Projekt "Deutsche Einheit 8": Der ICE bahnt sich an
Autor: Nikolas Pelke
Forchheim, Freitag, 08. März 2013
Geschenke werden nicht gemacht: der Landkreis beißt bei der Bahn mit vielen Wünschen auf Granit. Die zwei neuen Hochgeschwindigkeitsgleise kosten Zeit und Geld, damit die "Einheit" auf der Schiene in Forchheim ankommt.
Die Luft ist stickig, und ziemlich geladen, als die Bahn AG dem Kreistag am Mittwochabend gegen 18 Uhr die traurigste Nachricht des Tages präsentiert: Forchheim bekommt im Norden nicht einen zusätzlichen S-Bahn-Halt.
Selbst die zwei neuen ICE-Gleise werden nicht so verlegt, dass der S-Bahnhof im Norden der Königsstadt irgendwann später einmal Realität werden kann, sagen die Herren von der Bahn. Die Lokalpolitiker sind erst sprachlos, dann "entsetzt" (Fleckenstein/CSU) und "enttäuscht" (Otzelberger/SPD).
Die Bahn schiebt die Schuld freilich dem Freistaat in die Schuhe. Der müsse schließlich den zusätzlichen Haltepunkt bestellen, damit die Bahn und mit ihr der Bund liefert. Weil wer bestellt, bezahlt. Und der Bund zahlt "nur" die zwei neuen Gleise für den Hochgeschwindigkeitszug ICE. Rund 300 Millionen Euro allein für die 14 Kilometer von Baiersdorf bis Eggolsheim.
Schaut man aber in die Gesichter der meisten Männer an diesem Abend, scheint dieser Kampf bereits heute schon verloren. Die meisten Mitglieder des wichtigen Kreisausschusses und fast genauso wichtigen Bau- und Verkehrsaussschusses, die extra gemeinsam zu dieser Sitzung eingeladen worden waren, sind nach der hitzigen Sitzung wohl so weit, die Fäuste fallen zu lassen und die Boxhandschuhe an den Nägel zu hängen.
Dabei waren die meisten Herren vor dem Auftritt der Bahn-Experten noch guter Dinge. Schließlich sollten die Kreistagsabgeordneten (ja, nur Männer im Saal; Weltfrauentag hin oder her) erstmals Details erfahren, wie sich die Bahn die Trassenplanung für das Jahrhundertprojekt "Bahnmagistrale von Nürnberg über Erfurt nach Berlin" en Detail vorstellt.
25 Millionen pro Kilometer
Wie ein paar Gleiskilometer so teuer sein können? Erstens: Weil das ganze Drumherum so viel kostet. Brücken müssen vergrößert, Bahnhöfe umgebaut und Lärmschutzwände gebaut werden. Zweitens: Zeit kostet Geld. Und bis alles fertig ist, sollen immerhin acht Jahre vergehen. Für die knapp 14 Kilometer zwischen Baiersdorf und Eggolsheim wohlgemerkt. "Die Bauarbeiten müssen während des laufenden Betriebes durchgeführt werden. Das ist der Kostentreiber", sagt Thomas Sulzer von der DB Projektbau, einem Tochterunternehmen der Bahn AG.
Nach dem erfolgreichen Abschluss des Planfeststellungsverfahrens 2014 sollen die Arbeiten von 2015 bis 2022 andauern. So ist jedenfalls der Zeitplan der Bahn. "Sehr sportlich", findet das Claus Schwarzmann. Der Bürgermeister aus Eggolsheim will wohl damit wohl sagen: Verspätungen nicht eingeschlossen.
Eine kleine Drohung schwingt dabei mit. Schließlich wird auch auf dem Grund und Boden der Marktgemeinde gebaut. Da will man mitreden. Streitpunkt in Eggolsheim: die Bahn will nur eine Unterführung für Fußgänger in Höhe des Bahnhofes bauen. Eggolsheim will, dass dort auch Autos durchpassen. Geht nicht, sagt die Bahn. Die Eggolsheimer müssen den Umweg von rund zwei Kilometer in Kauf nehmen. Schließlich könnten die Bahnplaner nicht bei jeder Forderung weich werden. Die Autobrücke kostet mindest doppelt so viel wie eine Fußgängerbrücke. Und die Bahn bezahlt nur das, was gesetzlich vorgeschrieben ist.
Das ist schließlich auch nicht wenig. Brücken müssen nicht nur verbreitet werden, damit die zusätzlichen Schienen durchpassen. Die Brücken müssen so verbessert werden, dass kein Auto auf die Gleise stürzen kann. Der ICE soll später schließlich mit Tempo 230 durch das Regnitztal brettern. Die Kosten trägt größtenteils die Bahn. Einen Teil beitragen müssen auch Städte und Gemeinde. Die Kostenaufteilung ist von Brücke zu Brücke unterschiedlich. Heiko Zarnack, der von der Bahn beauftragte Brücken-Experte, geht heute davon aus, dass im Landkreis die Brücken-Kostenbeteiligung bei rund zehn Millionen Euro liegt.
Den Schallschutz bezahlt dagegen die Bahn komplett. Einige Häuser bekommen sogar neue Fenster. Damit die meisten Anwohner ruhig schlafen können, will die Bahn im gesamten Stadtgebiet links und rechts der Strecke eine vier Meter hohe Schallmauer bauen. Zwischen den Gleisen soll eine fünf Meter hohe Mauer zusätzlich für Ruhe sorgen.
Ein kleiner Verdacht bleibt
Besonders nah rückt die Schallschutz-Wand ausgerechnet dort den Anwohnern auf die Pelle, wo sich die Forchheimer einen zusätzlichen S-Bahn-Halt wünschen: im Norden. Genauer: bei der Jean-Paul-Straße.
Weit weist die Bahn den Verdacht von sich, man wolle aus einem Grund im Norden keinen S-Bahn-Halt: um sich Ärger mit Anwohnern dort zu ersparen. Schließlich könnten die das Bahnprojekt umso leichter verzögern, desto näher die Schallmauer den Gartenzäunen kommt. Als der S-Bahnhof schon fast verloren schien, hatte Reinhold Otzelberger eine einfache aber vielleicht geniale Idee: die Bahn solle doch prüfen, ob die ICE-Gleise nicht in der Mitte verlegt werden. Dann könnten auf den beiden Gleisen jeweils am Rand die Regionalzüge zwischen Bamberg und Nürnberg pendeln.
Die Kreisräte verabschiedete abschließend eine Resolution, dass die Bahn AG diesen Vorschlag doch bitte prüfen möge. Die Erfolgsaussichten dürften eher gering sein. Schließlich wird die Gesamtstrecke schon gebaut. Irgendwann soll das Projekt "Deutsche Einheit", das 1991 beschlossen wurde, auch mal fertig sein. Das sei das größte Problem, sagen die Planer von der Bahn. Dass sich die Planungen für das Jahrhundertprojekt seit Ewigkeiten hinziehen. Kaugummi nichts dagegen, sagen die Männer von der Bahn. Aber da sind die Politiker schon weg. Und auch die Mikrofone aus.
Mehr Infos finden Sie auf der Projektseite der Bahn.