn jeder hat auch verschiedene Stimmen in sich.

Termin Das Kammerspiel mit dem Titel "Apokalypse (Enthüllung)" hat am Samstag, 15.
November, um 20 Uhr im Erlanger Logenhaus, Universitätsstraße 25, Premiere.